- fünfundsechzig -

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Wütend schlage ich die Tür hinter Elijah zu und atme tief durch, um mich zu sammeln. Als ich ins Wohnzimmer zurückkomme, steht Phil auf und tritt zögernd auf mich zu. Seine Augen suchen meine, während er unsicher vor mir verharrt. Ich gehe einen Schritt näher, und er zieht mich sanft in seine Arme. Erschöpft lehne ich mich gegen seine muskulöse Brust, atme seinen vertrauten Duft ein. Mit einer flüchtigen Geste streicht er mir über das Haar und flüstert leise: "Ich bin stolz auf dich, Ari."

Langsam hebe ich den Kopf, um in sein Gesicht zu sehen, unsicher, ob er es ernst meint. "Wirklich?", frage ich leise.

Phil nickt. "Ich bin stolz darauf, dass du so stark warst und Elijah deine Meinung gegeigt hast."

Ich lächele abwesend und lasse die letzten Minuten in meinem Kopf Revue passieren. Dann fahre ich mir hastig mit dem Handrücken übers Gesicht, um die Tränen wegzuwischen.

Schnell lasse ich einen Blick auf die große schwarze Uhr an der Wohnzimmerwand gleiten. "Es wird langsam Zeit", stelle ich fest. "Ich gehe mich schnell zurecht machen und dann fahren wir zu deinem Spiel, in Ordnung?", frage ich Phil.

Er stimmt zu und drückt mir einen Kuss auf die Wange.

Im Bad wasche ich mir mein Gesicht mit kaltem Wasser, rubbel es sorgfältig trocken und creme es ein.

Als ich ins Schlafzimmer laufe, steht Phil gerade im Flur und schließt seine blaue Trainingsjacke. "Ich gehe kurz zum Auto, ich wollte was holen", erklärt er und verschwindet durch die Wohnungstür, ehe ich antworten kann.

Verwirrt tapse ich ins Schlafzimmer und schlüpfe aus meinen Kleidern. Gerade als ich mir eine schwarze Skinny Jeans überziehe, klopft es erneut an der Wohnungstür.

Ich öffne, und Phil steht vor mir. Sein Blick wandert anerkennend über meinen nackten Oberkörper.

"Das ist jetzt aber nicht gerade hilfreich," sagt er mit einem verschmitzten Lächeln. Ich runzle verwirrt die Stirn.

Er zaubert ein blaues Shirt hinter seinem Rücken hervor. Es dauert einen Moment, bis ich erkenne, was es ist – ein Trikot.

"Ich wollte dir eigentlich ein originales Trikot von mir schenken, aber du wärst darin verloren gegangen. Deshalb habe ich dir dieses hier besorgt. Es lag schon seit ein paar Tagen in meinem Kofferraum," erklärt er verlegen und reicht mir das Shirt.

Dankbar nehme ich das Shirt entgegen und betrachte es genauer. Es ist ein leuchtend blaues New York Giants Trikot in Größe XS. Auf der Vorderseite prangt eine große, weiße 10, und auf dem Rücken steht ebenfalls die 10, darüber sein Name "WEST" in großen Buchstaben.

Ich strahle ihn an. "Danke Phil, das bedeutet mir wirklich viel."

"Ich möchte, dass jeder sieht, dass du zu mir gehörst. Ich schäme mich nicht für dich, Ariana, auch wenn du das immer denkst. Ich bin stolz darauf, dass du meine Freundin bist, und ich möchte, dass das jeder weiß. Außerdem wäre mir wohler bei dem Gedanken, wenn dich niemand mehr angräbt", gibt er mit einem schiefen Grinsen zu.

Ich küsse ihn liebevoll auf den Mund. "Und selbst wenn. Du bist der Einzige, der mich interessiert."

Ich ziehe das Trikot an und betrachte mich stolz im Spiegel. "Steht dir ausgezeichnet", kommentiert Phil und beobachtet mich mit leuchtenden Augen an.

"Danke, finde ich auch", grinse ich zurück. Ich schnappe mir eine Jacke und schlüpfe in ein paar weiße Nikes, tusche meine langen Wimpern und lasse meine braunen Haare glatt über die Schultern fallen.

"Fertig", rufe ich Phil zu, der im Flur auf mich wartet.

"Dann komm, wir sind spät dran", antwortet er und öffnet die Wohnungstür. Ich schnappe noch meine Handtasche, schließe die Tür hinter mir ab und laufe Phil hinterher.

Als wir am Stadion ankommen, parkt Phil in der Tiefgarage. Wir fahren mit dem Aufzug nach oben, doch in einem leeren Gang trennen sich unsere Wege. Er erklärt mir noch den Weg zur VIP Lounge, ich wünsche ihm viel Glück, und dann verschwindet er in die Kabine.

Langsam laufe ich den Gang entlang und suche nach dem gläsernen Raum mit Blick über das ganze Spielfeld, wo ich später auch Phils Eltern und Emily treffen werde. Ich hoffe, meine Freundin ist schon vor mir da.

Als ich zögerlich die Tür öffne, auf der in großen schwarzen Buchstaben "VIP LOUNGE" steht, stelle ich ernüchtert fest, dass sie noch mit Abwesenheit glänzt. Pünktlichkeit war noch nie ihre Stärke.

Auch sonst ist der Raum noch relativ leer. Es sind lediglich einige Geschäftsmänner mittleren Alters in teueren, schwarzen Anzügen anwesend, die mich mit ihren gierigen Blicken beinahe verschlingen. Als ich dann aber meine Jacke ausziehe und sie mein Trikot erblicken, aus dem sich schlussfolgern lässt, dass ich die Freundin eines Spielers bin, wenden sie ihre Blicke resigniert von mir ab.

Ich sinke in einen schwarzen Ledersessel und signalisiere dem jungen Kellner, der eilig herbeikommt, dass ich ein Glas Champagner möchte.

Mit einem leisen Seufzen ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche und tippe eine Nachricht an Emily, um nach ihrer Ankunftszeit zu fragen. Plötzlich lässt mich eine vertraute Stimme aufschrecken.

"Hey Ariana", ertönt die vertraute Männerstimme und ich blicke in zwei blaue Augen, die mich freundlich ansehen.

Vor mir steht Aiden, in dem selben Giants Trainingsanzug, den auch Phil trug. Die Jacke ist offen und darunter versteckt sein Trikot mit der Nummer 24 seinen trainierten Oberkörper.

Erst jetzt bemerke ich Krücken, die er in seinen Händen hält.

"Hey Aiden, setz dich doch", fordere ich ihn auf und er nimmt auf einem Sofa direkt neben meinem Sessel Platz.

"Was ist passiert?", frage ich neugierig und deute auf seine Gipsfuß.

"Trainingsunfall. Ich bin gestürzt und hab mir die Bänder im Knöchel gerissen. Die Saison ist für mich gelaufen." In seinem Gesicht liegt tiefe Trauer. Football ist seine Leidenschaft, genau wie die anderen Jungs beschäftigt er sich jeden Tag damit. Plötzlich komplett rausgerissen zu werden muss ein furchtbares Gefühl sein.

"Das tut mir wirklich leid für dich, Aiden", bemitleide ich ihn aufrichtig. "Ich hoffe, dass du schnell wieder fit wirst", schiebe ich hinterher. Der Blonde schenkt mir ein trauriges Lächeln.

Wir schweigen einen Moment und ich nippe an meinem Glas. Aiden lässt seinen Blick wehmütig über das Spielfeld und die Zuschauerränge gleiten, die man von hier oben bestens im Blick hat. Irgendwann fängt er sich wieder und zwinkert mir zu: "Hübsches Trikot trägst du da übrigens."

Verlegen lächele ich ihn an. "Danke, das hat Phil mir geschenkt."

"Eure Freundschaft ist wirklich was besonderes. Da kann man ja richtig neidisch drauf werden", erwidert Aiden.

Ich beiße mir auf die Unterlippe und versteife mich ein wenig.

"Also um ehrlich zu sein, Aiden..", beginne ich zögernd und spiele an meinem silbernen Ring herum.

"Ja?", fragt er alamiert und starrt mich neugierig an.

ArianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt