5. Kapitel - Yumah

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Das Gespür für die Zeit verflog mit jedem einzelnen Wimpernschlag. Wie lange wir bereits unterwegs waren, wusste ich nicht, jedoch fühlte es sich inzwischen an, wie eine Ewigkeit. Eine schier endlose Endlichkeit, die in ihren endlosen Weiten, die Grenzen der geglaubten Unendlichkeit weit überschritt.

Ich wurde wieder philosophisch. Dabei hatte ich immerin das Bewusstsein, dass ich nicht zu einem blutrünstigen Killer mutierte. Der Gedanke daran versetzte mich immer noch in Angst und Schrecken, ließ mich in eine Art Trance fallen. Dann empfing mich eine düstere, entfernte Welt meiner Taten.

Das Rütteln und die leichte Erschütterung des Wagens riss mich glücklicherweise aus diesem betrübten Zustand. Es war nicht richtig. Lloyd wollte sicher nicht, dass ich so dachte. Nur war es leider wahr.

Hinten im Gefährt hatte ich mich auf zwei Decken niedergelegt und ertrug seit geraumer Zeit die ruppige Fahrt. Er fuhr ziemlich schnell, wahrscheinlich waren wir auf einer Autostraße – oder wie man das nannte. Irgendwann hatte mein Gefährte mir dieses ganzen Zusammenhänge in Bezug auf Autos erklärt, doch es war nicht annähernd alles hängen geblieben. Ich glaubte, ich würde niemals solch ein Teil fahren. Es war auch wieder eines dieser komplizierten, gefährlichen technischen Geräte. Und diesen blieb ich vorzugsweise immer fern und würde es auch weiterhin tun.

Irgendwann wurde das Schaukeln gleichmäßiger und erträglicher, sodass ich nach all der Fahrtzeit langsam schläftig wurde. Mein Kopf sank auf den Boden aus Decken und ich zog meine Beine an, damit ich eingerollt mehr Wärme sparen konnte und außerdem in meiner Lieblingsposition fürs Schlafen lag. Sie hatte sich nach all den Jahren nicht geändert, kein bisschen.

Doch als ich die Augen schloss, spürte ich, dass es nicht die Müdigkeit war, die mich beschlich, sondern ein unheilverheißendes Kribbeln. Dicht gefolgt von einer Schummrigkeit, die mich kurz darauf ausschaltete.

Ich dämmerte augenblicklich weg, ohne jegliche Chance. Es gab keine Lücke, um Lloyd irgendwie vorzuwarnen, noch mich dieser Welle der Kontrolllosigkeit zu widersetzen. Wieder war mein Verstand unterlegen – und ich wie ausgewechselt.

Ich darf Lloyd nicht verletzen. Llyod nicht verletzen. Nicht verletzen. Verletzen.

Lloyd. Nicht verletzen. Lloyd. Lloyd. Verletzen.

Die Augen öffneten sich geschmeidig durch ein erneutes Ruckeln des Untergrundes. Keine Erde. Kein Laub. Kein Schnee. Es war weich, doch kein Teil des Waldes. Kein Wald, doch dieser verkörperte das Ziel.

Auf ein Heulen hin, wackelte das schnelle menschliche Gerät und quietschte ohrenbetäubend. Schnaubend wurde die Missgunst gegenüber dieses Geräusches mitgeteilt. Durch das Gitter hindurch konnten sowohl Augen den altbekannten Gegner sehen, als auch seine Fährte mit der Nase wittern.

Der Gestank seines Blutes nahm den vorderen Bereich in Gewahrsam. Es war trocken, teils frisch und doch stand der stechende, bitterlich beißende Geruch wie eine Staubwolke in der Luft. Es benebelte Sinne, nicht nur die des Feindes.

Er war durch ein Gitter abgetrennt vom hinteren Bereich. Zu sehen war er nur oberhalb eines Stoffes auf dem er saß. Dieser hatte ebenfalls einen starken Eigengeruch, der dazu führte, dass sich auch deshalb die Nase kräuselte. Widerwärtig. Ebenso wie das Wasser, das scheinbar die Wunden benetzte. Es reizte und trieb in den Wahnsinn. Es sollte gemieden oder abgewimmelt, wenn nicht sogar vernichtet werden.

Knurrend wurden dunkle Drohungen an den Mann hinter den Metallstangen ausgesprochen. Er war versteckt, zwar sichtbar, jedoch sicher vor Angriffen. Nur Geheule und Jaulen würde er wahrnehmen. Und mit diesen würde man auch ihn irgendwann erreichen können.

Er schrie plötzlich herum. Es klang wie Kreischen in den Ohren, dann ein Brüllen, wie ein Bär es konnte. Darauf verstummte er.

Wütend wurden die Zähne gebleckt, gefolgt von einem prüfenden Blick und einem Kratzen der Klauen auf dem recht weichen Untergrund. Unter einer Schicht, die weich wie Schnee oder ein Bett aus Laub war, kam ein weiteres Material zum Vorschein. Es war hell und vielleicht zu zerstören.

LloydWo Geschichten leben. Entdecke jetzt