32. Kapitel - Ariana

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„Lydia und Mika waren heute morgen da", lächelte mein herausgeputzter Bruder, als er gerade den letzten Knopf seines dunkelblauen Hemdes geschlossen hatte und mich im Türrahmen bemerkte. Es war unfassbar, wie viel eine Dusche und formale Kleidung bewirken konnten. Wobei es sehr wahrscheinlich allerdings daran lag, dass er sich in den letzten beiden Tagen deutlich erholt hatte.

„Mika hat mir davon erzählt", kicherte ich, als ich seinen beleidigten Blick entgegen geschmettert kam. „Glaub mir, die Kleine erzählt mir wirklich alles – und ich bin meistens auch die Erste. Du glaubst gar nicht, wie eifersüchtig Lyn und Mum deshalb auf mich sind."

„Das kann ich mir vorstellen", stimmte auch er mit einem leisen Lachen ein. „Wollen wir dann los?"

Daraufhin bekam er ein Nicken von mir, doch bevor er sich vom Bett erheben konnte, kam jemand zur Tür herein und hinderte ihn mit einem Seitenblick daran. Es war Mum und hinter ihr setzte auch Akio einen Fuß ins Zimmer.

Als sich die Blicke meiner Brüder kreuzten, veränderten sich auch ihre Gesichtszüge enorm. Akio schluckte schwer, starrte in die Richtung seines jüngeren Bruders. Auch Lloyds gute Laune verging und er brach augenblicklich den Blickkontakt ab, als er diesem längere Zeit ausgesetzt war.

Unsere Mutter schien sich darauf keinen Reim zu machen und schob den Rollstuhl schnurstracks zum Bett herüber. Begeistert schien der Dunkelhaarige darüber nicht zu sein, aber er ließ es über sich ergehen, wie es aussah.

„Wir hatten darüber gesprochen", begann sie direkt und unverfroren die Konfrontation. „Du kennst die Bedingungen und ich werde keine weiteren Kompromisse eingehen, hast du das verstanden, junger Mann?"

„Ja", grummelte dieser und verfrachtete sich im selben Moment ins Sitzpolster des Rollstuhls. „Ich habe verstanden, okay?"

„Ich kann verstehen, dass dir das nicht gefällt, aber es ist nur zur Sicherheit. Bis du wieder besser auf den Beinen und du vollständig genesen bist", versuchte sie ihn zu beschwichtigen, traf dabei eindeutig einen wunden Punkt.

„Tut es nicht, aber es ist halt nicht zu ändern, das verstehe ich. Es ist okay, wirklich." Vermutlich traf es diese Beschreibung am Besten. Es war nicht zu ändern – aber im Gegenzug zu den letzten Tagen würde er heute immerhin in Begleitung für eine Weile zum ersten Mal seit dem Vorfall das Haus verlassen können. Das war ihm sicherlich die kleinen Voraussetzungen wert. Hoffte ich.

„Akio? Fährst du uns?", fragte ich möglichst beiläufig, um Lloyd aus dem Gespräch mit Mum zu befreien. Wobei ich ihn dafür tatsächlich in die nächste unangenehme Situation ritt.

„Hm-Hm", brummte er leise. „Natürlich nur, wenn das für euch in Ordnung ist." Er warf dabei einen flüchtigen, jedoch eindeutigen, Blick zu Lloyd, der einfach nur zurück starrte. „Können wir reden?"

„Tun wir das nicht schon?", konterte er hart und verdrehte kopfschüttelnd die Augen. „Ich weiß nicht, was darüber zu reden schon verändern sollte."

„Was ist zwischen euch vorgefallen?" Nun schritt Mum ein, das hatte ich befürchtet.

„Das ist wirklich keine große Sache, misch dich da bitte nicht ein." Das Lloyd solch einen Mut aufbringen konnte, so mit der Hausherrin zusprechen, war für mich unfassbar. Eine solche Forderung zu stellen, sah ihm nicht ähnlich.

„Okay", brachte sie schlicht hervor. „Wenn es keine so große Sache ist, dann könnt ihr das ja während der Fahrt klären, richtig?" Sie stichelte offensichtlich zurück und Lloyd ging auf ihre Provokation nur liebend gerne ein.

„Ja, genau. Lasst uns losfahren." Er setzte langsam die Räder in Bewegung und fuhr an uns vorbei, ohne eine erkennbare Reaktion gegenüber unseres Verbleibes.

Mir blieb nur zu sagen, dass er die Treppen mit dem Rollstuhl gar nicht erst runter kommen würde.

„Warte!", rief ich ihm deshalb hinterher und preschte voran, Akio dicht hinter mir. „Du kommst die Treppen nicht einfach so herunter!" Und wie falsch ich mit meiner Aussage lag, bemerkte ich, als wir uns im Flur am Treppenabgang trafen. Lloyd stützte sich auf dem Geländer und hielt einen der Griffe des Rollstuhls mit seiner anderen Hand umschlossen. Er war drauf und dran die Treppen hinunter zusteigen, fest entschlossen, wenn man so wollte.

LloydWo Geschichten leben. Entdecke jetzt