An diesem Donnerstag war es nicht ganz so kalt, wie die letzten Tage der Woche. Deshalb hatte ich mich heute auch zum ersten Mal dazu aufraffen können, in den Garten zu gehen und nach dem wirklich kleinen Beet zu sehen. Natürlich nicht, ohne dabei auf die alte Dame von Nebenan zu treffen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie recht einsam war.
„Guten Morgen. Schon so früh auf den Beinen?" Sie wusste davon, dass Lloyd und ich ein Paar waren – und es störte sie nicht. Der Jüngere hatte mir davon erzählt, dass nicht jeder unsere Beziehung akzeptieren würde, weil wir zwei Männer waren. Lag es tatsächlich nur daran oder hatten sie etwas gegen uns persönlich? Sicher, in der Natur gab es auch nicht oft oder gar nicht den Fall, dass sich zwei männliche Partner fanden, aber bedeutete dies nicht, dass wir etwas Besonderes waren? Und selbst wenn wir es nicht waren, dann könnte ich mir dennoch Niemand anderen vorstellen mit den ich jemals glücklicher werden konnte, als mit meinem Gefährten. Nicht nur, dass wir buchstäblich aneinander gebunden waren, zeigte von einer indirekten Festigkeit unserer Beziehung, sondern auch wir selbst. Niemand war wie wir; Niemand war wie Lloyd.
„Es ist schön gleich am Morgen Jemanden mit so viel Elan zu sehen", sprach sie auf mein Nicken hin weiter. „Du bist sicher dabei am Beet zu arbeiten, richtig?" Erneut nickte ich.
„Du auch?", fragte ich mit einem kleinen Lächeln hinterher.
„Nein, heute habe ich leider einen anderen Termin", anbei betrachtete sie traurig einen kleinen Blumenstrauß, den sie in ihren faltigen, zittrigen Händen hielt. Meine Finger bebten ebenso, wie die ihren, jedoch sicherlich nicht aus dem selben Grund. Sie schien recht traurig zu sein. „Einen sehr sehr wichtigen Termin. Wir sehen uns aber in den nächsten Tagen, da kann ich dir sicher wieder ein bisschen bei deinem Handwerk zusehen."
Zufrieden lächelte ich, auch um sie aufzumuntern.
„Ich freue mich schon darauf", fügte ich ruhig hinzu. Sie trat von den kleinen, einzelnen Flächen der Gemeinschaftsgärten zurück und begab sich nach einer Verabschiedung auf den Weg zum Ausgang. Dort bog sie eilig auf den Bürgersteig ab und verließ augenblicklich mein Sichtfeld.
Die alte Dame war komisch, gleichzeitig jedoch sehr nett. Meistens verstand ich sie gut, nur an Tagen wie diesen war sie mir ein Rätsel. Weshalb pflückte sie einmal im Monat einen Strauß von ihren Blumen im Garten und verließ mit ihnen dann das Grundstück? Wo ging sie denn mit ihnen hin? War es eine Art Ritual, wie unser Sex am Samstagmorgen?
Grinsend schüttelte ich den Kopf und versuchte inständig diese Gedanken aus meinem Kopf zu vertreiben. Das war beinahe peinlich daran zu denken, vor allem jetzt, wenn Lloyd noch Stunden bei der Arbeit wäre und nicht vor Einbruch der Dunkelheit zurückkäme. Außerdem hatte ich noch Einiges vor mir und keine Zeit mich mit so etwas aufzuhalten.
Seufzend nahm ich aus dem abgelegten Krempel eine Gieskanne hervor und befüllte sie am Wasserhahn. Wie eisig das Wasser war, bemerkte ich, als einige der Tropfen auf meiner Haut aufkamen. Meine Motorik war heute wirklich nicht die Beste. Mit einem erneuten Seufzen begab ich mich zurück zu den kleinen Flechten, die damit begannen über unseren Fleck Erde zu wuchern und goss sie still mit einer Hand, während nach kurzer Überlegung die Zweite dazu kam.
Als die Hälfte des Inhaltes geleert war, senkte ich sie ab und musste feststellen, dass mich meine Kraft langsam verließ. Mir war so warm, aber dennoch zitterten meine Hände und Beine ununterbrochen.
Lloyd hatte vielleicht recht mit der Annahme, dass ich mich schonen sollte. Wahrscheinlich wurde ich wirklich krank – auch wenn ich es hasste, mir dies einzugestehen. Ebenso verhasste ich es an sich, krank zu sein. Es ließ mich nur fühlen, wie schwach ich war. Und mit den Erledigungen meiner Pflichten wollte ich auch nicht aufhören.
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Lloyd
WerewolfNachdem Lloyd und Yumah vor Jahren den Fängen des Rudels entkommen sind, haben sie sich ein Leben fernab ihrer Vergangenheit aufgebaut. Doch nicht nur ein Freund der beiden Gefährten, sondern auch weitere Vorkommnisse sorgen dafür, dass sie die Spu...