25. Kapitel - Yumah

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Wir kehrten mit der erworbenen Beute – und dem Bruchteil des Rudels meines Gefährten –zurück ins Lager. Sofort umfingen uns die hungrigen Wölfe, die hier geblieben waren und auf uns gewartet hatten.

Lloyd war auch unter ihnen, stürzte sich jedoch nicht wie die Anderen auf das Wild, sondern tippelte zu mir herüber, um mich zu begrüßen. Er schmiegte zart seine Schnauze an meinen Hals, fuhr sachte über das Fell und überbrachte mir seine stille Botschaft. Ich hatte ihn auch vermisst, obwohl wir nur für eine kurze Zeit voneinander getrennt waren.

Er verweilte weiterhin bei mir, bis ihm die Wölfe hinter mir auffielen. Natürlich nicht die Wölfe, die mich auf der Jagd begleitet hatten, sondern Darius, Erik, Zion und Ariana. Wolfgang war mit Pierre zurückgeblieben, um über den Toten zu wachen.

Meine bessere Hälfte erstarrte augenblicklich neben mir, verkrampfte sichtlich, bevor er sich von mir löste und einen Schritt auf die eben Genannten zuging. Es war unheimlich ruhig, nicht einmal den Wind konnte man hören, wenn er an den kahlen Riesen vorbei strich. Sogar er war verstummt.

Dann hörte ich Lloyd entschuldigend fiepen, als er auf Darius und Erik traf. Die rotbraune Wölfin preschte allerdings voran, ehe die Anführer eine Reaktion zeigen konnten und warf sich praktisch auf ihren Bruder. Sie pinnte ihn an den Boden, um sich anschließend an ihn zu schmiegen. Auch sie fiepte leise, jedoch nicht entschuldigend, wie es zuvor Lloyd getan hatte, sondern erleichtert und vergnügt.

Auch er strich über ihr Fell, nachdem er sich von dem Fall und dem kleinen Schock gefangen hatte. Die Beiden richteten sich wieder auf und er trat erneut dem Beta und dem Gamma entgegen.

Wider aller meiner Erwartungen blieben sie nicht steif stehen und tauschten Blicke, sondern der hellbraune, etwas größere Wolf, trat hervor und begrüßte meinen Gefährten, in dem er an ihm vorbei strich.

Anscheinend tat er dies nicht schweigend und ohne Intention, denn er schien dem grauen Wolf vor mir eine Bildergeschichte zu übermitteln. Unmittelbar wurde mir bewusst, welche Szenen Lloyd nun zu sehen bekommen musste und ich eilte nach vorne, um ihm Rechenschaft abzulegen und ihm beizustehen, doch ich kam bei Weitem zu spät. Und das, obwohl ich nur den Hauch einer Sekunde zu ihm herüber gebraucht hatte.

Sein kalter Blick haftete an mir, während mein Gefährte beinahe vor meinen Augen zu Eis erfror. Ich konnte nicht einmal erahnen, was in ihm vorging, noch was er dachte. Von mir dachte. Vielleicht würde er mich für den Schuldigen erklären? Immerhin hatte ich die Kontrolle über meine Begleiter verloren, die mir anvertraut waren. Ihr Fehler war damit mein Eigener. Die Schuld traf nicht sie, sondern mich allein.

Doch meine Ängste bewahrheiteten sich nicht, Lloyd kam zu mir und kuschelte sich an meine Seite, ohne einen Laut von sich zu geben. Ich wusste in diesem Augenblick nicht, was für mich die schlimmere Aktion gewesen wäre, aber mit einer solchen hatte ich am Wenigsten gerechnet. Und es gefiel mir ganz und gar nicht.

Darius, der bisher zurückgeblieben war hinter Erik, setzte nun langsame Schritte auf mich zu, sichtlich mehr an meinem Nebenmann interessiert, als an mir. Dennoch schenkte er mir einen raschen Blick, ehe er knurrte, um die ungeteilte Aufmerksamkeit von meinem Gefährten zu erhalten.

Dieser sah ihn aus großen braunen Augen beinahe ehrfürchtig und ergeben an, ohne jeglichen Grund aus meiner Sicht, doch ich ließ es zu. Die Nachricht von Erik über den Tod von Samuel musste ihn stark erschüttert haben, denn er brach fast zusammen, als er einen Schritt von mir weg setzte.

Aus diesem Grund trat ich wieder näher an ihn heran, bis ich bemerkte, dass sich die Anwesenden in Menschen verwandelten. Darius voran, zuletzt Erik und dann Lloyd, wandten sie sich am Grund mit brechenden Knochen und markerschütterndem Keuchen.

Ich wollte Lloyd nicht so sehen, denn ich hatte längst vergessen, wie viele Schmerzen ihm die Verwandlung von seiner Wolfsgestalt in seine Menschenhaut bereitete. Zutiefst verdrängt hatte ich diese schreckliche Tatsache und ich begann, mich schlecht zu fühlen, ihn mit meiner Wolfsgestalt praktisch dazu genötigt zuhaben, einer von uns sein zu müssen.

Lloyd war mehr Mensch als Wolf; Anders als ich, der mehr Wolf als Mensch war.

LloydWo Geschichten leben. Entdecke jetzt