12. Kapitel - Yumah

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Eine Präsenz erfüllte die Luft, erreichte mit dessen Prickeln jedes Haar des Felles, sodass dieses sich aufstellte. Es war ein zugleich vertrautes Gefühl, als auch ein misstrauischer Schauer, der zurück blieb.

Doch die Läufe stoppten, die Pfoten hielten auf dem Waldboden inne, verblieben dabei im kalten Schnee. Das Fell, das mit diesem in Berührung gekommen war, war durchnässt und klebte an der dünnen Haut unter diesem.

Obwohl die Instinkte sie zum Wegrennen anschrien, setzten sie sich beinahe von selbst in Bewegung und liefen aufgeregt in Richtung der Duftspur. Tiefer ins Geäst, wie zuvor keinem Trampelpfad folgend, da sonst eine zu große Gefahr bestand, auf Menschen zu treffen. Sie wanderten gerne mitten durch den Wald auf Wegen, die sie mit der Zeit selbst auf dem Boden hinterlassen hatten. Ihre Existenz hatte hier nur für Zerstörung gesorgt, denn ihre Ordnung hatte auf diesem Terrar nichts zu suchen. Absolut gar Nichts.

Bevor die Fährte endete, konnte bereits ein Überblick ausreichend Aufklärung über die Lage verschaffen. Neben dem vertrauten und doch unbekannten Geruch eines Wolfes, traten nun auch die von Menschen in die geschärften Sinne. Es stank bitterlich nach ihnen – und nach Tod. Er ging von dem Wolf aus, dessen Fell leuchtend orange war – und damit wie das Meine.

Aufgrund dieses Gedanken, der meine Nerven durchschüttelte und meinen ganzen Körper zum Schaudern veranlasste, erwachte ich aus der inneren Gefangenschaft. Ich hatte wieder die Kontrolle, sodass es nicht lange dauerte, bis ich Lloyd, Akio und einige weitere bekannte Gesichter in der Ferne erkennen konnte.

Ebenso einen Wolf, der regungslos im Gemisch aus Schnee und Gras lag, offensichtlich war er bereits kurz davor, sich selbst aufzulösen. Es würde nicht mehr lange dauern und er würde mit der Natur Eins werden. Ohne einen weiteren prüfenden Blick auf die Menschenmenge am anderen Ende der kleinen Lichtung, tippelte ich zu dem toten Artgenossen herüber und vergrub meine Schnauze in seiner Halsbeuge.

Ein unbeschreiblicher Blitzschlag durchfuhr meine Venen, wie eine plötzliche Erkenntnis. Bis auf wenige Züge und ein paar kleine Details, sah er mir zum Verwechseln ähnlich. Könnte er mein Vater sein?

Meine Mutter war eine wunderschöne schwarze Wölfin gewesen mit kurzem Fell und spitzen Ohren. Dazu Läufe, die im Gegensatz zu meinen Eigenen wohl stark, jedoch deutlich kürzer verblieben waren.

Die Augen hatte ich von ihr geerbt, während meine Fellfarbe wohl auf meinen Vater zurückzuführen war. Jedoch hatte ich seinen Anblick niemals erfahren können, denn er hatte das Rudel verlassen. Mir war nur übermittelt worden, dass sich unsere Wölfe unter dem Beta und dem Alpha aufgeteilt hatten. Der größte Teil war dem obersten Anführer gefolgt, während jene, denen auch meine Mutter angehörte, mit dem Beta zurückgeblieben waren.

Nach einigem weiterem Beäugen, musste ich meine Vermutung jedoch selbst verleugnen. Der junge Wolf war zwar durchaus männlich und ausgewachsen, jedoch deutlich jünger als ich. Vielleicht war er so alt, wie Lloyd oder sogar noch ein wenig jünger.

Als sein Name durch meinen Gedankenfluss strömte, begann das Herz in meinem Brustkorb schneller zu schlagen. Ich hatte beinahe seine Anwesenheit vergessen, obwohl er mich noch nicht bemerkt hatte.

Das ich abgehauen war, tat mir Leid. Allerdings konnte ich es nicht leiden, wenn man mich einsperrte. Für Lloyd hielt ich es aus, jedoch nicht in meiner neu entdeckten Wolfsgestalt, die deutlich dominanter war, als ich überhaupt vermutet hatte. Von meiner menschlichen Seite hatte er keinerlei Einfluss zu befürchten, denn sie konnte sich wenig zur Wehr setzen.

Nur mit Mühe war es mir gelungen, zu verhinden, dass ich das kleine Mädchen hinter der Glasscheibe anfalle. Bei einem Kräftemessen wäre es ums Leben gekommen, das war und blieb die unausgesprochene, grausame Wahrheit. Ihr tapsiger und untrainierter Körper hätte nicht den Hauch einer Chance gehabt. Sie war schließlich noch beinahe ein Baby, wenn man es aus der Sicht von Wölfen betrachtete, ein Welpe, der gerade zu Laufen begonnen hatte.

LloydWo Geschichten leben. Entdecke jetzt