19. Kapitel - Yumah

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Perplex standen wir uns für einige Minuten gegenüber. Als Erste erkennbare Bewegung nach unserer endlos erscheinenden Starre, regte sich mein Gegenüber und streckte mir beinahe prahlend seine Brust entgegen. Sein stolzes Verhalten blieb mir wie ein Knochen im Hals stecken, doch ich würgte ihn mit Mühe und Not herunter, obwohl ich ihn diesen viel lieber vor die Füße gespuckt hätte.

Ein Vater durfte ein gewisses Ansehen gegenüber seinen Kindern genießen, das verstand ich. Er jedoch nicht. Er verdiente es nicht einmal, dass ich ihn vor wenigen Momenten noch als meinen Vater bezeichnet hatte.

Er war nur die eine Hälfte der Gene, die sich in mir vereinigten. Mehr nicht. Ein Teil von ihm war in mir verbaut und ich hätte es mir am Liebsten nicht einmal selbst eingestanden, aber vermutlich waren wir uns ähnlicher, als mir lieb war.

"Du hast dich also endlich dazu entschlossen, meinem Ruf zu folgen", stellte er nüchtern fest.

"Es kam nicht von dir, das hätte ich gespürt", knurrte ich widerwillig zurück. "Mich hat etwas anderes, eine andere Kraft, hergeführt. Du warst es nicht."

"So du hast all die Jahre von unserer Verbindung gewusst und hast es doch nie gewagt, dein Gesicht zu zeigen? Das ist enttäuschend."

Wenn jemand eine Enttäuschung war, dann war es wohl er. Meine wohl größte Enttäuschung, die sich selbst als meinen Vater bezeichnete.

"Ich hatte es nicht für nötig gehalten, dich zu treffen. Nicht nach all dem, was ich gehört und nach all dem, was geschehen war. Aber ich vergaß, du warst ja gar nicht dort zu dem Zeitpunkt, entschuldige Alpha." Den Spott in meinem Ton konnte ich nicht verbergen, doch immerhin wurde meine Sprache nicht ausfallend. Und ich hatte sehr viele schöne neue Wörter in der Menschenwelt gelernt, die ich ihm nur so an den Kopf werfen könnte.

"Spricht man so etwa mit seinem Vater? Ich wollte dir nie etwas Böses und du behandelst mich, als wäre ich der Feind." Dies war er nicht für mich, allerdings würde ich ihm die Vergangenheit wohl nicht ohne Weiteres verzeihen können. Es schmerzte nicht nur, es brannte wie Feuer. Wie eine niemals verheilte Wunde, immer wieder entflammt durch die Erinnerung und Wut an diese Situation.

An sich war ich eine sehr ausgewogene und ruhige Person – vor allem Lloyd gegenüber, da ihn die kleinsten Spannungen oder Gefühlsschwankungen schlagartig aus der Bahn werfen konnten – aber in meinem Inneren wehte manchmal ein ganz anderer Wind.

Es wurde von ihm ein Lied der Rache gepfiffen. Er strich nicht über die Blätter, sondern zerfetzte sie in unendlich viele Stücke. Es war keine sanfte Brise, die die Haare tanzen ließ, viel mehr ein gewaltiger Sturm, der alles mit sich riss und keine Angst vor Verlusten oder Zerstörung in sich trug. Das Auge des Sturmes war durstig; Durstig nach Rache; Durstig nach einem Betteln um Verzeihung. Nach seinem Betteln um Verzeihung.

Auf seine Worte brachte ich nichts mehr hervor. Nicht, weil ich mundtot geworden war, sondern viel mehr, weil er meine Aufmerksamkeit gar nicht verdiente. Nicht einmal meine Wut – oder das es mich nach all den Jahren immer noch zu beschäftigen schien.

Ich brauchte ihn nicht. Lloyd war an meiner Seite und seine Familie waren nun Personen, die auch ich beschützen wollte. Sie war zu meiner Familie geworden, nachdem Lloyd seine Liebe ihnen gegenüber auf mich übertragen hatte. Es war ansteckend gewesen und wäre es tatsächlich eine echte Krankheit gewesen, so hätte ich niemals davon geheilt werden wollen. Von seiner Liebe und seiner Liebe zu Anderen. Sie war Alles.

"War es das schon? Kein wütendes Beschimpfen? Keinen Kampf?" Erschrocken hob ich meinen Blick, den ich inzwischen träumerisch zu Boden gesenkt hatte.

Doch meine Gedankenstränge hatten viel mehr bewirkt als eine bloße Erinnerung. Sie hatten mich aufgeweckt und mir wieder gezeigt, was wirklich wichtig war. Meine Familie.

LloydWo Geschichten leben. Entdecke jetzt