15. Kapitel - Ariana

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Der Dunkelhaarige nahm seinen Motorradhelm ab. Gespannt, als wäre ich in einem Zauberbann verfallen, beäugte ich jede seiner Regungen. Scannte jeden Zentimeter seines Körpers, soweit dies aus der Entfernung möglich war.

Doch wider meiner Erwartung entblößte sich nicht sein weiches Haar, das ihm bei unserem letzten Treffen noch teilweise in den Nacken reichte, sondern eine Kurzhaarfrisur. Sie waren nur noch wenige Millimeter lang, einfach raspelkurz. Ein sehr befremdlicher Anblick für mich, doch ich musste zugeben, dass es ihn nicht unansehlich machte.

"Nik!" Lloyd lächelte und gab seinem besten Freund einen Klaps auf die Schulter,als sie sich auf der Mitte der Straße begegneten. Da unser Haus in einer dreißiger Zone errichtet worden war, mussten sie kaum keinen Gedanken an Vorsichtsmaßnahmen verschenken. "Du kommst genau zum richtigen Zeitpunkt!"

"Tja, Timing war doch schon immer meine Stärke!", spaßte er, während er von ihrem Handschlag abließ und seinen Helm unter seinen Arm klemmte. "Hey, Yumah." Er beugte sich vor und grüßte mit ausgestreckter Hand den gelb-braunen Wolf vor ihm. Dieser schnüffelte neugierig an dessen Handfläche und gab ihm schließlich ein kurzes Tätscheln an ihr mit seiner Stirn, ehe er zu Lloyd herüber streifte.

Als sich seine grauen Pupillen den Weg in meine Richtung suchten, trafen sie mich ohne jegliche Vorwarnung. Ihn nach all den Jahren wiederzusehen, war einsehr befremdliches Gefühl, gleichzeitig löste es eine warme Nostalgie in mir aus.

"Hi", nötigte ich mich selbst zum Sprechen, da ich einen Schritt auf ihn zugemacht hatte und wir nun voreinander standen. Um die merkwürdige Stille zwischen uns zu überwinden, gab ich ihm eine leichte Umarmung und setzte noch ein paar Worte hinzu: "Na, wie geht es dir?"

"Gut und dir?",kam es nach einem Räuspern seinerseits, jedoch wie aus einer Pistole geschossen.

"Super, alles Bestens." Es steht nur plötzlich mein Ex vor mir und alles, an das ich denken konnte, waren die anderen Typen, die ihm nie das Wasser reichen konnten. Aber es gab viele Jungs dort draußen und vielleicht würde der Nächste jegliche Maße sprengen. Einen hatte ich bereits im Blick – und ich wäre am Liebsten auf seine Einladung zu einem Date eingegangen. Allerdings war die Situation mit Lloyd und Yumah dazwischen gekommen und die Beiden hatten eine gewisse Priorität gegenüber vielen anderen meiner Kontakte.

"Ich will euer Wiedersehen ja nicht crashen, aber es gibt da ein paar Dinge, die wir jetzt direkt klären sollten", fuhr Erik uns an und sorgte mit seinem stechenden Blick dafür, dass Nik und ich uns voneinander abwandten. "Was weiß dieser Mensch? Und wie viel?"

"Alles", gestand Lloyd unentwegt und trat in unseren Kreis. "Er weiß alles.Stellt das ein Problem für dich dar?" Obwohl mein Bruder sich sehr desinteressiert zeigte, schien er sichtlich besorgt darüber zu sein, welche Folgen seine Taten mit sich bringen würden.

Das Brechen der Verschwiegenheit, des Eides, konnte schwerwiegende Folgen mich sich ziehen. Er könnte dafür bestraft werden, dass er einem Menschen von unserer Existenz erzählt hatte. Außerdem gab es bisher keinen ähnlichen Fall, denn es hatte sich in den Lebjahren unseres Rudels nie ein Mitglied auch nur getraut aus der Reihe zu tanzen. Seitdem Isaac nicht mehr der Gamma war, geschah dies mittlerweile öfter, doch niemand hätte es gewagt, den Eid zu brechen und einem Menschen von unserer Existenz zu erzählen.

Es könnte sogar mit dem Tod bestraft werden – ohne festlegen zu können, wer und wie viele dabei sterben würden. Der Mensch? Der Werwolf? Beide? Oder sogar noch weitere Beteiligte, die davon gewusst hatten?

Es jagte mir einen Schauer über den Rücken, wenn ich darüber nachdachte, dass Nik oder Lloyd ihr Leben verlieren könnten. Geschweige denn sogar Yumah, Erik und ich, da wir nun ebenfalls darüber in Kenntnis gesetzt worden waren oder es bereits die ganze Zeit gewusst hatten.

LloydWo Geschichten leben. Entdecke jetzt