13. Kapitel - Yumah

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Ein Gespräch mit dem Halbkreis aus bekannten Gesichtern war nach seiner Verwandlung wohl nicht mehr möglich, doch dieses hatte mein Begleiter gar nicht gesucht. Auf ein Zucken seines Schweifes in Richtung der vielen Bäume, fernab der Lichtung, hatten wir beide zum Laufen angesetzt. Es war keine direkte Flucht, eher ein erneutes Losreißen von den Pflichten und den Gesetzen des einst verlassenen Rudels.

Wieder lief er davon – und ich tat es ihm gleich, als ich ihm bedingungslos in den Schatten der Äste und den Schutz der Blätter folgte. Ganz gleich, was er tat, ich würde ihn überall hin begleiten und es nicht einmal hinterfragen. Nur heute konnte ich es nicht.

In dem ich mich vor ihn stellte, bremste er aus und hielt nur knapp vor einem endgültigen Zusammenstoß inne. Dann senkte ich den Kopf und schickte ihm endlich die Botschaft, die ich ihm schon seit Tagen hatte zukommen lassen wollen. Jedoch hatte ich ihm die Bilderfolge vorenthalten müssen, bis ich jetzt herausfand, dass ich sie ihm überbringen konnte. Es klappte, weil er zu einem Wolf geworden war. Wir konnten miteinander kommunizieren. Zwar nicht mit Worten, jedoch über Szenen und Abbilder unserer Ziele und Gedanken.

Meine Mitteilung spielte sich vor meinem inneren Auge ab, als ich sie ihm übertrug. Ich vermittelte ihm mein Ziel und die Aufgabe, vor die mich mein inneres Bedürfnis stellte. Und ich begriff im Anschluss selbst, dass ich meinen Herkunftsort, mein altes Rudel und den abgespaltenen Großteil dessen aufsuchen sollte.

Diese Führung nahm ich an, stimmte durch ein Heulen dem Ruf des Waldes, der in Begleitung des Windes, um unsere Körper und über unser Fell strich, bei. Lloyd tat es mir gleich und trabte neben mir her, entlang des Weges, der mir angewiesen wurde.

Auch wenn es unerwarteter Weise geschah, wurden wir doch recht schnell von einigen Wölfen eingeholt, die uns umkesselten und ausbremsten. Ein Kampf war unnötig, denn es handelte sich um Mitglieder vom heimischen Rudel. Lloyd schien aufgeregt und verärgert zugleich, wobei das erste Gefühl wohl letztlich überwog.

Zwei Wimpernschläge später waren alle Anwesenden, außer meiner Wenigkeit, zu Menschen geworden und starrten sich zuerst still in die Augen. Das ein Jeder von ihnen splitterfaser nackt war, ignorierten sie wie gewohnt. Für mich war der Anblick von nackten Menschen zwar etwas befremdlich, doch keineswegs etwas Abstoßendes. Wölfe waren im Endeffekt immer nackt, denn sie trugen keine Kleidung. Dafür hatten sie immerhin ihr Fell und froren deshalb auch nicht so schnell.

"Wohin des Weges?", verlangte der hochgewachsene Schwarzhaarige zu wissen. "Du hast doch nicht vor, wirklich einfach abzuhauen, oder?"

"Danke für eure Hilfe, ab nun übernehme ich." Lloyd verdrehte die Augen und schüttelte deutlich den Kopf. "Wir wissen, was zu tun ist – und es betrifft euer Rudel nicht."

"Euer Rudel?", hinterfragte der zweite Mann, dessen Namen ich des Weiteren immer noch nicht wieder herausgefunden hatte, schnippisch. "Sprich nicht so vom Rudel, als ob du kein Teil mehr davon wärst. Das wirst du immer bleiben – und dein Gefährte ebenso."

"Außer natürlich, ihr tretet offiziell aus", verbesserte die Dritte im Bunde kleinlaut und gab einen Ausblick auf ihr trauriges Gesicht frei, während sie sich durch die Haare fuhr. Die roten Strähnen strichen kurz darauf ihre Wangen und schmiegten sich wieder an ihre bleiche Haut. Lloyd und Ariana hatten eine sehr ähnliche Hautfarbe, obgleich meine bessere Hälfte erheblich näher ans beinahe kränkliche Weiß herankam.

"Aber das würdest du deiner Familie doch nicht antun, habe ich recht?" Der Braunhaarige mit den gleichfarbigen Augen wagte einen Schritt nach vorne und setzte einen nachdenktlichen Blick auf. Auch wenn er eine starke Autorität ausstrahlte, erkannte man eindeutig die Sorgen, die ihn bei dieser Frage beschlichen.

LloydWo Geschichten leben. Entdecke jetzt