Warum kannst du so stark sein?

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An dem Abend, an dem es Lloyd besonders schlecht nach der Uni ging, kuschelten wir lange zusammen auf dem Sofa, tranken unseren Kamillentee und gingen erst sehr spät ins Bett. Wir redeten gar nicht so viel, wie ich zuerst gedacht hätte, aber es war überhaupt nicht schlimm für mich. Ein Freund der großen Worte war ich sowieso nicht und würde es vermutlich auch niemals werden.

Der nächste Tag, ein Mittwoch, brach früh an, denn meine bessere Hälfte musste bereits um neun Uhr für seine erste Vorlesung rechtzeitig im Hörsaal sitzen. Der Sprecher machte sich viel bezüglich der Pünktlichkeit seiner Studenten. Zur vollen Stunde schloss er sogar die Türen zum Saal ab und ließ Niemanden mehr hinein, lediglich raus, aber dies traute sich nach den Angaben meines Gefährten ebenfalls keine Seele. 

Mir würde es diesbezüglich gleich ergehen. Bei solch einem strengen Verhalten würde es wohl Niemand wagen, ihn in seinem Vortrag zu unterbrechen. Man selbst würde wohl nur ins eigene Messer laufen. Ein Vergleich, den Lloyd gerne verwendete.

Während er duschte, schmierte ich ihm zwei Brote zum Mitnehmen. Eines mit Käse und eines mit Wurst, wie ich es meistens tat. Besonders viel aßen wir beiden eigentlich nie über den Tag, sondern eher am Abend, wenn einer von uns beiden für uns gekocht hatte. 

Inzwischen war ich ganz gut geworden, zwar kein Meisterkoch, aber ich verbrannte das Essen nicht mehr und es war auch schon seit einer Weile nichts mehr übergekocht. Im letzten Monat war ein Küchentuch angekokelt, aber sonst gab es mittlerweile als Zwischenstand weder Verletzungen, noch übermäßige Panikattacken von Lloyd. 

Er konnte sich manchmal ziemlich gut über die eine oder andere Kleinigkeit aufregen. Das Küchentuch konnte man leicht ersetzen, außerdem hatten wir eine ganze Menge angehäuft in der Zeit unseres Umzuges. Denn wenn ich die Wäsche nicht wusch, dann könnte ich auch nicht davon ausgehen, dass zwei Küchentücher für eine ganze Woche reichten. Vor allem nicht, wenn der Abwasch und das Kochen zusammenkamen – und wenn ich den Küchenboden das eine oder andere Mal dazu noch unter Wasser setzte. Ich gab mein Bestes, wirklich, doch anscheinend war das nicht gut genug. Auf jeden Fall hatten wir mehr als genug Küchentücher.

Während ich gedankenverloren die Brot ein zwei möglichst gleichgroße Stücke schnitt und die Küchenzeile an meiner Seite beäugte, kam der Dunkelhaarige im Flur an der Küche vorbei. In ein Handtuch gehüllt, dass ihn beinahe komplett verschleiern konnte.

Er hatte es sich ausgesucht, extra groß und ganz schlicht in schwarz gehalten. Beim Einkauf im gelb-blauen Laden hatte er darauf ganz besonders viel Wert gelegt.

Seine Haare hingen ihm in Strähnen im Gesicht, sonst waren sie unter dem Handtuch, wie unter einer Kapuze, verborgen. Seine restlichen Konturen gingen unter seinen Schultern verloren, sodass der Stoff einfach an ihm herab hing. Das gesamte Handtuch reichte fast bis zu seinen Schienbeinen, sodass diese mit seinem Gesicht, den Füßen und seinen Händen das Einzige waren, dass man an Haut von ihm sah. 

"Das warme Wasser geht nicht mehr. Erinnere mich vielleicht daran, dass ich den Hauseigentümer deswegen Bescheid geben muss. So kurz vor dem Winter ist das echt unschön." Er tat so, als würde er frösteln, ehe er verschwand, um sich in unserem Schlafzimmer anzukleiden. Aufgrund des weichen, warmen Handtuches schloss ich direkt aus, dass er frieren konnte. 

Unsere Wohnung war zwar bis auf das Schlafzimmer eigentlich nie beheizt, außer wir hatten Besuch da, aber es war nie richtig kalt, wenn man einen Pullover trug. Mir war sowieso nie so schnell kalt, wie Lloyd, wobei er im Gegensatz zu Nikitas Freundin wohl keine so große Frostbeule war, wie er einmal gesagt hatte. Wobei ich das Wort komisch fand. Irgendwie könnte ich eher etwas mit einem Eiszapfen als Vergleich anfangen, als mit diesem. Menschen waren mir ein Rätsel und manche ihrer Worte ebenso.

Ich verpackte die Brothälften in einer Dose und stellte ihm eine Wasserflasche mit auf den Tisch, bevor ich den Toast in den Röster verfrachtete. Das Gerät war unter mit unter die wenigen Maschinen gerutscht, die ich benutzte und dessen Sinn ich einigermaßen verstand. Warmer, knuspriger Toast am Morgen war viel besser, als Brot. Allerdings nur solange es warm war, wie ich fand. Denn dann hatten Toast und Brot nicht mehr so einen großen Unterschied für mich.

LloydWo Geschichten leben. Entdecke jetzt