14. Kapitel - Ariana

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Alles, was ich empfand, war schiere Leere. Immer wieder schwappten abwechselnd Wellen der Angst und der Fassungslosigkeit gegen den inneren Felsen und rannten an den Klippen meiner Gedanken hinab. Es war ein dauerhaftes Hin und Her.

Wie konnte Akio ihn nur verraten? Wieso?

Und weshalb hatte ich den Eindruck, dass er mit der sofortigen Eingeständnis seiner Schuld etwas bezwecken wollte? War es nicht sein Verdienst? Dass Lloyd uns mit sich genommen hatte und uns erlaubte an seiner Seite mit ihm zu reisen?

Wobei ich die Unterstützung von Erik bei dieser Reise ausschließen müsste. Nicht nur, dass wir dem Rudel nicht ohne Weiteres dessen Gamma entwenden konnten, hatte er auch gleichzeitig seine Verpflichtungen als Vater, die ihn an diesen Ort fesselte. Lydia würde ihn brauchen. Bei der Geburt ihres zweiten Kindes, Mikas kleinen Schwester oder kleinen Bruders. Dies musste er einfach miterleben. Ein weiteres Mal Vater werden, denn es war ein wahrlich großes Geschenk.

Ich fühlte es, als ich Mika das erste Mal im Arm hielt. Sie war nicht mein eigenes Kind, doch ich fühlte sofort dieses starke Empfinden, sie zu beschützen zu wollen und behütet aufwachsen zu sehen.

Wie viel stärker musste demnach die Verbindung zwischen einer Mutter und ihrem Kind sein? Oder die zwischen einem Kind und dessen Vater?

Es musste wohl eine ungeheuere Energie sein, die eine Familie verband. Das hatte ich nicht nur zu diesem Zeitpunkt begriffen, sondern ebenfalls, dass mir dieses Glück bereits selbst mein ganzes Leben zu Teil geworden war.

All die Zeit über hatte ich nie bemerkt, wie glücklich ich mich mit meiner Familie schätzen sollte. Ich habe Mutter und ich hatte auch einen Vater gehabt. Fünf Geschwister. Vier Brüder und eine Schwester. Ältere, die mich beschützten und Jüngere, die ich beschützen wollte. Und auch nach Dads Tod war dieses Gefühl nicht verblasst.

"Ariana?", riss mich irgendwann Erik aus meiner Melancholie und schnitt mit seinem Einwurf meine Gedankenstränge entzwei. "Alles klar?"

"Ja, ist es", bejahte ich sofort. "Bei dir auch?" Auch er gab die selbe Antwort auf diese Frage.

"Was zur Hölle ist da gerade passiert?", fügte er ruhig hinzu. Wir hatten längst vor unserem Familienhaus geparkt und saßen nun regungslos auf den vorderen Sitzen des Wagens. Mein Sitznachbar wirkte genauso fassungslos wie ich.

"Ich habe es selbst noch nicht ganz verarbeitet, aber wir scheinen gerade in eine ziemlich verzwickte Lage geraten zu sein. Akio hat uns ermöglicht, Lloyd begleiten zu können, auch wenn es ihn seine Verbindung zu ihm gekostet hat."

"Er hat ihn wirklich verraten? Damals?" Ich hatte das Gefühl, dass Erik zu diesem Zeitpunkt sogar anwesend gewesen war. Es war sicher auf einer der zahlreichen Ratsversammlungen vor drei Jahren geschehen. Anders konnte ich es mir nicht erklären.

"Scheinbar", stimmte ich ihm zu, "aber genau kann ich es dir nicht sagen." Vor allem, weil ich es nicht wahr haben wollte. Wenn meine Brüder sich gegenseitig verrieten, dann konnten sie bald Niemanden mehr trauen – oder sie würden damit anfangen Niemanden mehr zu vertrauen.

"Eine Sache noch, Erik", hielt ich ihn auf, ehe er aus dem Auto steigen konnte, "bitte komm nicht mit uns." Verwirrt, aber schnell begreifend, um welchen Grund es sich handelte, zog er seine dichten, dunklen Augenbrauen zusammen.

"Wegen Lydia?"

"Ja, wegen Lydia. Weshalb denn sonst?" Etwas empört über seine desinteressierte Reaktion richtete ich mich auf und übermittelte ihm meine Missgunst gegenüber seines Verhaltens. "Lass es nicht so klingen, als wäre es ein dir fremdes Thema oder würde dich nicht beschäftigen. Es geht um deine Frau, dein Kind, deine Familie."

LloydWo Geschichten leben. Entdecke jetzt