„Yumah?", erklang neben mir die einzige Stimme, die allein durch ihren Klang einen wohligen Schauer über meinen Rücken jagen konnte. Kurz darauf erblickte ich das dunkle Braun seiner Augen und wurde daraufhin von einer angenehmen Wärme eingehüllt. Wie eine samtweiche Decke, die er wortlos über meine Schultern gelegt hatte.
„Lloyd?", fragte ich zurück und provozierte damit auf sein Weitersprechen an. Ich würde ihn nicht löchern müssen, denn er würde mir jede Sekunde den Anlass dieses Gespräches nennen. Es war nämlich sicherlich kein einfaches Gespräch, wenn er einen solchen Ton anschlug.
„Können wir reden?"Augenblicklich nickte ich, sodass er sich neben mir auf dem Sofa niederließ. Jedoch schien er auf einen kleinen Abstand zwischen uns zu bestehen, denn diesen nahm er bewusst ein. "Eigentlich ist das eine ziemlich egoistische Frage, weil ich nicht einmal weiß, ob du mit mir darüber sprechen möchtest. Es würde immerhin um dich gehen und meine Fragen sind vermutlich nicht sonderlich angenehm –jedenfalls würde ich so darüber denken, wenn man sie mir stellen würde."
"Es ist okay. Stell sie", forderte ich ruhig und schenkte ihm meine ganze Aufmerksamkeit. Schließlich war wohl auch ich neugierig geworden, sodass das Buch von meiner Hand zu seinem Platz auf dem Wohnzimmertisch fand."Du hast mir einmal von deiner Familie erzählt, erinnerst du dich?" Sicher tat ich das.Es war wahrscheinlich eines unserer ersten Gespräche gewesen. Kurz nachdem wir unsere Verbindung aufgebaut hatten und miteinander sprechen konnten. "Und ich wollte dich etwas zu ihnen fragen.Wie waren sie? Wer waren sie? Was hat sie ausgemacht?"
Dieses Thema überraschte mich tatsächlich ein wenig, allerdings keineswegs in einem negativen Sinne. Ich würde Lloyd gerne von meiner Familie erzählen, wenn er,wie jetzt, etwas über sie erfahren wollte.
"Meine Mutter war eine schwarze Wölfin. Ihr Name lautete Minah. Sie war stark und zugleich überaus sanft. Streng und wohlwollend. Eben eine richtige Mutter. Ich denke so ein bisschen, wie deine."
Er lachte über diesen Vergleich und auf meine Züge schlich sich ein kleines Lächeln. Die Erinnerungen und Gedanken an sie verbreiteten immer ein Glücksgefühl in meinem ganzen Körper. Es ließ mich warm und geborgen fühlen,wie es auch Lloyds Blicke und Berührungen tun konnten.
"Mein großer Bruder war die meiste Zeit sehr ernst. Er hat selten mit mir gespielt,sondern stehts darauf geachtet, dass ich mit den Regeln des Stammes aufwuchs und mir diese Tag für Tag weiter einprägte. Als Kind fand ich es schrecklich von ihm, aber irgendwie war ich mir bewusst, dass er sich auf seine Art um mich sorgte. Er war ein guter großer Bruder, hat mich beschützt und wir hatten eine schöne Zeit zusammen. Ich habe mich nie ausgeschlossen in seiner Gegenwart gefühlt, geschweige denn unterlegen. Der Jüngste zu sein war nie ein Problem für mich und ich bin mir sicher, dass hat uns verbunden. Kenai war Nichts lieber als der Älteste und da wir beide unsere festen Rollen in der Familie hatten, waren wir uns sehr nahe und respektierten einander."
"Das klingt schön",murmelte mein Sitznachbar träumerisch, ehe er in meine Richtung aufblickte und damit scheinbar forderte, dass ich meine Erzählung fortsetzte.
"Und dann war da noch Tenya. Sie war wie eine Blume. Wunderschön, aber auch verletzlich. Die meiste Zeit war sie eher kränklich, obwohl sie von Natur aus eine herzensgute und liebevolle Persönlichkeit war. Wenn unsere Mutter fern war oder mit auf Nahrungsbeschaffung ging, war sie am Häufigsten für mich da. Die erste Zeit meines Lebens war sie wie eine zweite Mutter für mich, bis ich älter wurde und bemerkte, dass ich mich genauso um sie kümmern musste. Irgendwann bin ich dann vielmehr zu ihrem großen Bruder geworden, aber -" Ich brach ab,denn etwas zog sich in mir zusammen. Obwohl ich immerzu von Liebe durchflutet wurde, wenn ich an sie dachte oder von ihr sprach, quälte mich die jetzige Vorstellung sehr.
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Lloyd
WerewolfNachdem Lloyd und Yumah vor Jahren den Fängen des Rudels entkommen sind, haben sie sich ein Leben fernab ihrer Vergangenheit aufgebaut. Doch nicht nur ein Freund der beiden Gefährten, sondern auch weitere Vorkommnisse sorgen dafür, dass sie die Spu...