Kapitel 12

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Als Draco am nächsten Morgen die Augen öffnete, fiel ihm auf, dass er wieder eine sehr ruhige Nacht verbracht hatte. Erneut kein Alptraum, der ihn schweißgebadet aufschrecken ließ und seinen Schlaf unterbrechen konnte. Zum ersten Mal seit Monaten fühlte er sich nicht schon am frühen Morgen niedergeschlagen und deprimiert. Er war glücklich. Ihm war nicht ganz bewusst, was oder wer diesen Stimmungswechsel verursacht hatte, aber fürs Erste war er einfach nur froh, seine Vergangenheit wenigstens einen Moment lang vergessen zu können. Nachdem er sich für das Frühstück fertig gemacht hatte, ging er in die große Halle, trank einen Kaffee und aß ein Stück Toast mit Marmelade. Außer ihm waren nur wenige andere Schüler in der großen Halle, an seinem Tisch saßen außer ihm keine Schüler. Erst nach einigen Minuten trudelten seine Mitschüler ein und es wurde lauter. Hermine und Neville saßen ganz in Dracos Nähe und hatten ihn bevor sie sich hingesetzt hatten begrüßt. 

Wie jeden Morgen flogen die Eulen in die große Halle und ließen unzählige Briefe und Pakete auf die langen Tische fallen. Draco erwartete einen Brief seiner Mutter und schaute nach oben. Eine kleine, braune Eule ließ zwei Briefe vor ihm fallen, die Draco zunächst musterte; beide waren mit smaragdgrüner Tinte beschrieben, was vermutlich bedeutete, dass ein Slytherin sie verfasst hatte.  "Der eine Brief ist von Mutter, ich erkenne ihre Handschrift, aber der andere...", dachte er und öffnete zuerst die Nachricht, bei der er den Absender kannte. Seine Mutter schien sichtlich erfreut darüber, dass er neue Freunde gefunden hatte und dass ihm das Leben auf Hogwarts leichter fiel, als beide zunächst angenommen hatten. Außerdem erwähnte sie, dass sie nun mehr Zeit mit ihrer Schwester - Andromeda nicht Bellatrix - verbrachte, was ihr wirklich gut tat. Draco nahm sich vor, ihr in den nächsten Tagen zu schreiben. Als er hoch schaute, bemerkte er, dass auch Hermine einen Brief erhalten hatte, der mit grüner Tinte beschriftet worden war. Draco öffnete und las:

Sehr geehrter Mister Malfoy,

Sie sind herzlich dazu eingeladen, mir bei meiner Feier zum Schuljahresbeginn Gesellschaft zu leisten. Sie wird nächsten Freitag um 19 Uhr in meinem Büro stattfinden. Ich erwarte Ihre Zusage per Eulenpost.

Hochachtungsvoll 

Horace Slughorn 

Draco schluckte. Das, worauf er sein gesamtes sechstes Jahr gewartet hatte, war eingetreten: Der alte Slughorn hatte ihn eingeladen und ihn zu einem Mitglied seines Slug-Clubs gemacht. Und wem hatte er diese Ehre zu verdanken? Hätte Granger dem Zaubertränkemeister nicht gesagt, dass Draco an der Zubereitung ihres Gebräus beteiligt gewesen war, hätte Slughorn sicher angenommen, dass er sich nur im Schatten seiner begabten Partnerin versteckt hielt. Nun war Draco sich nicht mehr sicher, ob er wirklich Lust hatte, diesem elitären Kreis anzugehören. Er wollte einfach in der großen Masse untergehen und in Ruhe seinen Abschluss machen. Außer Hermine und sich selbst sah er noch einige andere Schüler, die eine Einladung erhalten hatten. Es war jedoch niemand dabei, der Draco übermäßig interessierte, weshalb er sich wieder seinem Essen zuwendete. 

Nach jeweils zwei Stunden Verwandlung und Astronomie, die Draco hinter sich gebracht hatte und in denen er zwei Ohnegleichen einheimsen konnte, fand er sich wieder in den Kerkern vor, wo er die Zutaten, die Hermine und er am Tag zuvor aus den Büchern in der Bibliothek herausgeschrieben hatten, fein säuberlich auf dem Tisch verteilte und unter dem Kessel ein Feuer machte. Obwohl seine Partnerin noch nicht aufgetaucht war, machte er sich daran, kleine Schoten, die ähnlich aussahen wie Peperoni, in Stücke zu hacken. Als Hermine auftauchte, war er mit diesem Teil der Aufgabe schon fast fertig. "Hallo Draco, du hast ja schon ohne mich angefangen!", ihr Ton war vorwurfsvoll, aber in ihrem Gesicht sah er ein Lächeln. "Womit fangen wir an?", fragte sie und beide besprachen die nächsten Schritte. Nachdem sie sicher 20 Minuten nebeneinander her gearbeitet hatten, ohne viel zu kommunizieren, stand Slughorn von seinem Pult auf und gesellte sich zu ihnen. "Miss Granger, Mister Malfoy, ich hoffe, dass Sie beide am Freitag zu meiner kleinen Party kommen werden! Es ist für alles gesorgt. Musik, gutes Essen, ein wenig Feuerwhiskey...", er zwinkerte, "und ich habe sogar einen echten Feuerschlucker engagiert!" "Das hört sich wirklich großartig an, Professor", sagte Hermine freundlich, aber Draco konnte merken, dass sie sich auch ein wenig über den alten Mann amüsierte, "Wir werden sicher da sein, nicht wahr Draco?" Verdutzt, dass die kleine Hexe auch für ihn sprach, wusste Draco nicht genau, was er sagen sollte. Eigentlich hatte er zunächst noch darüber nachdenken wollen, ob er auch wirklich Teil des Slug-Clubs sein wollte. "Ja natürlich. Wir kommen gerne, Professor", antwortete Draco. "Sehr gut, sehr gut", Slughorn rieb sich die Hände und schaute dann auf ihren fast fertig gebrauten Trank, "und erneut wirklich großartige Arbeit Sie beide. Sobald Sie fertig sind, fülle ich Ihren Trank ab, damit Sie in zu Madam Pomfrey in den Krankenflügel bringen können. Anschließend haben Sie den Rest der Stunde frei. Morgen geht es dann weiter mit dem nächsten Trank.  Professor McGonagall und ich hatten uns bereits gedacht, dass sie als Partner sehr gut harmonieren würden." 

Froh darüber, dass er jetzt noch genug Zeit haben würde, die Astronomiebilder für den nächsten Test auswendig zu lernen, machte sich Draco auf den Weg in die Bibliothek. Hermine folgte ihm, wahrscheinlich hatte sie denselben Plan. Da es nach dem gestrigen Tag, an dem sie zusammengearbeitet hatten, komisch wäre, sich an verschiedene Tische zu setzen, gesellte dich Draco zu seiner Laborpartnerin. Während er seine Arbeitsmaterialien auf dem Tisch verteilte, lief sie in die weiten Gänge der Bibliothek und suchte nach einem Buch. Als sie wieder kam, ließ sie genau das Astronomiebuch auf den Tisch fallen, das Draco auch benötigte. Hermine folgte seinem Blick und sagte: "Oh wolltest du auch die Sternbilder auswendig lernen? Tut mir leid, dass ich das Buch für mich beansprucht habe. Wir können zusammen reinschauen, wenn es dir nichts ausmacht." Draco nickte und rückte mit seinem Stuhl näher an sie heran. 

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