Epilog

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„Professor!", rief eine der Erstklässlerinnen aufgeregt, nachdem er die gesamte Klasse gebeten hatte, einen Unkrautvernichtungstrank zu brauen. Die meisten seiner Schüler waren mit der Aufgabe maßlos überfordert. Nur das kleine Ravenclaw-Mädchen aus der ersten Reihe, das einen riesigen blonden Lockenschopf vorzuweisen hatte, konnte seinen Anweisungen folgen. Er machte sich auf den Weg zu ihr und besah sich ihren Trank. 

„Schön Anna", sagte er und notierte sich ein Ohnegleichen, „sagen wir 5 Punkte für Ravenclaw und ein Ohnegleichen." Auf seine Bewertung hin begannen ihre Augen zu leuchten - ein Ausdruck, mit dem er nur zu vertraut war, sah er ihn doch jedes Mal, wenn seine Frau ein neues Buch aufgeschlagen hatte. „Danke Professor! Was kann ich jetzt tun?", fragte die Kleine und sprang aufgeregt von ihrem Stuhl. „Du solltest dich um die Tränke von Kevin und Philipp kümmern. Die beiden könnten wahrscheinlich deine Hilfe gebrauchen", er lachte und schritt langsam die Reihen auf und ab. Hin und wieder versuchte er einigen Schülern Hilfestellungen zu geben oder verteilte Lob, sofern dieses auch angemessen war. Auch wenn er netter sein wollte, als Snape zu seiner Zeit, schmiss er nicht mit Lobeshymnen um sich wie andere Lehrer.

Nach Ende der Stunde machte er sich auf den Weg in seine Wohnung, die in der Nähe der Slytherin-Kerker gelegen war. Seine Frau hatte darauf bestanden, schließlich war er der Hauslehrer der Schlangen und sollte so leicht für sie zu erreichen sein. „Sind Sie für Ihre Mittagspause hier, Professor?", fragte ein kleiner, runzeliger Zauberer in einem Gemälde, der als Zugang zu seiner Wohnung fungierte. „Ja Abraxas", antwortete er, „welche Frage hast du heute für mich?" „Für was ist Diptam besonders geeignet?", fragte der alte Zauberer. „Komm schon! Hast du nichts Besseres vorbereitet? Für Heiltränke", er lachte. „Wie immer vollkommen richtig, Professor. Ihre Frau hat ebenfalls über meine Frage gelacht", sagte Abraxas und ließ das Loch aufschwingen. Er schmunzelte und trat hindurch.

Sie lag ausgestreckt auf der Couch und hatte die Augen geschlossen. Er fand keinen Ausdruck dafür, wie schön sie in diesem Moment auf ihn wirkte – ruhig und friedlich. „Liebes", sagte er leise und strich mit der Hand über ihre Haare, „ich wecke dich wirklich nur ungern, aber wenn du nicht bald aufstehst, verpassen wir das Mittagessen in der großen Halle. Nicht auszudenken, wenn du bis heute Abend auf deinen geliebten Apfelkuchen verzichten müsstest." Sie verzog das Gesicht und schlug langsam die Augen auf: „Versuch du doch mal, den ganzen Tag nichts zu dir zu nehmen, wenn ein Mensch in dir heranwächst. Ich schaffe es heute nicht zum Essen, wir sollten die Hauselfen bitten, uns etwas rüberzubringen." Leise fluchend versuchte sie, sich auf dem Sofa aufzurichten, doch scheiterte kläglich. Sie hasste es, für die simpelsten Dinge auf seine Hilfe angewiesen zu sein. Lächelnd reichte er ihr die Hand und zog sie hoch. „Du willst tatsächlich schon wieder die Hauselfen ausnutzen? Wenn das dein fünfzehnjähriges Ich wüsste!", gespielt vorwurfsvoll warf er seine Arme in die Höhe, doch wurde sofort von seiner Frau neben sich auf das Sofa gezogen.

„Wie viele Punkte hast du deinen Slytherins heute geschenkt?", fragte sie gespielt ernst und zog die Augenbrauen hoch. „Nur 10! Ein Drittklässler hat einen großartigen Wachtrank gebraut und eine Viertklässlerin einen erstklassigen Weedosoros. Zum Glück hat ihn niemand getrunken, das wäre nicht gut ausgegangen. Es war nur Zufall, dass beide in Slytherin sind. Was hätte ich tun sollen? Ihre perfekten Leistungen nicht wertschätzen, nur weil meine werte Ehefrau dann sauer wird?", fragte er dramatisch, woraufhin sie ihn zu sich zog und ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen drückte. 

„Außerdem habe ich der kleinen Ravenclaw mit dem blonden Lockenschopf auch 5 Punkte gegeben. Anna hatte genau denselben Blick wie du, wenn du ein neues Buch aufschlägst. Wäre sie nicht strohblond, könnte die dein jüngeres Ich sein", er lachte und zog seine Frau noch näher zu sich. „Sie geht mir schon fast auf die Nerven. Bei mir hat sie letzte Woche zwei Hufflepuffs belehrt, weil sie Alohomora nicht beim ersten Versuch richtig ausgesprochen haben", sie stockte sofort und er konnte sein Lachen nicht mehr länger verkneifen: „Jetzt weißt du, wie es dem Wiesel im ersten Jahr mit dir ging und warum Snape dich nicht leiden konnte." „Jajaja...", grummelte sie und kuschelte sich enger an ihren Mann.

„Vielleicht sieht die Kleine in meinem Bauch", sagte sie, doch wurde prompt durch ihn unterbrochen: „Der Kleine." „Die Kleine", fuhr sie fort, „auch aus wie Anna. Meine Locken und deine unverkennbare Haarfarbe." Sie strich eine Strähne seines Haares aus seiner Stirn und lächelte. „Ich hoffe, er bekommt nicht meine Haarfarbe. Alle wüssten sofort, zu welcher Familie er gehört. Auf welcher Seite sie damals stand und was sein Vater getan hat", antwortete er traurig.

„Ich denke, sie sollte wissen, dass Menschen auch Fehler machen dürfen. Dass sie, wenn sie ihre Taten aus der Vergangenheit wirklich bereuen, immer eine zweite Chance verdient haben. Dass Menschen sich auch ändern können", sie lächelte und zog den Umhangärmel ihres Mannes nach oben. Von seiner Vergangenheit war nur noch ein kleiner Punkt übrig geblieben. Er hatte das Mal nicht komplett entfernt. Dieser Punkt, der nicht viel anders aussah als ein kleiner Leberfleck, sollte ihn für immer daran erinnern, zu welchem Menschen er geworden war und welcher Mensch er hingegen nie wieder sein wollte. Sie besah sich seinen Arm und drückte anschließend einen zärtlichen Kuss auf die Stelle, wo früher ein angsteinflößendes Mal gewesen war. Er hasste es, wenn sie das tat und auch an diesem Tag verzog er unwillkürlich das Gesicht. 

„Liebes, ... bitte lass das. Gerade du solltest nicht so damit umgehen", sagte er und entzog sich ihr langsam. Sie entgegnete ruhig: „Ich weiß nicht, wie oft ich dir noch sagen muss, dass alles, was du in deiner Vergangenheit erlebt hast, zu dir gehört und dich zu dem Mann gemacht hat, der du heute bist. Und wie du vielleicht weißt, liebe ich diesen Mann." Nach einem kurzen Zögern fuhr sie mit einem Lachen fort: „Auch wenn man dir den Slytherin doch nicht ganz austreiben kann."

„Ich habe dich wirklich nicht verdient, Hermine Granger", murmelte er leise, „und den Kleinen hier auch nicht." Sachte strich er mit seinen Händen über ihren dicken Bauch. Das kleine Wesen würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. „Hermine Malfoy, wenn ich bitten darf. Und doch das hast du Draco."

Warum Er?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt