Diesmal verzog Draco sich nicht in die Bibliothek. Er wollte nicht, dass Hermine ihn so sah. Immer noch wütend stapfte er die Wendeltreppe zu seinem Zimmer hoch, das er mit Neville teilte. Glücklicherweise war sein Zimmergenosse nicht anwesend. Draco lief schnurstracks ins Badezimmer und drehte den Wasserhahn auf. Kaltes Wasser lief über seine Hände; er warf sich die kalten Tropfen in sein Gesicht. Doch das Ritual, das ihm zuvor stets geholfen hatte, seine Wut im Zaum zu halten, vermochte ihn diesmal nicht zu bremsen. Draco schrie sich die Seele aus dem Leib und spürte, wie das Wasser in seinem Gesicht sich allmählich mit Tränen mischte. In Gedanken rekapitulierte er Kimmkorns Artikel. Alles, für das er die letzten Monate gearbeitet hatte wie ein Irrer, war nun dahin. Es machte für die Gesellschaft keinen Unterschied, dass er sich anstrengte und ein makelloses Zeugnis vorweisen konnte. Es machte keinen Unterschied, dass er aufrichtig versuchte, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich zu ändern. Es machte keinen Unterschied, dass einige Menschen das Gute in ihm sahen und ihm seine Grunderneuerung abkauften. Es machte keinen Unterschied, dass er tatsächlich die klügste Hexe ihrer Zeit dazu gebracht hatte, sich in ihn zu verlieben. Es machte keinen Unterschied, dass er zum ersten Mal seit Jahren Liebe spürte. Draco würde immer bleiben, was er war: ein ehemaliger Todesser, der unzählige Leben auf dem Gewissen hatte. Die Welt außerhalb von Hogwarts würde ihm nie vergeben. Mit voller Kraft schlug er seine Faust in den Spiegel und brach schluchzend auf dem Boden zusammen. Draco spürte den Schmerz und sah, wie das Blut über seine Hand strömte. Doch es war ihm egal, er nahm an, den Schmerz verdient zu haben.
Nach einiger Zeit hörte Draco außerhalb des Badezimmers Stimmen. „Hermine, beruhige dich. Wir werden ihn schon finden. Er ist sicher in unserem Bad", hörte er Neville sagen. Es rüttelte an der Klinke. „Er hat sich eingeschlossen Neville. Alohomora!", Hermines panische Stimme brach Draco das Herz. Doch aus irgendeinem Grund konnte er sich nicht bewegen, um sie einzulassen, er verharrte in seiner Stellung auf dem Boden. Ihr Zauber würde seine Tür nicht öffnen können, dafür kannte er zu wirkungsvolle Verschließzauber. „Es hilft nicht Neville!", schrie Hermine beinahe, „Draco kannst du mich hören? Bitte mach die Tür auf, ich werde hier verrückt." „Hermine", flüsterte Draco, etwas Lauteres brachte er nicht zustande. „Draco? Neville ich habe ihn gehört! Ach egal, soll Professor McGonagall mich doch anschreien", hörte er Hermine sagen, doch er verstand nicht. „Bombarda Maxima!", schrie sie und die Tür zerbarst in tausend Teile. Draco zog den Kopf ein und saß zum Glück geschützt hinter einem massivem Badezimmerschrank. Er sah, wie Hermine eintrat und ihn sofort sah. Ihre Augen weiteten sich und sie setzte sich sofort neben ihm auf den Boden und schloss ihn in ihre Arme. „Oh Draco, was hast du nur getan", murmelte sie, „ich habe mir solchen Sorgen um dich gemacht."
Draco war immer noch unfähig, zu sprechen. Er war einfach froh, dass Hermine ihn doch noch gefunden hatte und er sich an ihrer Schulter anlehnen konnte. Er sah, wie Neville zögerlich in das Badezimmer trat und sich etwas schockiert umschaute. Leise begann er, „Ratzeputz" und „Reparo" anzuwenden, um etwas aufzuräumen. Wäre Draco nicht so Elend zumute gewesen, hätte er über diesen Anblick wahrscheinlich gelacht.
Abends hatte er sich wieder etwas beruhigt. Er saß in seinem Zimmer und arbeitete an einem Aufsatz für Zauberkunst, als er ein leises Scharren an der Fensterscheibe hörte. Hermine, die an Nevilles Schreibtisch saß und an demselben Aufsatz schrieb, stand auf und öffnete das Fenster. Eine kleine Eule flog herein, landete auf Dracos Tisch und hielt ihm ihr Bein hin, damit er den Brief abmachen konnte.
Lieber Draco,
ich gehe davon aus, dass du den Artikel im Tagespropheten gelesen hast und genau so schockiert bist wie ich. Natürlich weiß ich, dass Rita Kimmkorn nur Lügen verbreitet, aber ich hätte mir trotz allem gewünscht, direkt von dir von deiner Beziehung zu Hermine Granger zu erfahren. Ich hoffe, du weißt, dass mich ihr Blutstatus nicht interessiert. Ich würde sie wirklich gerne kennenlernen. Möchtet ihr beide mich nicht besuchen kommen? Professor McGonagall wird es euch sicher erlauben. Hast du schon eine Rückmeldung für deine Bewerbung erhalten? Ich wünsche mir wirklich für dich, dass dieser Artikel deine Chancen nicht verringert.
Hoffentlich sehen wir und bald, mein Liebling.
P.S. Grüße Miss Granger von mir.
Narcissa
Draco seufzte laut auf. Daran, dass seine Mutter nun auch auf diese Weise von ihm und Hermine erfahren würde, hatte er noch gar nicht gedacht. Eigentlich freute er sich darauf, die beiden Frauen miteinander bekannt zu machen, doch er wusste nicht, ob es Hermine genau so gehen würde. Den letzten Besuch im Malfoy Manor wird sie höchstwahrscheinlich noch nicht überwunden haben. „Der Brief ist von meiner Mutter", sagte Draco, „sie ist etwas sauer, dass ich ihr nicht von uns erzählt habe, aber sie hat uns zu sich eingeladen." Er sah, wie Hermines Lächeln verschwand und schob schnell nach: „Ich könnte es absolut verstehen, wenn du lieber nicht ins Malfoy Manor möchtest. Fühl dich nicht gezwungen, ihre Einladung anzunehmen." Hermine schluckte, doch entgegnete dann: „Irgendwann muss ich doch wieder dort hin zurück oder? Dann mache ich es doch lieber gleich." Draco lächelte, sie war durch und durch eine Gryffindor.
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Warum Er?
FanfictionHermine kehrt nach dem Kampf um Hogwarts wieder an ihre alte Schule zurück, um ihr siebtes Schuljahr zu vollenden. Da Harry und Ron beschließen, nicht mit ihr zusammen zu gehen, fühlt sie sich zunächst einsam. Doch dann lernt sie einen ehemals verha...