„Wie dumm kann ein einzelner Mensch überhaupt sein?", fragte sich Draco Malfoy rasend vor Wut am nächsten Morgen, als er an die letzten zwei Tage zurückdachte. Er wusste, dass es eine schlechte Idee sein würde, Hermine auf Slughorns Drängen hin nach draußen zu begleiten. Er hatte aber nicht gedacht, dass er so die Kontrolle verlieren würde. Draco hatte eher erwartet, dass er es nicht mehr ertragen könnte, nicht mehr mit der kleinen Hexe befreundet zu sein und deshalb wieder mit ihr sprechen würde; er hatte nicht erwartet, dass er so sich so fallen lassen konnte und mit ihr schlafen würde. Draco hoffte inständig, dass sie vor ihm schon Sex mit dem Wiesel gehabt hatte – er könnte es nicht ertragen, sie dank seiner eigenen Dummheit auch noch entjungfert zu haben. Das Gespräch den Abend zuvor war auch nicht gerade glücklich verlaufen. Draco biss sich auf die Unterlippe, als er daran dachte, dass Hermine, hätte er selbst sie nicht davon abgehalten, wahrscheinlich die drei kleinen Worte gesagt hätte, vor denen er, bevor er sie kennengelernt hatte, immer schreckliche Angst gehabt hatte. Seit Hermine in sein Leben getreten war, wünschte er sich nichts mehr, als von ihr diesen Satz zu hören. Aber es war nicht entscheidend, was er sich wünschte. Es spielte auch keine Rolle, dass sie sich eine Beziehung mit ihm wünschte. Es war vollkommen egal, dass die vorletzte Nacht auch die schönste seines Lebens gewesen war (Draco bekam eine Gänsehaut, als er sich daran erinnerte, dass Hermine diese Nacht so betitelt hatte) oder dass er sich durch sie schon fast wie ein anderer Mensch fühlte. Hermines Glück war das Einzige, das wichtig war. Die Gesellschaft und auch ihre idiotischen Freunde würden sich sofort von ihr abwenden, wenn sie das von den beiden wüssten. Außerdem war es nicht fair, Hermine, die in ihrer eigenen Vergangenheit schon viel zu viel Leid erfahren hatte, auch noch mit seinen Problemen zu belasten, von denen er ohnehin nur wenige erzählen könnte, aus Angst sie zu verschrecken und somit für immer zu verlieren.
Draco war so unbeschreiblich wütend auf sich selbst. Er versuchte, zum ersten Mal in seinem Leben selbstlos zu sein und sein Vorhaben war wieder nur aus egoistischen Gründen gescheitert, weil er sich in Gegenwart der kleinen, zerbrechlichen Hexe einfach nicht unter Kontrolle hatte. Selbst wenn es darum ging, sie, ihr jetziges Leben und ihre Zukunft zu schützen, war er nicht in der Lage, sich von ihr fernzuhalten. Draco wusste genau, dass Hermine nicht aufgeben würde. Als Gryffindor war sie stur und unermüdlich. Sie würde ihn weiter in Verlegenheit bringen und immer präsent sein. Sie würde ihn so lange in die Enge treiben, bis er ihrer Macht über sich nicht mehr standhalten konnte. Entweder er würde wieder schwach werden und das Geschehen der vorletzten Nacht wiederholen oder er würde ihr alles gestehen, was sie wissen wollte – und Draco wusste, wie neugierig die kleine Hexe war.
Es geschah genau das, was Draco zuvor schon prophezeit hatte. In den nächsten Tagen war Hermine immer in seiner Nähe. Und als wäre dieser Zustand nicht schon schlimm genug für Draco, sah sie auch immer einfach nur hinreißend aus. Sie trug die Haare nur noch glatt, da Draco bei Slughorns erster Party bemerkt hatte, wie sehr sie ihm so gefielen. Hermine trug in ihrer Freizeit außerdem auffallend viele slytherin-grüne Kleider, da sie wusste, dass grün seine Lieblingsfarbe an ihr war. Sie betonte ihre schokoladenbraunen Augen, da sie in der Nacht nach Slughorns Halloween-Party der einzige Grund gewesen waren, dass Draco nicht mehr dazu in der Lage gewesen war, ihr auch nur einen einzigen Wunsch abzuschlagen. Es war wirklich nicht zu übersehen, wie klug Hermine war – und wie genau sie ihn und seine Reaktionen auf sie in den letzten Wochen beobachtet hatte. Auch in Zaubertränke wich sie nicht von seiner Seite. Hermine stellte weiterhin Fragen, deren Antworten sie bereits kannte, hörte aufmerksam zu und tat alles genau so, wie Draco es ihr erklärt hatte. Jeder Trank der beiden wurde von Slughorn mit einem „Ohnegleichen" benotet und da sie immer so schnell fertig waren, hatten sie stets die Möglichkeit, das Klassenzimmer in den Kerkern früher zu verlassen. Anstatt wie in den Wochen vor der Halloween-Party verkroch Hermine sich nicht mehr in der Bibliothek, sondern folgte Draco auf dem Fuß. Sie schien glücklich zu sein und plauderte fröhlich vor sich hin. Auch den anderen Achtklässlern war dieser Stimmungswechsel schon aufgefallen. Neville hatte erzählt, dass Hermine dem Mini-Wiesel gesagt hatte, dass Ron bereits kein Thema mehr sei, weil sie ihre Aufmerksamkeit schon auf jemand anderen gerichtet hatte. Longbottom war wohl kein besonders guter Menschenkenner, da ihm ansonsten bereits aufgefallen sein musste, dass Hermine damit niemand anderen als Draco Malfoy gemeint hatte. Er war nicht nur bei der Szene im Gemeinschaftssaal mit Marietta dabei gewesen, er musste doch auch bemerken, wie interessiert Draco beim Thema Hermine zuhörte, oder nicht?
Draco fürchtete, dass er Hermines Avancen nicht mehr lange zurückweisen konnte, wenn er weiterhin mit ihr befreundet blieb. Er hatte noch für niemanden so empfunden wie für sie. Auch wenn er schon vorher Freundinnen gehabt hatte – keine war ihm je so unter die Haut gegangen wie diese Hexe. Auch wenn es ihm das Herz brach, er musste wieder zu seinem kalten und herzlosen Ich zurückkehren, das Hermine sieben Jahre lang verabscheut hatte.
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Warum Er?
FanfictionHermine kehrt nach dem Kampf um Hogwarts wieder an ihre alte Schule zurück, um ihr siebtes Schuljahr zu vollenden. Da Harry und Ron beschließen, nicht mit ihr zusammen zu gehen, fühlt sie sich zunächst einsam. Doch dann lernt sie einen ehemals verha...