Kriegskind

Kapitel 62

Wir fahren schon seit mindestens 30 Minuten und haben kein Wort geredet. Warum auch? Er kann nichts normales von sich geben und ich bin wütend auf mich selbst da ich so viele Leute mit in diese Sache mit rein gezogen habe. 

John wird wahrscheinlich immer noch von Jason bedroht, für den Fall das ich fliehen könnte. Und ich schätze Ricky, Alex und Scott werden auch nicht verschont bleiben. Ich hasse es wenn absolute Stille herrscht, nicht mal das Radio ist an.

"Du solltest nachher tun was von dir verlangt wird, wenn du nicht in Schwierigkeiten kommen willst!"

"Ich bin doch schon längst in Schwierigkeiten!" Er kann nicht behaupten das, dass nicht stimmt.

Er biegt von der Hauptstraße ab und fährt jetzt einen kleinen Pfad lang. Nach wenigen Minuten zeigt sich ein rießiges Gebäude vor dem zwei Wachen stehen.

David stoppt den Wagen und steigt aus, ich steige ebenfalls aus und er führt mich an den zwei Wachen vorbei ins Gebäude.

Ein langer Gang erstreckt sich uns mit Säulen die im regelmäßigen Abstand von einander weg stehen. Wir gehen durch eine Doppeltür und kommen in enge lange gänge die ich bereits kenne. In diesem Gebäude wurden wir nach dem Autounfall eingesperrt.

Ich versuche unauffälig zu Davids Schulter zu sehen, er hat sie verbunden, aber er merkt es und ich sehe schnell weg.

"Jason hat eine Schussverletzung am Bein und ich habe eine Messerwunde an der Schulter wegen dir."

"Denn sind wir ja quit, ich habe eine Messerwunde am Bein."

Und das nur weil ich nicht auf seine dämlichen Fragen geantwortet hatte, wenn John nicht gekommen wäre, wäre mein Bein vielleicht ganz durchtrennt.

Er bringt mich zu meiner alten Zelle zurück.

"Du wirst morgen abgeholt und aufs Dach gebracht."

Auf dem Dach? Was haben sie vor? Ich setzte mich an die Wand angelehnt auf den Boden. Jetzt muss ich auch noch eine Nacht hier verbringen. Ich umschließe die Kette für Kelly in meine Hand. Wenigstens kann ich mit Kelly reden bevor ich morgen zu diesem Ritual gebracht werde.

Was John jetzt wohl macht? Vielleicht ist er jetzt bei Luke oder erzählt Ricky und den anderen was passiert ist, falls Jason ihn gehen gelassen hat. Vielleicht wird David ihn ja auch zurecht weißen nach dem ich ihn angeschrien habe. Allerdings rede ich hier gerade von einem Typen der mir schon mehrmals gezeigt hat das er mächtiger ist und nutzt jede gelegenheit um es jeden zu beweisen.

Ich schließe die Augen und lehne meinen Kopf gegen die kalte Steinmauer. Es braucht eine ganze Weile bis ich bemerke das ich nicht die einzige bin, die in einer Zelle sitzt. Ich reiße die Augen auf als ich einen seufzer höre. Kurz dachte ich es wäre John aber jemand anderes saß mir gegenüber.

Nick sieht mich genauso verwundert an wie ich ihn. Er lebt noch! Er sitzt genau vor mir! Zwar sieht er mit seinen Wunden und blauen Flecken nicht ganz okay aus, aber er lebt!

"Oh mein gott. Du lebst!"

Er sieht mich ziemlich verwundert an.

"Ähm...  ja.. du auch."

"Aber sie haben dich doch erschossen, ich hab es gesehen. Im Wald!"

"Ich kam mit einer Verletzung davon. Er hat mein Herz nur knapp verfehlt."

"Du... ich... das musst du mir erklären!"

"Gut, ich fange mal von vorne an. Ja, ich bin als Denter geboren aber ich habe mich von Anfang an dagegen gewehrt. Also gab ich mich als Indarix aus. Ich habe Jason verfolgt als er sich auf die Suche nach dir gemacht hat. Ich konnte dich nicht einfach alleine in dieser Gasse sitzen lassen können. Ich dachte ich könnte ewig so weiter machen aber es war klar das du irgendwann darauf kommen würdest. Als du dann weggerannt bist, wollte ich dir erstmal Zeit geben damit du drüber nachdenken kannst aber als ich am nächsten Tag nach dir suchen wollte, wurde die Wohnung gestürmt und sie haben mich gewaltvoll mitgenommen. Sie haben mich über dich ausgefragt und als Jason dazu kam, wollte er mich zwangvoll auf seine Seite ziehen aber ich wollte nicht und habe die nächste möckligkeit genutzt und bin geflohen. Sie haben mich im Wald aufgefunden und wollten mich umbringen. Als er den Schuss verfehlte, haben wir, vermutlich euch, gehört und sie sahen es als möglichkeit dich zu erpressen. Sie haben mich lange gefoltert und als sie sich näher mit dir beschäftigt haben, habe ich den nächsten ausbruch besser geplant, es hat geklappt. Dann habe ich dir geschrieben und dich angerufen, ich musste einfach mit dir reden und dich sehen. Aber als ich dich im Park treffen wollte, haben sie mich wieder gefunden und hierher gebracht."

"Also wolltest du mich in gar keine Falle locken."

"Ich hatte nie die Absicht dazu."

Schweigen. Ich muss erst mal darüber nachdenken. Sagt er die Wahrheit oder lügt er mich an, vielleicht bin ich ja einfach zu naiv und würde ihm alles glauben was er mir erzählt. Es ist aufjedenfall eine Erleichterung zu wissen das er noch lebt und wenn ich ehrlich bin, kann ich ihm verzeihen. Er kann nichts dafür, als Denter geboren zu sein, er wollte keiner sein und hat sich abgewendet. Er hat das gleiche gemacht wie ich, ich bin auch abgehauen und hab mich als Indarix ausgegeben.

"Wie ist es dir so ergangen?"

"Das ist eine lange Geschichte!"

"So wie es aussieht, haben wir beide noch eine Menge Zeit."

Er hatte recht, also erzählte ich ihm was alles passiert ist seit ich erfahren hatte das er ein Denter ist. Ich ließ die Albträume und die Sache mit John weg. Ich weiß ja selber nicht mal was das für eine Sache zwischen uns ist, oder war.

Mir wurde in dem Moment klar das ich ihn nie wieder sehen werde. Nie wieder seine faszinierenden blauen Augen in denen ich mich immer verliere. Nie wieder das schöne lächeln das mich glücklich macht. Nie wieder seine schöne Stimme der ich stundenlang zuhören kann. Nie mehr. Morgen wird es vorbei sein, für immer. Mir lief eine heiße Träne die Wange hinunter, es ist mir egal ob Nick mich weinen sieht, das einzige was ich will ist hier raus zukommen.

Die Tür geht auf und einer der Wachen kommt rein. Mit schnellen Schritten steht er dann vor Nick's Zelle.

"Hallo Bryan, wie geht es dir so?"

Die Wache schnaubt verächtlich, macht die Zellentür auf und zerrt Nick hinaus dann schupst er ihn nach vorn.

"Heute mal gute Laune was?"

Zusammen gehen sie aus dem Raum und die Tür knallt hinter ihnen ins Schloss. Nick kann es nicht lassen, er muss immer provozieren.

Nun sitze ich hier alleine. Wie soll ich noch den Tag und eine Nacht hier verbringen? Schon jetzt sitze ich hier gelangweilt und wünsche mir nichts sehnlicher als hier raus zu kommen. Und dabei bin ich erst 2 Stunden hier.

Was könnte man in dieser Situation machen? An die Wand starren und das war es auch schon. Ständig höre ich hektische Schritte an der Tür vorbei laufen. Sie kommen immer aus einer Richtung, und führen zum Dach, wo ich mal meine Schiessübungen machen sollte. Da morgen das Ritual ist denke ich mal das es auf dem Dach statt findet und alle am vorbereiten sind.