34. Kapitel

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Oh Gott, was war das gerade? Was zum Teufel hatte ich mir dabei gedacht? Ich brauchte einen klaren Kopf.

Frustriert stampfte ich zum Ausgang der Bar. Es war mir egal, dass ich unglaublich viele Leute aus dem Weg schupfen musste und diese mich dann blöd angemeckert haben, ich wollte einfach da raus. An der frischen Luft atmete ich einmal tief ein und aus und setzte mich dann auf eine Treppe, die als Eingang für ein daneben stehendes Gebäude genutzt wurde. Meine Ellbogen stützte ich an meinen eigezogenen Knien ab. Meine Hände hielt ich vor meinen Mund. Ich musste wohl ziemlich abgestürzt oder geschockt aussehen, da mich die Leute beim vorbei gehen komisch musterten. Eigentlich war es keine sehr tragische Geschichte. Jedenfall ist keiner gestorben, was sicher viel tragischer als die Tatsache wäre, dass Noah's Finger noch vor ein paar Minuten in meiner Hose steckten. Okay, es waren blos seine Fingerspitzen, die sich unter meinem Hosenbund befanden. Man konnte sogar noch ein kleines bisschen seiner Fingernägel sehen!

Na schön, vielleicht versuchte ich mir das Ganze einfach blos ein bisschen schöner zu reden, als es eigentlich war. Es änderte auf jeden Fall nichts daran, dass ich und Noah vor ein paar Minuten einen... intimeren Kontakt hatten, als es bei normalen Freunden wäre. Das würde sicher nicht wieder vorkommen! Er wollte es mir wahrscheinlich blos heimzahlen, weil ich ihm letztens was zugeflüstert hatte. Okay, ich gib es ja zu, das was ich zu ihm gesagt hatte, war nicht sehr jugendfrei und normal für eine Freundschaft, aber er hatte mich schliesslich herausgefordert. Das ist der schlimmste Fehler, den man bei mir machen kann. Ich fragte mich nur noch, warum er es mir heimzahlen wollte. Ich meine, hatte das irgendwelche schweren Folgen für ihn gehabt? Und wenn ich mal ganz ehrlich zu mir war, war das für mich keine Heimzahlung gewesen... eher eine nette Bescherung.

Okay, ich hörte mich schrecklich an. Diese Gedanken sollten dringend aus meinem Kopf verschwinden. Diese ganze Szene sollte aus meinem Kopf verschwinden, doch die Wahrheit war, dass ich das im Moment eigentlich gar nicht wollte.

,,Ist dir das Gekreische dieser Groupies auch zu dumm geworden?''

Ich schaute hoch, doch die Person sass bereits neben mir. ,,Nein, ich... ich brauchte blos einen klaren Kopf.'' Sie nickte leicht, so dass ich es mir vielleicht auch blos einbilden könnte. Aus ihrer Hosentasche der extrem gelöcherten Jeans entpuppte sie eine Zigarettenschachtel. Daraus zog sie ihr Feuerzeug und einen Stummel, denn sie kurze Zeit später anzündete. ,,Schau mich nicht so an! Ich weiss, wie scheisse das ist.'', murrte Lucy und blickte starr auf den Boden. Sofort wendete ich meinen Kopf von ihr ab und beobachtete die wenigen Passanten und die betrunkenen Menschen, die sich auf dieser Strasse herum lungerten. Ich hatte sie gerade eben noch skeptisch betrachtet. Besser gesagt die brennende Zigarette.

Ihre Stimme klang gleichgültig. ,,Das hilft mir dabei einen klaren Kopf zu bekommen. Scheisse, das ist eine verdammte Scheisse! Ich wünschte, ich bräuchte diese verdammten Dinger nicht, um einen klaren Kopf zu bekommen! Du hast es gut. Sei froh, dass du nicht süchtig nach diesem killendem Scheiss bist!'' Sie hob ein Kieselstein hoch und schleuderte es kurz darauf mit voller Wut auf die Strasse. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gesagt, dass sie einen ziemlich frustrierten Eindruck machte. Blos fragte ich mich, was zwischen jetzt und vorher vorgefallen war, dass sich ihre Laune so derartig geändert hatte. Oder war sie schon vorher so drauf gewesen, und ich hatte es einfach nicht bemerkt?

,,Warum hast du damit begonnen?'', fragte ich sie, anstatt auf ihre Aussahe einzugehen. Ich hätte nicht gewusst, was ich dazu sagen sollte, ohne sie noch mehr zu verärgern. Sie blies den Rauch in die Dunkelheit und lehnte sich mit geschlossenen Augen an das metallige Geländer. ,,Vor ein paar Jahren, nachdem mein Vater uns für eine verdammte Oberziege verlassen hatte, fing meine Mutter an, fast schon täglich neue Männer mit nach Hause zu bringen. Einige der Nachbarschaft bezeichneten sie schon als Schlampe, Nutte, und sogar Prostituierte. Ich habe mich zu Grund und Boden geschämt. Na ja, es hat mich auf jeden Fall fertig gemacht, also dachte ich das Rauchen die Lösung dazu wäre. Natürlich ein verdammter Schwachsinn. Aber zu diesem Zeitpunkt schien es mir das Einzige zu sein, das mich irgendwie... besänftigen könnte. Stell du dir mal vor, wie du alleine mit 11 Jahren an der Türschwelle stehst, und mit ansehen musst, wie deine Mutter sozusagen... vergewaltigt wird.'' Sie nahm noch einmal einen langen Zug von ihrem Stummel, bevor sie ihn auf die Strasse schmiss.

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