- IX -

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Das getrocknete Blut der tiefen Striemen platzte auf und die Wunden fingen wieder an zu bluten. Ein roter Schleier hatte sich auf Aryas Sichtfeld gelegt, da von dem Schnitt auf ihrer Stirn Blut herablief.

Bei jeder Bewegung, die sie auf dem Weg zum neuen Raum machte, brannten ausnahmslos alle Striemen, die die Peitschte hinterlassen hatten. Der Mann, der ihre Ketten hielt, zog immer wieder ruckartig daran und ließ sie aufstöhnen, wenn sich die roten, entzündeten Wunden dehnten. Jeder Schritt war eine Qual, und doch musste sie sich weiter die dunklen Korridore entlang schleppen.

Wenn sie stehen blieb, würden die Ketten sie unaufhaltsam weiterziehen. Wenn sie nach hinten rannte, würde der andere Mann sie abfangen. Wenn sie nach vorne rannte, war dort Durza.

Es war aussichtslos. Arya musste diese Schmerzen ertragen. Und noch viele weitere, die kommen würden.

Nach ungefähr zehn Minuten schweigsamen Laufens durch steinerne Gänge, die alle gleich aussahen, erreichten sie einen Korridor mit nur einer einzigen Tür auf der linken Seite.

Davor blieben Durza und sein Gefolge stehen. Die Tür hatte genauso viele Schlösser wie die letzte, stellte die Elfe fest, als Durza alle aufschloss und sie Aryas neue Folterkammer betraten.

Der Raum war ganz leer, bis auf einen großen, länglichen Steinblock in der Mitte, mit einigen dicken Metallringen, auf den Arya nun zugeführt wurde. Die Wände bestanden aus dem gleichen, dunklen Stein, wie alle anderen Räume und die Korridore und in hölzernen Haltern brannten Fackeln, die den Raum mit orangerotem Licht spärlich erhellten.

Als die beiden Männer mit Arya neben dem Steinblock standen, packte einer von ihnen einfach von hinten ihre Beine und zog sie unter ihrem Körper weg. Schmerzhaft landete sie auf dem Steinboden, da sie sich dank ihrer Fesseln nicht richtig abfangen konnte.

Abermals protestierten ihre Wunden und ihr entfuhr ein Keuchen, das jedoch von niemandem beachtet wurde. Der Mann mit den Ketten, die zu ihrem Hals und Handgelenken führten, gab diese Durza und packte Arya von hinten unter den Armen, während der andere ihre Fußgelenke anhob.

Zusammen legten sie Arya auf dem Bauch auf den Steinblock, die keine Möglichkeit hatte sich zu wehren, außer, sich wie eine Schlange zu winden, was aber ungefähr so viel brachte, wie wenn sie die Männer freundlich darum gebeten hätte, sie loszulassen.

Jetzt lag sie bäuchlings auf dem kalten Stein, die Arme unter dem Körper verklemmt und einer von Galbatorix' Sklaven hielt ihre Beine fest, während der andere die Ringe um ihre Fußgelenke und Oberschenkel schloss. Danach kamen sie zu ihrem Oberkörper. Während der eine Mann sie an den Schultern hochhielt, löste sein Begleiter die Handfesseln und zog die Arme unter dem Körper hervor. Sobald er Arya loslies, versuchte sie sich aufzustemmen, aber sie wurde von kräftigen Armen mühelos wieder hinuntergedrückt, und ihr Oberkörper mit einem weiteren Ring befestigt.

Er lag so eng an, dass sie kaum atmen konnte. Sie war jetzt nur noch fähig, den Kopf und die Arme zu heben, aber die Handgelenke und Oberarme wurden ebenso schnell an den Stein gepresst wie zuvor die Beine.

Nun war es nur noch der Kopf, den sie bewegen konnte, doch sie zweifelte nicht, dass die Männer das in Sekundenschnelle beheben würden.

Ihre offensichtliche Vermutung bewahrheitete sich, noch bevor sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte. Aryas Kopf wurde nach links gedreht auf den Stein gepresst und an der Stirn mit einem Lederband befestigt.

Erst jetzt wurde das Halsband entfernt, aber sogleich durch einen weiteren Eisenring ersetzt. Sie konnte sich keinen Millimeter mehr rühren.

Na ja, nicht ganz. Ihre Fingerspitzen und Zehen konnte sie noch bewegen. Das würde ihr sicher beim Ausbruch helfen...

Ihr plötzlicher Ausbruch in Humor wurde abrupt durch Durzas Stimme unterbrochen: ,,Gut. Ihr könnt jetzt gehen. Ich möchte noch ein wenig mit ihr ... allein sein."

Trotz der eigentlich harmlosen Wörter bekam Arya Gänsehaut. Sie konnte Durza nicht sehen, er stand rechts von ihr und sie konnte nur nach links blicken. Jedoch hörte sie das widerliche Grinsen auch aus seiner Stimme heraus.

Arya musste ihn auch nicht sehen, um zu wissen, dass er eine neue Folter für sie bereit hielt.

Als die Männer den Raum verlassen hatten, blieb Durza immer noch auf der Seite, auf der sie ihn nicht sehen konnte. Sie vernahm ein leises, schleifendes Geräusch, als würde ein Messer geschliffen werden.

Danach war es wieder still. Durza musste wohl reglos neben ihr stehen. Und plötzlich spürte sie kaltes Metall auf ihrem Rücken, das ihre Haut mühelos durchdrang.

Durza hatte etwa bei der Mitte ihres Rückens angefangen und zog das Messer jetzt quer über ihren Rücken zu ihrer linken Schulter. Die Kälte des Dolchs war schlimmer, als der Schnitt selbst.

Die Wunde war nicht tief, im Gegensatz zu den Striemen auf der Vorderseite ihres Körpers. Diese hatten nun auch begonnen, noch stärker zu schmerzen, da sie direkt darauf lag.

,,Kleiner Vorgeschmack.", durchbrach Durzas süßgestellte Stimme die Stille. Arya sagte nichts. Das Schlimmste für sie war, dass sie nicht wusste wo und wann der nächste Schmerz kam. Sie konnte nur die Wand anstarren.

Und darauf warten, dass Durza ihre Haut aufschlitzte.

Der nächste Schnitt kam unerwartet und war gekreuzt zum ersten, außerdem tiefer. Der dritte war nicht tiefer, aber länger. Vom linken Oberschenkel ganz oben, über die Kniekehle, bis zur Wade.

Dann spürte Arya eine Flüssigkeit knapp über ihrem Po auf ihre dort noch unversehrte Haut tropfen. Genau da, wo kurz darauf das Messer eine weitere Wunde hinterließ.

Es war ihr eigenes Blut, das auf sie herabgetropft war. Ihr wurde übel.

Allein die Tatsache, dass so viel von ihrem Blut an diesem Messer war, dass es tropfte, war übelkeitserregend für Arya. Sie hatte seit einem knappen Jahrhundert nicht mehr Blut verloren, als bei einem gelegentlichen kleinen Kratzer, den sie sich an einem spitzen Ast oder einem Dorn zugezogen hatte. Sie selbst wusste nicht, warum es sie so erschreckte, aber sie konnte nichts dagegen tun.

Durza waren ihre Gefühle wohl nicht entgangen, denn er sagte: ,,Unangenehm, nicht? Ich frage mich, wie es wohl ist. Gefangen sein. Ich war noch nie gefangen. Und werde es wohl auch nie sein. Das würde niemand schaffen."

Er lachte, wie er immer lachte. Doch diesmal blieb Arya stark und schaffte es, trotz ihrer tiefsitzenden Angst, einen verächtlichen Ton zustande zu bringen, als sie genug Luft in ihre Lungen brachte und Durza antwortete: ,,Du bist mehr gefangen als ich es gerade bin. Du kannst dich zwar frei bewegen, aber du wirst dein ganzes Leben lang Galbatorix dienen. Niemals wirst du eigenen Entscheidungen treffen können. Du wirst immer in Galbatorix' Hand sein."

Sie spürte warmen Atem auf ihrem Ohr, der einige schwarze Haare auf ihrem Kopf zum Zittern brachte und hörte eine bittersüße Stimme, die ihr ins Ohr flüsterte: ,,Und wer sagt, dass du das nicht auch bald tun wirst?"

Eragon - Aryas GefangenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt