Die nächsten Stunden verbrachte Arya nur halb bei Bewusstsein. Sie fühlte sich, als wäre ihr die Haut am Rücken abgezogen worden.
Sie hörte wieder ein leises Tropfen, wie schon im anderen Raum. Leise, nervig.
Sie wusste sehr wohl, was das war. Und zwar kein Wasser, was da von ihrem Steinblock tropfte.Sie wurde allmählich wieder müde. Wahrscheinlich kam das vom Gift.
Arya kam es vor als wäre nicht viel Zeit vergangen, als Thom hereinkam und ihr Essen gab. Wahrscheinlich war sie doch zwischendurch in die Bewusstlosigkeit übergegangen.
Trinken erwies sich als problematisch, da ihr Kopf auf der Seite lag, doch schließlich hatten sie eine Möglichkeit gefunden. Arya öffnete den Mund und Thom goss etwas Wasser hinein, das sie dann Schluck für Schluck trank. Wieder schmeckte das Wasser süßlich.
A
ls sie ihr karges Mal beendet hatte, sah Thom fast aus, als hätte er Mitleid mit ihr. Sachte berührte er sie am Rücken, aber als Arya daraufhin schmerzerfüllt die Luft einsog, verließ er schnell den Raum.
Nach dem Essen ging es ihr besser. Ihr Kopf konnte wieder etwas anderes denken oder fühlen als Schmerz und sie schaffte sogar, ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Zumindest glaubte sie, dass es Stunden waren. Sie hatte keinerlei Zeitgefühl mehr. Es konnten auch nur Minuten gewesen sein.
Was Arya aber wusste, war, dass sie viel Zeit in Stille verbracht hatte. Sie hatte sich, um sich von dem Schmerz abzulenken, vorgestellt, wie das Drachenküken aussehen würde, wenn es jemals schlüpfen würde. Das klappte ganz gut.
Sie malte sich aus, wie die blauen Schuppen in der Sonne glitzern würden, wenn der Drache in der Luft ein paar Rollen machte.
Irgendwann musste sie wohl wieder eingeschlafen sein, denn Thom weckte sie als er ihr Frühstück brachte. Zumindest glaubte sie, dass es Frühstück war.
Sie aß und trank wie schon bei der letzten Mahlzeit und Thom ging wieder, ohne ein Wort mit ihr gewechselt und ohne sie wieder berührt zu haben.
Irgendwie war sie traurig darüber. Der einzige der mit ihr sprach, war Durza.
Der würde auch ihr nächster Besucher sein.*
Tatsächlich kam der Schatten in ihre Folterkammer, als sich die Tür zum nächsten Mal öffnete. ,,Guten Morgen, Gefangene. Der heutige Tag wird großartig!"
Durza war gut gelaunt. Das hieß nichts Gutes. ,,Was machst du denn für ein Gesicht? Sei doch fröhlich. Willst du mir vielleicht jetzt verraten, was ich wissen will? Wäre besser für dich."
Arya sagte nichts. Durza schien sie aber wohl verstanden zu haben: ,,Das ist schön. Wäre doch schade, wenn mein Spaß so schnell vorbei wäre, oder? Nein, das wollen wir nicht. Also, fangen wir an."
Er stellte sich wieder auf die Seite, die Arya nicht sehen konnte und betastete ihren Rücken. Anders als Thom ging er rücksichtslos vor und drückte einfach auf ein paar der tiefen Wunden, die prompt wieder zu bluten anfingen.
,,Was haben wir denn hier... Ja, das Blut ist getrocknet und hat die Wunden vorläufig geschlossen. Das wollen wir aber nicht so lassen, oder? Jetzt kann ich sie wieder aufschneiden." Er freute sich tatsächlich. Auf eine grausame, widerwärtige Art.
Arya sagte wieder nichts, aber Durza schien auch nichts weiter zu erwarten.
Er begann wie tags zuvor, ihre Haut aufzuschneiden.In der gleichen Reihenfolge.
Der Schnitt über Aryas linke, obere Rückenhälfte, dann der gekreuzt dazu.
Es war alles tausendmal schlimmer als am Vortag. Durza schnitt genauso tief und genauso lang. Nur eben schon zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit.
Dann kam der Schnitt auf dem Bein, wieder genauso tief und genauso lang. Nur in der Kniekehle setzte er diesmal kurz ab.
Ein schwacher Trost.
Schon standen wieder Schweißperlen auf Aryas Stirn und sie keuchte, als wäre sie gerannt. Durza begann, sie zu fragen.
,,Wo leben die Elfen?"
Nach jeder Frage und jedem Schweigen von Arya öffnete er weitere Wunden, und das Blut lief über Aryas Hüften auf den Steinblock und sammelte sich auf den Boden. Man hörte Durzas Schuhe darin platschen, wenn er einen Schritt nach links oder rechts ging.
Irgendwann, etwa bei der Hälfte der Schnitte und nach vielen Fragen, die von Arya alle mit Schweigen beantwortet wurden, tauchte Durza seinen Finger in eine Blutpfütze am Boden. Er hielt den Finger über Aryas Wange und bestrich sie mit ihrem eigenen Blut.
Arya konnte es schon länger riechen. Diesen typischen, metallischen Geruch.
Und jetzt konnte sie es auch noch fühlen. Heiß und klebrig.Durza machte weiter, doch er fragte sie nicht mehr. Er erzählte. Mit leiser, vertraulicher Stimme.
,,Weißt du, es war nicht schwer deinen Freund zu töten. Er war so selbstverliebt wie alle deines Volkes. Der Hinterhalt hat so viel Planung gebraucht... Dabei hätte es einfach gereicht wenn ich dich vom Pferd gezogen und mitgenommen hätte. Sie hätten nichts dagegen tun können."
In diesem Moment bohrte sich ein gedanklicher Dolch in Aryas Geist, so unerwartet, dass sie nicht mehr an sich halten konnte.Zum ersten Mal schrie sie.
Der Angriff kam so plötzlich und stark, dass er ihren mächtigen Schutzwall im ihren Geist einfach niederriss, als wäre er ein Seidenvorhang.
Doch zu Aryas Überraschung blieb es bei diesem einen Vorstoß. Der Dolch zog sich wieder zurück, sie konnte ihren Geist wieder schützen und Durza fing an zu sprechen.
,,Fäolin hätte nicht sterben müssen. Aber Brom hat mir keine Wahl gelassen. Brom war schuld an seinem Tod. Er hat das Ei gestohlen und mich so dazu gezwungen, es mir zurückzuholen. Ohne ihn wärst du jetzt geborgen in deiner Elfenstadt. Du musst dich rächen!'' Seine Stimme war süß und freundlich, doch Arya ließ sich nicht täuschen.
,,Und was wäre eine bessere Rache, als mir zu sagen, wo das Ei ist? Damit seine ganze Arbeit umsonst wäre. Willst du das nicht auch? Dich bei ihm für deinen besten Freund rächen? Fäolin?"
Durza machte eine Pause. Während er gesprochen hatte, hatte er wieder und wieder die dünne, neue Haut über den Wunden aufgeschlitzt. Er war jetzt fast am Ende. Nur noch der zwischen Aryas Schulterblättern fehlte.Das holte er jetzt nach, mit einem langsameren Schnitt, als alle anderen davor.
Langsamer. Genüsslicher.
,,Aber lass dir ruhig Zeit. Ich habe Zeit. Ich kann warten." Er ließ das Messer wieder aus der Haut gleiten und richtete sich auf.
,,Aber ich weiß nicht, ob du das noch länger kannst..." Und mit diesen Worten verließ er den Raum, was Arya aber nicht mehr mitbekam. Spätestens bei dem letzten Schnitt war sie in Ohnmacht gefallen.

DU LIEST GERADE
Eragon - Aryas Gefangenschaft
FanfictionEine Elfe. Ein Schatten. Unzählige Qualen. Wenn dein größter Wunsch ist, zu sterben. [Die Gefangenschaft Aryas aus ihrer Sicht] 1K ✔ 3K ✔ 5K ✔ 7K ✔ (12.6.20) 10K ✔ (18.10.20) [WIRD ÜBERARBEITET]