VIIL. Ein Funke Hoffnung

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Das Kapitel ist ein bisschen kürzer, aber hier muss nun mal ein Kapitelende sein. Ihr werdet sehen, warum. Viel Spaß!

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Benommen öffnete Arya die Augen. Sobald ihr Gehirn wieder arbeitete, wurden auch die Schmerzen wieder aktiv. Jede einzelne Faser ihres Körper tat weh.

Sie musste in einem anderen Raum sein. Wahrscheinlich hatten die Soldaten sie verlegt, während sie bewusstlos gewesen war. Oder ihre Erinnerungen ließen sie im Stich. Auch das war in diesen Zeiten nicht auszuschließen.

Komisch war nur, dass sie scheinbar nicht angekettet war. Nirgends spürte sie Metall, und sie lag zusammengekrümmt auf dem Boden. Einige dünne Rinnsale warmen Blutes liefen ihren Körper hinab und sammelten sich auf dem Boden.

Arya setzte sich langsam auf und konnte nur mühsam das Gleichgewicht halten. Sobald sie ihren Kopf bewegte, begann alles, sich zu drehen. Vorsichtig sah sie sich um, mit möglichst wenig Bewegung.

Durch ein kleines Fenster kam spärliches Licht in die Zelle. Dem rötlichen Ton zu schließen musste die Sonne gerade auf- oder untergehen. Der Raum war klein und quadratisch, die Tür wie immer aus grauem Metall.

Tatsächlich war Arya nicht angebunden, sie konnte sich frei bewegen. 'Frei', innerhalb dieser kleinen Zelle. Hier war sie noch nie bewusst gewesen, sie konnte sich zumindest nicht daran erinnern.

Die Zellen sahen ja doch alle gleich aus. Aber irgendetwas hier war anders. Nicht der Raum, sondern etwas in Aryas Bauchgefühl. Es war kein schlechtes Gefühl.

Dieses Etwas, das Arya stutzig werden ließ, entfachte auch einen Funken Hoffnung in ihr. Einen kleinen, klitzekleinen Funken, der doch besser war als nichts.

Ohne es wahrzunehmen, hatte sie sich auf den kühlen Boden gelegt, mit von sich gestreckten Gliedmaßen. Aryas linke Ferse lag in inzwischen kühlem Blut, dass gerade noch über ihren Körper gelaufen war.

Lange blieb sie so liegen, immer mit dem seltsamen Gefühl. Es wurde dunkler und dunkler, der Mond kam nur zeitweise hinter den Wolken hervor.

In Aryas Kopf begannen Theorien zu entstehen, hoffnungsvolle und erschreckende, grausame und rettende. Vielleicht war sie ja hier in diesem Raum schon in Uru'bâen, und Galbatorix würde bald hier auftauchen um sie endlich zu brechen.

Oder Durza brauchte sie nicht mehr. Das war zwar die gnädigste und am Besten zu glaubende Theorie, doch eigentlich wusste Arya, dass dies unmöglich war.

Trotzdem konnte sie den Gedanken nicht mehr loswerden. Es wäre zu schön um war zu sein. Obwohl es keine Erklärung für dieses geheimnisvolle Gefühl wäre, das Arya einfach nicht deuten konnte.

Draußen war es windstill und eine laue Nacht. Arya fror nicht. Die Wolken bedeckten nahezu den kompletten Himmel und hielten die Wärme des Tages.

Arya hatte sich kein Stückchen bewegt, wahrscheinlich schon für viele Stunden. Moment. Viele Stunden? Seit wann durfte sie sich so lange nicht bewegen, seit wann gönnte Durza ihr eine längere Pause als ein bis zwei Stunden?

Nur eine Erklärung machte sich in Aryas Kopf breit, eine, die sie einfach nicht wahrhaben wollte. Sie war in Uru'bâen und Durza war nicht mitgenommen. Dann würde wohl bald Galbatorix auftauchen und sie ihm unterwerfen, oder sie würde zu ihm gebracht werden.

Gerade fiel ein Mondstrahl auf Aryas ausdrucksloses Gesicht, als dieses Gefühl, das sie schon seit dem Aufwachen verspürte, sich um ein Vielfaches verstärkte.

Mühsam kam sie auf die Beine. Es war so weit. Galbatorix würde sie brechen. Sollte es wirklich so enden? Hatte sie diese ganze unerträgliche Zeit unter der Folter von Durza ausgehalten, um jetzt qualvoll im Geiste unterworfen zu werden?

Arya schaffte es, mit erhobenem Kopf stehen zu bleiben. Egal was komme, sie würde nicht kampflos aufgeben. Und wenn sie gleich vor dem König stände.

Der Schlüssel im Schloss der Zellentür. Nein, nicht der richtige. Es wurden mindestens ein halbes Dutzend Schlüssel versucht in das Schlüsselloch zu stecken. Egal, was das zu bedeuten hatte, jetzt drehte sich der richtige Schlüssel im Schloss.

Langsam. Dann, ebenso langsam, wurde die Tür geöffnet. Es war kein König, es war kein Schatten. Auch kein Soldat. Vor Arya stand ein sehr junger Mann, der keine Waffen bei sich trug und sie wohl kaum geistlich unterwerfen konnte.

Und plötzlich kam die Erkenntnis. Dieses Gefühl. Arya kannte es. Der kleine Funke Hoffnung vergrößerte sich plötzlich, verbrannte sogar einen Teil der Schmerzen.

Wenn ihr Geist nicht komplett zerstört war, dann war Arya sich eigentlich sicher, den geheimnisvollen Beobachter vor sich stehen zu haben.

Das war ihre einzige Hoffnung. Wenn überhaupt jemand eine Chance hatte, sie aus diesen Verliesen mit freiem Geist zu befreien, dann nur zwei Lebewesen in ganz Alagaesia.

Zum einen Aryas Mutter, die Königin der Elfen. Die würde aber wohl kaum für Arya einen Fuß aus den Wald setzen.

Zum anderen dieser junge Mensch, der zum ersten Mal seit so langer Zeit einen Hoffnungsfunken in Arya entfachen konnte.

Einer plötzlichen Eingebung folgend, versetzte Arya sich in den tiefen, tiefen Elfenschlaf. Der Hoffnungsfunke war inzwischen eine kleine Flamme, die in Aryas Herzen brannte.

Sollte sie jemals aus diesen Verliesen entkommen können, dann jetzt, dann durch diesen Menschen. Früher hätte sie niemals einem Fremden so vertraut, aber in ihrer Situation musste sie wohl ein wenig anders denken als sonst.

Und so kam es, dass Aryas Beine zitterte und sie schließlich zusammenbrach. Jetzt konnte sie nichts mehr sehen, aber sie spürte verschwommen, wie ihre äußere Hülle bewegt wurde.

Vielleicht. Vielleicht würde es endlich ein Ende haben. Nicht nur vielleicht. Einem oder zwei dieser vier Punkte musste sie nun wohl Lebewohl sagen:

Der Folter, den freien Gedanken, den Kerkern, der Hoffnung.

Arya konnte nicht in Worte fassen, wie sehr sie auf Ersteres hoffte.

Eragon - Aryas GefangenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt