Den restlichen Tag und die Nacht verschlief Arya. Sie träumte von einer grasigen Ebene, auf der Nebel herumwaberte und seltsame Formen bildete. Immer wieder hörte sie Fäolin rufen, doch jedes Mal schien seine Stimme aus einer anderen Richtung zu kommen und Arya konnte ihn einfach nicht finden.
Der Nebel wurde langsam dunkler, düsterer, verschluckte alles, auch das Gras, auf dem Arya stand. Bis alles in Schwarz getaucht war und sie in einen traumlosen Schlaf hinüber glitt.
Irgendwann in den frühen Morgenstunden wachte sie immer noch müde, schlapp, durstig und mit einem seltsamen Gefühl auf. Es war, als hätte jemand sie lange angestarrt, während sie geschlafen hatte. Außerdem bemerkte sie, dass zwei Tränen den Weg über ihre Backen gefunden hatten. Schnell trocknete sie diese. Selbst wenn niemand in ihre Zelle kommen würde, es war ihr trotz ihrer Hoffnungslosigleit und Trauer peinlich, schon wieder so schwach geworden zu sein.
Das Gefühl ließ Arya den ganzen Tag nicht los, übertönte manchmal sogar ihre Gedanken an den Tod, und sie fragte sich, ob jemand die Tür geöffnet und sie angestarrte hatte, ob es einen anderen Punkt in diesen Raum gab, von dem sie beobachtet werden konnte oder ob sie einfach nur den Verstand verloren hatte.
Eigentlich tippte Arya auf letzteres. Vielleicht war sie so einsam, dass sie sich potenzielle Retter einfach einbildete. Denn genau das hatte sie unbewusst getan. Wenn jemand wusste, wo sie war und wie es ihr ging, würde derjenige doch sicherlich kommen und sie befreien.
Wenn es jemanden interessierte.
Wenn jemand existierte.
Wenn derjenige nicht schon auf der Seite von Galbatorix stand.
So viele wenns.
Während Arya grübelte, hatte sie sich den Krug ergattert. Er war diesmal etwas voller, gute zwei Drittel waren gefüllt. Trotz ihres zehrenden Durstes trank sie nur etwas mehr als die Hälfte. Zwischen durch zwang sie sich, das alte sowie das neue Stück Brot zu essen.
Es brachte erbärmlich wenig gegen Hunger und Durst.
Den Rest des Wassers ließ sie in kleinen Tropfen in die kleine Höhle fließen, die sie vor dem Kraftstoß ausgeschlagen hatte.
Es sah nicht so aus, als würde es allzu viel bringen, aber für Aryas Gewissen war es gut, wenigstens irgendetwas zu versuchen. Und wenn die Wahrscheinlichkeit auf einen Ausbruch noch so klein war.
Nachdem das ganze Wasser verschwunden war, stellte sie den Krug wieder irgendwo in die Nähe der Tür und rollte sich auf dem Steinboden zusammen.
Ihre Wunden begannen langsam zu heilen, doch die meisten waren entzündet und schmerzten bei jeder Bewegung. Mit den Fingerspitzen streichelte Arya über ihren Bauch, ihre Beine, ihr Gesicht. Sie spürte jede einzelne Wunde, jeden Peitschenhieb, jeden Messerschnitt, jeden Kratzer vom Hinfallen hier in diesem Raum. Jedes Mal spürte sie den Schmerz, sah sein Grinsen, hörte sein Lachen, verachtete seinen Spaß.
Von draußen vor dem Fenster, von der Welt, drang zum ersten Mal seit Arya hier war ein Geräusch zu ihr. Zuerst ein Zischen, dann den kehligen, lauten, qualvollen Schrei eines Mannes. Arya war sofort klar, was draußen passierte. Zu oft hatte sie dieses Geräusch selbst gehört. Zu oft hatte sie den Schmerz der Peitsche auf der Haut selbst gespürt.
Dort wurde ein Mann ausgepeitscht, begleitet von Jubelrufen und Applaus des Publikums bei jedem Schrei. Arya wurde übel und sie legte ihre Hand auf ihr Ohr. Das andere drückte sie fest gegen den Steinboden, in der Hoffnung, die Geräusche ausblenden zu können. Der Boden war angenehm kühl auf ihrer Haut und sie spürte das Relief, jede Erhebung und jede Mulde.
Wie gerne würde sie jetzt darin versinken, alle Sorgen und Schmerzen in der Zelle über ihr lassen und einfach so kalt und unantastbar werden wie der Stein. Die Schreie, das Monster namens Durza zurücklassen.
Monster.
Warum erinnerte sie sich gerade jetzt daran? Ihr Vater hatte sie immer aus Spaß als kleines Monsterchen bezeichnet. Musste diese friedliche Kindheitserinnerung jetzt mit diesem Moment, diesem Ort, diesen Gefühlen verbunden sein?
Zitternd schloss Arya die Augen. Schon wieder bahnte sich eine glitzernde Träne ihren Weg durch das dreckige Gesicht und in die verfilzten Haare und tropfte leise auf den Stein.

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Eragon - Aryas Gefangenschaft
FanficEine Elfe. Ein Schatten. Unzählige Qualen. Wenn dein größter Wunsch ist, zu sterben. [Die Gefangenschaft Aryas aus ihrer Sicht] 1K ✔ 3K ✔ 5K ✔ 7K ✔ (12.6.20) 10K ✔ (18.10.20) [WIRD ÜBERARBEITET]