XXX. Neuer Raum

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Als Arya wieder zu sich kam, hing sie nicht mehr gefesselt von der Decke. Sie lag zusammengekrümmt auf dem Boden, um sie herum eine Blutlache.
Sie wagte nicht, den Kopf zu heben. Nicht einmal einen Finger zu krümmen.
Wie war sie hier her gekommen?
Das letzte was sie wusste, war, wie Durza sie beleidigte. Was war danach passiert? Keine Erinnerung, kein Gefühl, nichts, was sie mit dem Geschehenen verbinden konnte.
Aber es musste etwas passiert sein. Arya fühlte sich ... klar. Ihr Verstand war seit einigen Tagen immer getrübt gewesen, jetzt konnte sie klar denken und alles so genau sehen wie eh und je.
Außerdem hatte sie eine Gewissheit. Sie musste durchhalten. Weder woher diese kam, noch wer es ihr eingetrichtert hatte wusste Arya, nur, sie war vorhanden. Und wichtig.
Vorsichtig sah Arya sich um, so weit, wie es ohne den Kopf zu bewegen ging. Sie lag in einem, wie es schien, Turmzimmer. Es war rund, mit hoher Decke und rauen Wänden. Zumindest ein kleines Fenster musste irgendwo hinter ihr sein, denn vor ihr war ein Flecken Sonnenlicht. Hinter diesem Flecken war eine Eisentür, ohne Gitter und fest verschlossen. Ihre Handgelenke waren mit dicken Eisenringen umschlossen, die jedoch mit keiner Kette verbunden waren.
Vorsichtig versuchte sie, den Kopf zu heben. Sofort explodierte der Schmerz in allem vom Brustkorb aufwärts. Keuchend legte sie den Kopf wieder in seine ursprüngliche Position am Boden.
Als nächstes versuchte sie den Arm zu beugen. Er war steif, von halb getrocknetem Blut an diese Position gebunden, doch Arya ignorierte dies und legte die Hand auf ihren Bauch. Der Schmerz war vorhanden, doch ertragbar. Weit schlimmer war das Gefühl der Hand darauf. Sie war abgemagert. Und heiß und klebrig am Bauch.
Angewidert legte sie die Hand wieder auf den den angenehm kühlen Steinboden. Sie atmete noch einmal tief durch, dann biss sie die Zähne zusammen und setzte sich auf. Die Schmerzen waren kaum auszuhalten. Alles verschwamm vor ihren Augen und sie musste sich mit der Hand abstützen, um nicht umzukippen.
Sobald sie wieder still saß, vergingen die Schmerzen und ihre Sicht wurde wieder klarer, doch sie keuchte stark.
Jetzt stellte sie auch fest, dass um ihren Knöchel ein dicker Eisenring geschlossen war, der mit einer Kette an der Wand befestigt war.
Sonst war der Raum komplett leer. Die Decke war hoch, das Fenster vergittert und auf etwa drei Metern Höhe. Keine Fluchtmöglichkeit.
Die Luft roch angenehm, ein wenig süßlich, auch wenn ein penetranter Blutgeruch vorhanden war.
Vorsichtig versuchte Arya aufzustehen, doch sobald sie sich weiter erhob als auf die Knie, wurde ihr schwindlig, alles drehte sich und sie fiel auf die Seite. Ihre Schulter fing prompt wieder an zu bluten und zu pochen.
Mühsam kroch sie zur nächsten Wand, die Kette klirrend hinter sich herziehend. An der Steinwand stützte sie sich ab und lehnte sich keuchend dagegen.
Zum ersten Mal seit langem betrachtete sie ihren Körper.
Sie sah schrecklich aus.
Es gab keine schöneren Worte dafür, auch nichts anderes. Einfach nur schrecklich.
Ihre komplette Haut war aufgeschnitten und verbrannt, nur an kleinen, sehr vereinzelten Flecken konnte man ein wenig reine Haut sehen. An vielen Stellen war schwarzes, verbrannten Fleisch zu sehen, welches sich langsam entzündete. An den älteren Wunden hatte sich eine dünne Kruste gebildet, die immer wieder von neuem Blut bedeckt worden, und so hart und steif geworden war.
Keine Muskeln waren mehr an ihren Beinen und ihre Rippen konnte sie zählen. Sobald sie etwas Gewicht auf ihre Arme stützte, begannen sie zu zittern wie Espenlaub und Arya wurde schwindelig.
Ihr war übel. Sie hatte sich den Anblick ihres Körpers schlimm vorgestellt, doch so erschreckend?
Fast alle Wunden hatten sich entzündet und eiterten, nur die, die von Dutzenden Blutschichten bedeckt waren und so das Austreten des Eiters verhinderten, war nichts gelbliches zu sehen.
Halbherzig zog Arya an der Kette an der Wand. Sie wusste, dass sie Fluchtpläne schmieden musste. Jetzt, wo niemand da war und sie nicht übertrieben gefesselt war.
Wenn sie nur nicht so ... so müde wäre. Und durstig. Sie gähnte und fuhr sich mit der Zunge über die aufgesprungenen Lippen.
Es war schön, zu sitzen.
Sie war schon lange nicht mehr gesessen.
Langsam, durch den süßlichen Geruch benebelt, dämmerte sie in einen unruhigen, fiebrigen Halbschlaf, der mit Träumen voller glühender Messer und nach Hilfe schreiender Jonathans erfüllt war.

Eragon - Aryas GefangenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt