123. Überall Silber

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Ace's Arme lagen warm um mich.
Ich spürte seinen warmen Atem an meinem Nacken und kuschelte mich näher an ihn.
Mit einem Gefühl von Geborgenheit schlief ich ein.

Am nächsten Morgen weckte mich Ace, indem er mir einen Kuss auf die Stirn drückte und leise lachte, als ich mich naserümpfend umwandte.
Ich rieb mir die Augen und blickte ins schier unendliche grün Ace's Augen.
"Morgen." Ein müdes Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
"Guten Morgen." Ace küsste meine Nasenspitzen und stand auf.
Seit wir geredet hatten, fühlte ich mich viel besser.
Ich hatte solche Angst, dass er wütend oder enttäuscht von mir wäre.
Ich setzte mich allmählich auch auf und gähnte.

Nachdem wir gefrühstückt hatten, hatten Marco und Henry die grandiose Idee um See schwimmen zu gehen, natürlich wollten wir mit.
Der See lag, zu unserem Glück, nicht im Revier der Browns, sonst hätte ich es vielleicht nicht ganz so toll gefunden, dort schwimmen zu gehen.
"Okay. In einer halben Stunde, hier. Und trödel nicht wieder so rum, Lucy. " Meckerte Henry und ich streckte ihm beim Treppen hochsteigen die Zunge raus.
Blödmann.
Für den Fall der Fälle hatte ich auch an einen Bikini gedacht.
Er war weiß und das Oberteil hatte Rüschen.
Ich zog mich um und fragte Ace nach einem seiner Pullis, weil ich keine Lust hatte noch eine Jeans anzuziehen. Er ging kopfschüttelnd zum Koffer und reichte mir einen dunkelblauen Pullover der nach ihm roch.
Er war noch komplett angezogen, erfreulicherweise.
Sonst wäre das noch peinlich geworden.
Also warf ich mir einen von Ace's riesigen Pullis über und machte meine Haare zu einem Dutt, damit sie nicht dreckig werden würden.
Weil ich noch zehn Minuten hatte, spielte ich auf meinem Handy herum und langweilte mich.
Ein Klopfen ließ mich aufschrecken.
"Luna, ich geh jetzt los. Bist du fertig?"
Ich sprang auf und legte mein Handy weg.
"Jaja." Rief ich und öffnete die Tür.
Ace schüttelte grinsend den Kopf und ging voran.

Der See schimmerte im Sonnenlicht wie ein Spiegel.
Man sah die Spiegelungen der dunklen Bäume und den klaren Himmel.
Wir legten eine Decke auf das steinige Ufer und begannen uns auszuziehen.
Heimlich beobachtete ich Ace während ich mir den dunkeln Stoff des Pullovers über den Kopf zog.
Meine Wangen wurden ganz warm, als mein Blick auf seinen trainierten, freigelegten Oberkörper fiel.
Oje.
Dagegen war ich mit meiner Sportphobie echt ziemlich mies dran.
Schlank? Schon, aber Muskeln ind Sport? Damit konnte man mich jagen.
Ace ja scheinbar nicht.
Ich schluckte und verschränkte die Arme vor der Brust.
Henry rannte, sobald er nur noch in seiner hellgrünen Badehose war ins Wasser.
Ace kam mit einem Grinsen auf den Lippen zu mir und ich sah ihn fragend an.
Oh nein.
Plötzlich war kein Boden mehr unter meinen Füßen und ich kreischte auf.
Wenige Sekunden später war ich im Wasser.
Ace dieser Kartoffelsack hatte mich tatsächlich ins Wasser geworfen.
Nach Luft schnappend durchbrach ich wieder die Oberfläche.
Nicht sein Ernst.
Ace lachte sich einen ab und klatschte mit Marco ab.
Eine Verschwörung gegen mich?
Das durfte doch wohl nicht wahr sein.
Mit zusammengekniffenen Augen schwamm ich ans Ufer, zu dem schmalen Holzsteg.
Marco kam zur Spitze des langen Gestells und reichte mir seine Hand.
Ich schlug ein und zog dann mit ins Wasser.
Selber schuld.
"Ich wollte ja nur helfen!" Beschwerte sich Marco, als er wieder auftauchte und ich hob eine Augenbraue.
"Sicher." Ace, der Trottel war immernoch trocken, das musste ich dringend ändern.
"Du da. Komm auch rein." Rief ich ihm zu und er nickte schmunzelnd.
Wir machten Platz und er rannte über den Steg und sprang ins Wasser.
Ich schloss meine Augen und tauchte unter.
Als er wieder auftauchen wollte zog ich ihn an seinem Bein nach unten und schwamm dann wieder an die Oberfläche.
"Hey!" Ace schmollte und strich sich die nassen, brauenen Strähnen aus dem Gesicht.

Die letzten Tage, vergangen wie im Flug.
Jetzt war es komisch zwischen mir und Ace.
Nicht so komisch, wie vorher, aber immernoch komisch.
Ich hatte ihn weinen sehen und er mich.
Das war eben ein verdammt merkwürdiges Gefühl jemanden in seinem schwächsten Moment erlebt zu haben.
So etwas hatte ich nie erlebt.
Die Sorgen wegen dem Abkommen, waren deswegen zwar nicht kleiner geworden, aber ich fühlte mich nicht mehr so verzweifelt wie zuvor.
Mit Ace bei mir schien schier alles möglich.

Heute war Dienstag und somit wieder Schule.
Leider.
Ace hatte mir gestern noch geschrieben, dass er heute nicht kommen würde, also war meine Laune dementsprechend schlecht.
Außerdem hatte ich ziemlich schlecht geschlafen und nickte bei dem Vertretungsunterricht beinahe ein.
Kopfschmerzen durften natürlich nicht fehlen.

Als der Tag endlich zuende war lag ich mit Netflix und einer Thunfisch Pizza auf meinem Bett und schaute Haus des Geldes.
Gähnend kaute ich auf dem Teig mit Käse und Belag herum schaltete dann den Laptop aus.

Ein heller Mond strahlte über meinem Kopf.
Vor mir lag silber.
Überall war silber.
Ich stand am Ufer eines schimmernden Sees, aus kühlem Silber, welches sich wie die eisige Nachtluft um meine Haut legte.
Ich watete tiefer in der kalten Flüssigkeit und starrte paralysiert auf die spiegelnde Oberfläche.
Es war nicht mein Spiegelbild, das ich sah.
Da war irgendetwas dunkles.

Immer weiter ging ich bis es mir bis zur Brust stand.
Ich konnte mich noch kaum bewegen.
Diese Finsternis war nur noch etwa zwei Schritte von mir entfernt.
Der Boden war glatt.
Keine Steine.
Wie ein Spiegel.
Um die Dunkelheit färbte sich das silber schwarz.
Es sah aus wie violettes, blaues schimmerndes Metall.
Gelähmt ging ich noch einen Schritt.
Das Silber überzog nun meine Lippen.
Ich war fast da.
Mit letzter Kraft hob ich mein Bein und stellte es direkt ins dunkle Funkeln.

Plötzlich der Spiegel unter mir und jeder Teil meines Körpers war mit Silber bedeckt.
Ich konnte nicht mehr atmen, mich nicht bewegen.
Es war als wäre das Metall um mich erstarrt.
Meine Augen waren offen, schließen konnte ich sie nicht.
Alles was ich sah war ein grelles Glänzen.
Dann begann sich das Bild zu verändern.

Ich sah Wölfe.
Braune und pechschwarze.
Sie fletschten die Zähne.
Krallen in der Luft.
Dann sah ich ihn.
Grüne Augen.
Er kämpfte gegen zwei Wölfe, die sich in sein Fell bissen und ihn mit ihren Krallen streiften.
Ich wollte zu ihm rennen, aber das Silber hielt mich.
Er erwischte den einen Wolf am Hals, sodass dieser zu Boden fiel.
Der andere jedoch biss immeg weiter auf ihn ein.
Ich riss den Mund auf und wollte schreien.
Das Silber war an meinem Gesicht auf einmal wieder flüssig.
Das Silber drang in meinen Mund.
In meine Nase, es war überall.
Tränen auf meinen Wangen.
Das schwarze Metall kam näher schmiegte sich an neuen Züge.

Ich war nutzlos.




•Moonnight•✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt