♡Kapitel 62♡

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Als ich aufwachte, lag ich immer noch in seinen warmen Armen. Sofort schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen, er sah so ruhig und zufrieden im Schlaf aus. Und so wunderschön. Vorsichtig und bedacht darauf, ihn nicht zu wecken, strich ich über sein Gesicht und stand dann auf. Erst hatte ich Angst, dass ich ihn damit weckte, doch er drehte sich einfach murrend zur Seite. Erst einmal sollte ich mich anziehen und unten aufräumen.

Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass es schon zwei Uhr war. Hoffentlich war meine Familie noch nicht Zuhause. Schnell schlüpfte ich in eine frische Boxershorts, eine dunkelgraue Jogginghose und einen viel zu großen Pullover, den ich mal von Micha geklaut hatte.

Zu meinem Glück erblickte ich niemanden, als ich die Treppe runterhüpfte. Nur ein einziges Chaos. Wie es aussah, hatten Wir es ziemlich wild getrieben, das hatte ich schon an meinem Zimmer erkannt. Und an dem leichten, aber ertragbaren Schmerz in meiner Hüfte. Trotzdem war es fantastisch gewesen. Die Kissen lagen im ganzen Wohnzimmer verteilt rum, auf dem Tisch war noch das gebrauchte Kondom. Schnell band ich es zusammen und schmiss es in den Mü11.Auch die Reste vom Gleitgel und etwas Sperma von Boden entfernte ich. Da war ja noch was gewesen... danach sollte ich unbedingt duschen gehen.

Innerhalb weniger Minuten hatte ich so weit aufgeräumt, dass man nicht erkannte, dass wir hier Sex gehabt hatten. Dann viel mir wieder das Tagebuch ein. Solange Micha noch schlief, sollte ich es mir unbedingt ansehen. Ich sah verschwörerisch und geheimnisvoll zur Treppe, wie erwartet stand dort niemand. Aufgeregt riss ich das hübsche Papier runter und öffnete es bedacht langsam. Das Papier schien wohl etwas älter zu sein. Auf der ersten Seite war eine Zeichnung von einem Mops mit einem violetten Zylinder, es sah wirklich niedlich aus. Er konnte wirklich gut malen, das musste ich zugeben. Ich blätterte um und fing an zu lesen.

3. Mai 2007. Ich habe noch nie Tagebuch geschrieben und eigentlich ist das ja auch etwas für Mädchen, aber ich habe das Gefühl, michjemandem anvertrauen zu müssen, der nicht gleich über mich urteilt. Ich habe angefangen, nach meinem Vater zu suchen. Auf Mama kann ich mich nicht verlassen, wenn es um Informationen um ihn geht, aber ich muss es einfach wissen. Ich muss wissen, wer er ist.

Ich verstand zu gut, wie er sich gefühlt hatte. Zu dem Zeitpunkt hätte er etwa 12 Jahre alt gewesen sein müssen. Schließlich hatte ich meinen Vater das letzte mal vor dreizehn Jahren gesehen. Meine Mutter hatte sich dann einige Male noch heimlich mit ihm getroffen, dabei waren wohl meine jüngsten Geschwister entstanden.

16. Januar 2008. Ich habe das mit der Suche aufgegeben, er scheint unaufindbar zu sein. Oder ich bin einfach zu blöd, weiß nicht. Wahrscheinlich letzteres. Chessie ist in letzter Zeit immer weniger Zuhause, meine Mutter hat angefangen zu trinken und distanziert sich immer mehr von uns. Ich fühle mich einsam, Freunde hin oder her. Außer Manu ist sowieso niemand von denen für mich da. Er ist und bleibt für immer mein bester Freund, außerdem ist er so cool! Egal wie scheiße die Situation ist, er bleibt immer gelassen. Aber seit er seinen Eltern gebeichtet hat, dass er schwul ist, scheint er sehr bedrückt, weil sie nicht gut reagiert haben. Anscheinend hat ihn sein Vater geschlagen, er hatte auf jeden Fall ein blauen Auge und eine aufgeplatzte Lippe. Natürlich hat er nicht geweint und hat sich nichts anmerken lassen, aber ich merke das.

5. juli 2009. Mama ist ins Krankenhaus gekommen, weil sie zusammengebrochen ist. Scheiß Alkohol. Ich hasse es so sehr, dass sie trinkt, immer mehr, immer öfter, immer unkontrollierter. Es lässt mich so hilflos fühlen. Meine Schwester macht auch nichts dagegen, weshalb ich sie im Krankenhaus angeschrien habe. Jetzt tut es mir auch leid, aber hatte ich damit nicht auch irgendwo Recht? Schließlich ist sie älter als ich und hat mehr Einfluss auf sie. Am liebsten wäre ich schon erwachsen. Dann könnte ich alle Probleme selber lösen und müsste nicht von anderen abhängig sein. Manu sagt immer, je älter man wird, desto komplizierter und schwieriger werden auch die Probleme. Ob das wirklich so stimmt?

29. September 2010. Ja, Manu hatte Recht. Es wird mir langsam alles zu viel. Chessie scheint das alles überhaupt nicht zu interessieren, nie ist sie da. Ich vermisse die Zeiten, in denen ich mit ihr über alles reden konnte, aber das ist jetzt komplett vorbei. Manchmal habe ich das Gefühl, sie will weder von mir, noch von Mama etwas wissen. Dauernd hängt sie bei ihrem neuen Freund rum, übernachtetet sogar bei ihm oder kommt nach ein Uhr nach Hause. Bei Manu ist es ähnlich, er hat auch einen Freund. Vielleicht sollte ich mir auch einen Freund oder eine Freundin zulegen, vielleicht wäre ich dann glücklicher. Im Moment ist mein Leben nämlich die reinste Hölle. Wahrscheinlich hatte ich es einfach verdient...

30. November 2010. Gestern war ich mit diesem Mädchen auf einem Date. Ihr Name ist Annika, lange, blonde Haare, hübsche grüne Augen. Sie ist wirklich nett, intelligent und süß. Ich mag ihr helles Lachen und die Art, wie sie meinen Namen ausspricht. Als ich die dann nach Hause gebracht habe, hat sie mich sogar geküsst. Es hat sich schön angefühlt, aber ich glaube nicht, dass ich sie liebe, nicht wirklich. Wie könnte ich das aber auch? Ich fühle mich in letzter Zeit so leer, als hätte ich gar keine Emotionen mehr. Es ist widerlich, so unmenschlich. Ich fange an, mich selber zu hassen, für meine Hässlichkeit, für meinen Charakter, für den Menschen, der ich bin, für meine Vergangenheit. Manchmal, wenn ich für Stunden auf meinem Bett sitze, denke ich über den Tod nach. Ob es überhauptjemanden interessieren würde, wenn ich nicht mehr da wäre. Wann meine Mutter wohl an dem ganzen Alkohol sterben würde. Wie es wäre, von einem Zug angefahren zu werden. Schmerzhaft oder erlösend? Sollte ich es ausprobieren?

2. Januar 2011. Ich habe mit Annika Schluss gemacht, nachdem wir miteinander geschlafen haben. Ich habe einfach keine Gefühle für sie, natürlich war sie trotzdem sauer und hat mit eine Backpfeife gegeben. Sie hasst mich, aber nicht so sehr, wie ich mich selber hasse. Trotzdem würde ich mich niemals ritzen, ich habe Angst vor Schmerzen. Nicht nur körperlichen Schmerzen, sondern auch verletzt zu werden. Deshalb sperre ich michfast zum größten Teil meiner Zeit in meinem Zimmer ein und zocke oder mache einfach nichts. Es war sowieso alles sinnlos. Meine Mutter ist so gut wie nie nüchtern anzutreffen, doch trotzdem kümmere ich mich um sie. Manchmal frage ich mich, wieso. Sie ist ein Wrack und scheint mich zu hassen, fast noch mehr, als ich es selber tue. Letztens hat sie mir sogar eine Reingehauen, aber es interessiert mich eigentlich nicht mehr.

3. Februar 2011. Es wird nicht leichter für mich. Wenn Mum weiter so unvorsichtig ist, würde sie bald überfahren werden oder selbst einen Unfall bauen. Aber eigentlich ist mir das sowieso langsam egal. Mich interessiert gar nichts mehr. Manu scheint es zu bemerken und versucht die ganze Zeit ein Gespräch in die Richtung anzufangen, aber ich lehne es immer ab. Schließlich möchte ich weder ihn noch meine Schwester zu belasten. Sie sind etwas spät dran. Ich fühle mich so zerstört und gebrochen, am liebsten würde ich das alles beenden. Mein Leben, nie wieder atmen müssen.

Ich legte das Buch zur Seite, Tränen liefen mir über die Wangen. Es war so unfair, sein Leid. Er war doch so ein wunderbarer, wunderschöner, liebevoller Mensch. Ich wollte das nicht weiterlesen, am besten hätte ich das nie gelesen. War dieser Gedanke egoistisch? Wahrscheinlich schon. Aber es war doch vorbei, er war doch jetzt glücklich mit mir, oder? Ich hoffe es so sehr. Auf jeden Fall würde ich alles tun, um ihn glücklich zu machen. Schwer atmend stand ich auf und umklammerte das Tagebuch. Ich würde das wie einen Schatz hüten und wann anders weiterlesen. Wenn ich dazu bereit war.

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So das war es auch schon mit dem 62. Kapitel...

Ich wünsche euch noch viel Spaß beim Lesen <3
~Bye

I Love you Mr. Teacher [Zomdado + Kürbistumor]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt