13. Verletzlich

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MISLINA

„Remember your words can plant gardens or burn whole forests down."

Gemma Troy

„Also", ich grinse Fatih an, der mich leicht lächelnd beobachtet — heute ist irgendetwas anders als sonst und doch versuchen wir beide das unbekannte Etwas zu verdrängen. „Wo bringst du mich als nächstes hin?", ich ziehe mir die Kapuze meines Hoodies über, um meine Jeansjacke anzuziehen, während wir vom Museumsausgang zu Fatihs Wagen laufen. Wir sind seit den frühen Morgenstunden in Wolfsburg und nach einem ausgiebigen Frühstück in einem spanischen Café waren wir im Volkswagen AutoMuseum.
„Um ehrlich zu sein habe ich langsam wieder Hunger", gesteht er und kratzt sich leicht am Nacken. Wie auf Knopfdruck produzieren plötzlich meine Speicheldrüsen ihr Sekret und mir läuft das Wasser im Mund, bei dem bloßen Gedanken an Essen, zusammen — ob sich wohl mein Bruder jedes Mal so fühlt, wenn sich ein Gespräch über Essen entwickelt?
„Mein Magen meldet sich auch schon, wo gehen wir hin?", ich grinse ihn an und setze mich auf den Beifahrersitz. „Worauf hättest du denn Lust?", Fatih nimmt hinter dem Steuer Platz und schaut mich fragend an. „Hmm... gute Frage, lass mich überlegen, während du ausparkst", grinse ich und kopfschüttelnd startet er den Motor. „Wie wäre es mit einem klassisch-türkischem Essen? Döner oder sowas?", frage ich und muss direkt an die unterschiedlichsten Kebab-Arten denken, weswegen mein Magen zu Knurren beginnt. Peinlich berührt schaue ich aus dem Fenster, doch ertönt total unerwartet Fatihs lautes Lachen, sodass ich mich schnell zu ihm drehe und ihm dabei zusehe, wie er total amüsiert den Wagen durch die Straßen lenkt. Ich kann nicht verleugnen, dass ich fasziniert von seinem Lachen bin und den Drang habe immer wieder diesen inneren Frieden zu verspüren, wenn sich seine Augen zu kleinen Schlitzen formen und er den Kopf leicht in den Nacken wirft — in genau diesen Momenten sieht man ihm seine Sorgen und Schmerzen nicht an, denn genau dann scheint er alles zu vergessen.

Es dauert nicht lange, bis Fatih an einem Straßenrand parkt und wir nebeneinander her zu einem kleinen Lokal laufen. Die Inneneinrichtung zieht mich in seinen Bann und ich schaue mich fasziniert um. Besonders ein Bilderrahmen, das mit orientalischen Fliesen bestückt ist, zieht meine Aufmerksamkeit auf sich — ich sehne mich nach einem Urlaub und das wird mir wieder einmal klar. „Kommst du?", höre ich Fatih sagen, der bereits an einem Tisch steht und dabei ist sich zu setzen. „Oh, ja", ich nicke und laufe gleichzeitig auf ihn zu.

„Worauf hast du Lust?", will Fatih wissen, während er die Speisekarte durchblättert, die ein junger Kellner vor einigen Minuten an unseren Tisch gebracht hat. „Kannst du mir etwas empfehlen? Ich habe gerade nämlich echt Hunger und kann mich nicht entscheiden", gestehe ich und muss mir auf die Unterlippe beißen, um nicht immer wieder aufzustöhnen, als ich die Namen der Speisen lese. Nachdem Fatih mir seine Empfehlung nennt, nicke ich zustimmend und er hebt die Hand, um den Kellner an unseren Tisch zu rufen. Während wir unsere Bestellung aufgeben, spüre ich, dass die Blicke des Kellners etwas zu lange auf mir liegen, was mich augenblicklich unwohl fühlen lässt.
„Hast du demnächst vor deine Schwester zu besuchen?", frage ich Fatih und lege meinen Kopf schief. „Ja, übernächste Woche vielleicht. Soll ich dich dann mitnehmen?", fragt er und zustimmend nicke ich. „Ich würde mich wirklich freuen", spreche ich aus und dieses Mal nickt er.
Die kurze Stille, die danach herrscht, wird von dem Kellner unterbrochen, der uns unsere Getränke bringt. „Kannst du mir vielleicht einen Strohhalm bringen?", frage ich den Kellner, der mir urplötzlich ein riesiges Lächeln schenkt. „Selbstverständlich", er nickt und läuft um die Ecke, um mit zwei Strohhalmen zurückzukommen. „So, Bitteschön", er reicht mir beide Halme und schenkt mir dabei ein schiefes Grinsen. Vom Augenwinkel sehe ich, wie Fatihs Augen Feuer spucken und ich höre, wie er leise vor sich hin spricht. „So ein Ehrenloser", höre ich zwischen seinem Gemurmel heraus und muss mir ein Lachen unterdrücken — ist da jemand etwa eifersüchtig?
Auch während uns das Essen serviert wird, liegt die Aufmerksamkeit des Kellners auf mir, was Fatih dazu bringt, mit ihm etwas barsch umzugehen.

Bunter SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt