16. Courage

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FATIH

"If you have a dream, you need to follow it. And not just follow it, but chase after it, sprint towards it. Go towards it with passion, with a fighting spirit, with the courage to do whatever it takes to make it happen. Too many people are walking around with silenced dreams because they shoved them aside too many times. They told their dreams that they were too big, too unrealistic, too impossible. Don't let that be you. You do have the strength, you are capable, you do have what it takes. You can accomplish even your wildest dreams. Your only question is: do you have a few tiny moments of courage to say: yes?"

Nikki Banas

Während ich Mislina dabei beobachte, wie sie meinen Neffen in ihren Armen hält, geht mir ein einziger Gedanke durch den Kopf: ich muss alles, was ich vergeigt habe, wieder gut machen. Mein Herz schlägt deutlich spürbar gegen meine Brust, mein Magen dreht sich um und als wäre ich in einem Bann, kann ich meine Blicke nicht von ihr abwenden. „Fatih!", nehme ich Zümras Stimme irgendwann mahnend wahr und wende mich zu ihr — vom Augenwinkel sehe ich, wie Hülya Teyze meinen Neffen ihrer Tochter aus den Armen nimmt. „Wieso seid ihr so zueinander?", fragt sie im Flüsterton und hebt ihre rechte Augenbraue in die Höhe. „Ich hab riesengroße Scheiße gebaut", lasse ich sie wissen, atme tief durch und richte meine Blicke wieder auf Mislina. Mit einem hochroten Kopf senkt sie ihren Kopf, nachdem sich unsere Blicke treffen. Ich muss über ihre Verschämtheit schmunzeln, denn es ist ihr sichtlich unangenehm, dass ich sie dabei erwischt habe mich zu beobachten.

Während ich auf der Luftmatratze im Gästezimmer von Zümra und Azad liege, gehen mir die unterschiedlichsten Gedanken durch den Kopf, wie ich Mislina meine Gefühle gestehen kann, wie ich alles — hoffentlich — wieder gut machen kann. Laut seufzend stehe ich auf, laufe schleppend ins Wohnzimmer und betrete von dort aus den Balkon. Bisasam, der scheinbar auch nicht schlafen kann und an die frische Luft möchte, folgt mir. „Na Großer, auch noch wach?", frage ich und gehe in die Hocke, um über sein Fell zu streichen. Lächelnd nehme ich ihn schließlich auf meinen Schoß und setze mich auf eines der Stühle, die auf dem Balkon stehen. Bisasam macht es sich derweil auf meinen Oberschenkeln bequem und genießt es sichtlich, dass meine Hand durch sein weiches Fell fährt. „Wie soll ich vorgehen, Bisasam? Wie ist es am logischsten? Denkst du Mislina hört mir zu, wenn ich ihr einfach meinen Frust von der Seele spreche?", tief seufzend blicke ich zwischen dem Kater und der Aussicht, die mir der Balkon bietet, hin und her. „Erst solltest du ihm mal erzählen, was du vergeigt hast. Danach kann er dir vermutlich etwas besser weiterhelfen", ertönt plötzlich Azad Abis Stimme hinter mir. Mit weit aufgerissenen Augen blicke ich über meine Schulter zu ihm und lächle leicht. „Ich nehme mir einfach mal das Recht mich zu setzen und hoffe für dich, dass du schnellstmöglich zu erzählen beginnst. Ich muss noch etwas weiterschlafen", er läuft an mir vorbei und nimmt auf dem Stuhl neben mir Platz.
Ich weiß, dass ich Azad Abi in dem Thema Mislina vertrauen kann, dass er mir wirklich helfen kann. Deshalb atme ich tief durch, blicke kurz an die Decke und richte meine Augen dann anschließend in die Ferne. Geduldig hört er mir zu, ohne mich zu unterbrechen, wofür ich ihm dankbar bin, denn ich könnte vermutlich nicht so offen mit ihm reden, wenn er zwischendurch etwas sagen würde. Es fühlt sich nämlich gerade an, als würde ich mir in einem Monolog nochmals klarmachen, wie ich genau den vielleicht wertvollsten Menschen in meinem Leben verscheucht habe.
„Hättest du ihr nicht gesagt, dass du sie nicht liebst, hätte ich gesagt, dass du im Prinzip nichts anderes gemacht hast, als ich. Ich habe schließlich Zümra auch von mir gestoßen, als ich erfahren habe, dass sie und Mevlüt sich einst geliebt haben. Aber du hast ihr Herz gebrochen und das ist nicht so leicht wieder gut zu machen. Mislina liebt dich aber wirklich aus ganzem Herzen und deswegen wird sie dir verzeihen — dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen", Azad Abi lächelt mich aufmunternd an, weswegen ich nicke.
„Ich glaube ich rede die Tage mit Kamil Amca, erzähle ihm von meinen Gefühlen und bitte ihn um Erlaubnis mich mit seiner Tochter auszusprechen. Natürlich muss ich auch mit Okan Abi reden und ihm alles erklären, aber er soll erstmal Vater werden — danach schaue ich weiter", unterbreche ich die kurze Stille. „Und nach Mislinas Klausur nächste Woche stelle ich mich vor sie und versuche mich ihr zu erklären." Azad Abi legt seinen Arm um meine Schulter und sorgt mit dieser Geste dafür, dass ich zu ihm schaue. „Hast du dir mich als Vorbild genommen?", fragt er mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht. Ich muss leicht lachen, denn ich realisiere, dass es damals auch seine Vorgehensweise war. „Aber Spaß beiseite: ich finde es gibt keinen besseren Plan als den. Kamil Amca mag dich wie seinen eigenen Sohn. Es mag zwar verrückt klingen, aber er würde niemand anderen für Mislina in Betracht ziehen, als dich. Und Okan weiß auch schon längst über eure Gefühle Bescheid", seine Worte nehmen mir tonnenweise Lasten von den Schultern. Erleichtert wie eh und je, erhebe ich mich von dem Stuhl, schaue auffordernd zu Azad Abi, der sich ebenfalls auf die Beine stellt. „Danke, Abi. Du weißt gar nicht, wie wertvoll dieses Gespräch für mich war und wie gut es mir getan hat!", spreche ich also meinen Dank aus und werde von meinem Schwager in eine Umarmung gezogen.

Bunter SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt