25. Lebende Leiche

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MISLINA

„Ayrılıklar zormuş, beni hasret yormuş
Her başlangıç bir sonmuş, sevdiğim"

Yasemin Pulat

— zwei Wochen später —

Es ist mitten in der Nacht, als mein Handy, das auf dem kleinen Beistelltisch neben meinem Krankenbett liegt, aufleuchtet. Da der Raum für viele Sekunden erleuchtet wird, kann ich mir zusammenreimen, dass es ein Anruf ist, weswegen ich vorsichtig danach greife und augenblicklich erschaudere, als ich Fatihs Nummer auf dem Bildschirm ausmache. Ich habe seine Nummer zwar aus meinen Kontakten gelöscht, jedoch ist sie wie in mein Gehirn eingebrannt, sodass ich sie ihm zuordnen kann. Einige Minuten nachdem er aufgelegt hat, ich auf den — inzwischen dunklen — Display gestarrt habe, wird der Raum erneut erhellt. Eine SMS.
„Anruf-Info von Mailbox", lese ich die ersten Worte und realisiere kurz darauf, dass mir Fatih eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen hat. Mit zitternden Fingern tippe ich die Nummer der Mailbox an und führe das Handy an mein Ohr. „Sie haben eine neue Nachricht", ertönt die Computerstimme und wenig später spielt sich die Nachricht ab.
„Hallo Zuckerengel", zwei Worte reichen aus, um meine Welt auf den Kopf zu stellen, mir die Luft zum Atmen zu rauben, mich zum Lächeln zu bringen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sich meine Augen mit Tränen füllen. „Ich weiß, dass du dich von mir getrennt hast, aber ich wollte dir nur noch mal sagen, wie sehr ich dich liebe. Ich liebe dich verdammt und werde solange auf dich warten, bis du mich wieder an deinem Leben teilhaben lassen möchtest", eine Träne läuft meine Wange runter, hinterlässt dabei eine salzige Spur.

Der Klang seiner Stimme erinnert mich daran, wie sehr ich ihn eigentlich vermisst habe, wie sehr ich seine Nähe vermisst habe. Ich habe in den letzten Wochen meine Gefühle gekonnt ignoriert, war körperlich viel zu schwach um mich noch zusätzlich psychisch zu belasten.

„Eigentlich wollte ich dir nur sagen, dass ich alle Klausuren bestanden habe — sogar die letzte, die ich an dem Tag geschrieben habe, als du in Hannover im Krankenhaus warst. Kannst du dir vorstellen, dass die sogar meine beste war?", er lacht ironisch auf — damals hatten wir lediglich eine leise Vorahnung, was uns erwarten wird und nun stehen wir an einem Punkt, mit dem wir nicht gerechnet hätten. „Ich weiß, dass die Uni für dich gerade keine Rolle spielt, aber dennoch hoffe ich, dass auch du alle deine Klausuren bestanden hast. Du hast nämlich so viel für sie gelernt gehabt", er atmet tief durch und ein leises Schluchzen erreicht meine Ohren. Als ich realisiere, dass er weint, zieht sich mein Herz zusammen. „Es tut mir leid, dass ich weine, aber ich vermisse dich so sehr. Ich habe unglaubliche Angst um dich und wünsche mir nichts sehnlicher als dich in meine Arme zu nehmen und den Frieden zu spüren, den du mir schenkst. Ich habe mein Semester durchgeplant, mit etwas Disziplin werde ich dieses Semester meinem Master beenden. Ich habe auch schon mit meinem Vorgesetzten auf der Arbeit gesprochen und wir haben auch schon ein geeignetes Thema für meine Masterarbeit gefunden. Na ja, ich wünsche dir eine schöne Nacht. Vergiss nicht, dass ich dich liebe, Zuckerengel", Fatih atmet nochmal tief durch, ehe die Mailbox-Nachricht aufhört.

Und ich? Ich lasse die Nachricht immer wieder laufen, lasse dabei meinen Gefühlen freien Lauf und weine mich irgendwann in den Schlaf.

„Guten Morgen, huch, wie siehst du denn aus?", die Krankenschwester, die mir mein Frühstück aufs Zimmer bringt, bleibt mit offenem Mund in der Tür stehen. Ich schenke ihr ein müdes Lächeln. „Guten Morgen, Bettina. Ich hatte eine anstrengende Nacht hinter mir", ich fahre mir übers Gesicht. „Das sieht man dir an. Möchtest du darüber reden?", sie legt das Tablett auf dem Tisch in der hinteren Ecke des Zimmers ab und setzt sich zu mir aufs Bett. Ihre Hand greift vorsichtig nach meiner und sie lächelt mich an. Ich spüre die Tränen, die über meine Wangen laufen und presse die Lippen aufeinander, um nicht laut zu schluchzen. „Ich habe mich wegen meiner Krankheit von meinem Verlobten getrennt. Er hat mir gestern auf die Mailbox gesprochen und ich habe mir die Nachricht die ganze Nacht über angehört", erkläre ich ihr. Bettina sagt nichts, zieht mich lediglich in eine Umarmung, die ich mehr als nur nötig habe. Ihre Hand streicht über meinen Rücken.
„Du musst deine Runde noch machen, ich möchte dich nicht länger aufhalten. Gleich kommt bestimmt meine Schwester", ich löse mich schweren Herzens aus der Umarmung und schenke der Krankenschwester ein Lächeln. Sie seufzt tief und steht nickend auf. „Willst du im Bett frühstücken oder am Tisch", sie deutet auf das Tablett und schaut mich fragend an. „Ich setze mich an den Tisch", um ihr nicht noch mehr Sorgen zu bereiten, setze ich mich an den Bettrand und erhebe mich, obwohl ich keinen Appetit habe. „Geh jetzt", ich lache leicht und versuche ihr damit den besorgten Blick aus dem Gesicht zu wischen. „Wenn Mihriban nicht sofort kommt, ruf mich einfach", sie lächelt ein letztes Mal, ehe sie aus dem Zimmer verschwindet und mich alleine lässt.

Bunter SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt