FATIH
"Jealousy is a sentiment which is born in love and which is produced by the fear that the loved person prefers someone else."
Émile Littré
In der ersten Woche des neuen Semesters sehe ich Mislina nach unserer kleinen Verlobung zum ersten Mal. Sie strahlt über beide Ohren, als sie sich wie gewohnt zu Alim und mir an die Haltestelle stellt. „Guten Morgen yenge (Schwägerin)", sagt mein Mitbewohner, betont das letzte Wort und bringt somit meine blonde Schönheit in Verlegenheit. Einige Augenblicke vergehen, bis sie die Worte auf sich sacken lässt und schließlich wieder den Blick hebt. „Guten Morgen, Alim", sie lächelt ihn an, doch wirkt sie trotzdem sehr zurückhaltend. „Guten Morgen, Zuckerengel", flüstere ich ihr zu und grinse zufrieden, als sie ihre Augen weit aufreißt und verlegen den Kopf senkt. Diese kleine Geste bringt Alim und mich zum Lachen. Trotzig verschränkt sie daraufhin die Arme vor der Brust und kramt ihre Kopfhörer aus ihrer Jackentasche heraus. „Kızdın mı? (Bist du sauer?)", frage ich und stupse sie dabei leicht an, während sie den Kabelsalat zu lösen versucht. „Wie kommst du bloß auf sowas", der sarkastische Unterton in ihrer Stimme bringt mich nur noch mehr zum Grinsen, weswegen ich ihr einen Arm um die Schultern lege. Mit einer gehobenen Augenbraue hebt sie den Blick und schaut mir geradewegs in die Augen. „Finger weg", sagt Mislina ernst, weswegen ich grinsend den Arm wieder sinken lasse. „Ihr seid viel zu süß für meine Verhältnisse. Könnt ihr nicht einfach wie früher sein", mischt sich plötzlich Alim in unser Gespräch ein. „Da wäre ich auch für, was ist das, voll kitschig", mit verzogenem Gesicht nickt Mislina, doch ehe wir das Thema vertiefen können, fährt unsere Bahn ein und wir suchen — sobald wir im Inneren sind — nach einem passenden Sitzplatz.
Stumm hält mir Mislina einen ihrer Ohrstöpsel hin, während sie den anderen bereits in ihrem Ohr hat. Ich gehe ihrer stummen Aufforderung nach und genieße ihre Musikauswahl, während ich gleichzeitig ihr Seitenprofil einstudiere. Als die ersten Töne von Kopfkrieg — dem Lied von BOZ, welches ich Mislina vor einigen Monaten gezeigt hatte — ertönen, ziehen sich meine Mundwinkel in die Höhe. Zögernd lasse ich meinen Kopf auf Mislinas Schulter nieder und schließe die Augen, nur um die Zeilen intensiver wahrzunehmen. Als ich spüre, dass sie ihre Wange gegen meine Haare schmiegt, muss ich unwillkürlich lächeln.
Wer hätte gedacht, dass ich eines Tages so sorglos sein würde?„Sehen wir uns zur Mittagspause?", frage ich Mislina, bevor sich unsere Wege auf dem Campus trennen. „Klar", sie nickt lächelnd, „Ich werde aber vermutlich meine Truppe mitschleppen." Ich nicke zustimmend und trete einen Schritt auf sie zu. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgt sie meine Bewegungen und schluckt schwer, als sich mein Gesicht ihrem nähert. Die Unsicherheit, die sie ausstrahlt, fordert mich heraus, denn ich will grinsen, doch erst habe ich etwas anderes vor. „Du siehst wie immer wunderschön aus, Zuckerengel. Und vergiss bitte nicht, dass ich dich liebe", flüstere ich in ihr Ohr und richte mich wieder auf. Sobald meine Augen wieder auf ihre treffen, leuchten diese voller Freude. „Bis später", lächelt sie, nachdem sie ihre Lippen befeuchtet hat, und kehrt mir den Rücken zu, um zu ihrem Seminarraum zu laufen.
„Ich lasse das alles erstmal noch unkommentiert", zieht Alim meine Aufmerksamkeit auf sich. So wende ich meine Blicke von Mislina ab, die mit jedem Schritt aus meinem Sichtfeld verschwindet, und schaue zu meinem Mitbewohner. „Aber ich bin unglaublich glücklich, dass ihr wieder zueinander gefunden habt", der Tschetschene lächelt breit und deutet anschließend in die Richtung des Vorlesungsgebäudes, die wir auch einschlagen.Nach zwei Vorlesungen stehen Alim, Yasir und ich vor der Mensa und warten auf Mislina und ihre Freunde. Währenddessen unterhalten sich die Jungs über unser morgiges Treffen mit unserer Clique und versuchen sich auf die Süßspeise, um die sie Dicle bitten werden, zu einigen. Meine Augen scannen immer wieder den sichtbaren Bereich des Campus auf Mislina ab, und als ich sie in der Menge ausmache, strahle ich unwillkürlich über beide Ohren. Sie unterhält sich mit Aminata und gestikuliert dabei wild. Als ihre Blicke mich einige Minuten später treffen, scheint sie einen kleinen Aussetzer zu haben, denn sie hält in ihrer Bewegung inne und starrt mich geradewegs an, während ihre Freundin sie auffordernd anschaut. Als sie sich wieder sammelt, wendet sie sich wieder zu Aminata. Bis sie bei uns ankommen, schaut sie nicht nochmal in meine Richtung, was mich amüsiert.
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Bunter Schatten
Teen Fiction„She found the colors to paint him where the world had left him gray." - Atticus „Zufall, dass alle deine Instagram-Bilder schwarz-weiß sind, nur das mit mir in Farbe?", liest Fatih Mislinas Nachricht und muss sein Grinsen unterdrücken. „Wie oft sol...