1. Erste Schwärmereien

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MİSLİNA

„My first crush was my brothers best friend."

Jeniffer Lynn Armentrout

„Abi? Kannst du mich zu Zümra Abla fahren?", vorsichtig strecke ich mein Kopf durch Okan Abis Zimmertür und blicke ihn bittend an. Sein schönstes Lächeln ziert seine Lippen und ich weiß, wie immer, dass er seine fiese Art an mir auslassen wird. „Nö", gibt er grinsend von sich und wirft sich auf sein Bett. „Mein schöner, lustiger, charismatischer Bruder", rede ich auf ihn ein und laufe dabei geschmeidig in sein Zimmer. „Pass auf, dass du nicht auf deinem Schleim ausrutschst", lacht Mihriban, meine zwei Jahre ältere Schwester, und betretet ebenfalls das Zimmer unseres Bruders. „Ha ha ha. Sehr witzig", ich verdrehe meine Augen und seufze. „Dann halt nicht", gereizt wende ich mich von beiden ab und laufe in die Küche, wo ich meiner Mutter Bescheid gebe, dass ich die Nacht bei Zünra abla, meiner Nachhilfelehrerin, verbringen werde.

Eigentlich ist Nachhilfelehrerin weit untertrieben, denn sie ist so viel mehr für mich. Sie ist eine verständnisvolle ältere Schwester, eine sehr gute Zuhörerin. Außerdem ist sie auf dem Weg sich mit dem besten Freund meines Bruders — alias meiner ersten großen Liebe — zu verloben.

„Ich habe dich früher erwartet", grinsend empfängt mich Zümra Abla an der Tür und lässt mich gespielt aufseufzen. „Meine Familie schert sich einen Dreck um mich. Ich musste den ganze Weg mit der Bahn herfahren", ich werfe mich um ihren Hals uns inhaliere ihren süßlichen Eigenduft. „Du ärmste", ich höre sie leicht kichern, während sie mich langsam in ihre Wohnung zieht.
„Bisasam!", rufe ich nach dem Kater von Zümra Abla und knie mich zu ihm runter, als er sich an meine Beine schmiegt. Das leise Murren, während ich ihm über Kopf und Fell streiche, beruhigt mich.
„Hast du Hunger? Oder willst du Kaffee trinken?", Zümra Abla hängt gerade meine Jacke auf den Kleiderhaken und lehnt sich an die Wand hinter ihr. „Was hast du gekocht?", ich nehme die Miezekatze in meine Arme. „Azads Lieblingsgericht. Er hatte etwas gut bei mir", lachend läuft sie in die Küche und ich ihr hinterher. Ihre Liebe zu meiner Kindheitsschwärmerei fasziniert mich immer wieder. „Essen hört sich gut an", grinse ich als wir in der Küche stehen und nickend erwärmt sie die Fleischbällchen, den Reis und die Suppe.

„Ich wundere mich echt über mich selbst. Leyla Abla habe ich immer gehasst, weil sie von Azad Abi geliebt wurde. Und dich liebe ich umso mehr, weil er dich liebt", die sich rot verfärbenden Wangen von Zümra Abla lassen mich breit grinsen — sie lieben sich auf so eine wunderschöne Art.
„Es tut mir echt leid, dass ich dir deine erste Liebe weggenommen habe, Engel", sie blickt mir schuldbewusst in die Augen und lässt mich damit laut auflachen. „Abla, ist das dein Ernst?", ich pruste los und laufe zu ihr. Stumm lehne ich mich gegen sie und lege meinen Kopf auf ihrer Schulter ab. „Azad Abi war meine erste Schwärmerei, nicht meine erste Liebe. Er war meinem Bruder immer so treu, deswegen habe ich ihn angehimmelt", ich spüre, wie sich meine Wangen erwärmten.
„Es ist aber auch nahezu unmöglich ihn nicht zu mögen", ergänze ich mich und schließe meine Augen.

In meinem Leben habe ich kaum einen Moment ohne Azad Abi verbracht — ich bin mit seiner Liebe großgeworden. Die Liebe, die er nicht von seinen Eltern bekommen hat, hat er nach seinen Großeltern von meiner Mutter und Okan Abi zu spüren bekommen.
Es gibt so oft Momente, in denen ich meinen Bruder beneide, weil er so einen wundervollen Freund an seiner Seite hat — meine beste Freundin ist auch unersetzlich, mein Leben ohne Valdetja wäre deutlich unerträglicher, doch spielt Azad Abi in der Hinsicht in einer anderen Liga.

„Erde an Mislina. Wenn du weiter von Azad schwärmen willst, kannst du rüber in seine Wohnung", reißt mich Zümra Abla lachend aus meinen Gedanken und läuft mit zwei Tellern zu dem kleinen Esstisch in ihrer Küche. „Nein, er gehört komplett dir!", ich grinse sie frech an und lasse mich auf einem der Stühle nieder.
„Er gehört nicht mir", sie streicht sich eine Locke hinters Ohr und sieht ihrem Kater hinterher, der sich auf den Balkon schleicht und wahrscheinlich von dort aus in Azad Abis Wohnung geht. „Sogar Bisasam liebt ihn", ich kann mein Lachen nicht unterdrücken. „Sorma! (Frag nicht!)", sie seufzt und lehnt sich in ihrem Stuhl zurück, „er ist gefühlt öfter bei Azad als bei mir!". „Ach und zu deiner Aussage: vielleicht gehört er nicht dir, dafür aber sein Herz. Und dein Herz ist auch schon längst sein Eigentum", ich beobachte ihre Reaktion — sie scheint so erleichtert wegen meinen Worten.

Bunter SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt