Vater & Sohn

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Er war nicht bereit.
Nein, als die Worte ihre Lippen verließen, wich ihm alle Farbe aus dem sowieso schon bleichen Gesicht.
Sein Herz, das gerade noch wild geschlagen hatte, stand binnen Sekunden still und er hätte schwören können, dass das gesamte Universum für einen winzigen Augenblick zum stehen kam.
Dem war nicht so.
Menschen drängten sich an ihm vorbei, Rey öffnete gerade den Mund, um irgendetwas zu sagen und er-, er blickte angespannt auf die rostige Tür.
Die Präsenz seines Vaters erfüllte die Umgebung, die Luft, er meinte sie überall zu spüren.
Sie überkam ihn ohne, dass er sich wehren konnte.
Wahrscheinlich wäre er sofort umgedreht, die Straße zurückgerannt und vielleicht hätte er sogar die Stadt verlassen, würden sich nicht schweigend ein paar Hände in seine legen.
Wie betäubt starrte er zu ihr.
Es war gut möglich, dass auch Rey die Worte fehlten, doch manche Situationen bedurften eben nur Gefühlen.

So stand er nun und wartete. Wartete, dass sich die Welt wieder zu drehen beginnt.

"Er ist allein", meinte Rey schließlich.
Ob ihn das beruhigen sollte, wusste er selbst nicht.
"Ich warte draußen."
"Was?"
Ungläubig sah er sie an. Rey nickte.
"Ben, das ist euer Moment."
Panisch löste er sich.
"Woher willst du wissen, dass es das Richtige ist, wenn du hier draußen bleibst? Woher willst du wissen, dass nicht irgendetwas furchtbar schief geht?"
Schweigend sah sie ihn an.
"Das weiß ich nicht, aber denkst du wirklich, es wäre anders, wenn ich an deiner Seite stände?"
"Natürlich!"
"Danke", erwiderte sie lächelnd und fügte hinzu, "aber das ist heute deine Sache."
Er machte Anstalten, ihr zu widersprechen, jedoch fuhr sie bereits unbeirrt fort: "Wenn du das nächste Mal aus dieser Tür kommst, dann werde ich immernoch hier sein und wir können gehen, bleiben, was immer du willst. Doch die nächsten Minuten gehören euch, dir und deinem Vater, allein."
Geschlagen nickte er.
"Versprich mir, dass du nicht nachfragst.
Wenn etwas schief geht, meine ich."
"Okay", versprach sie und drückte ihn noch einmal, "und jetzt geh schon."

Als er sich der Tür nun zum zweiten Mal zuwandte, atmete er tief durch.
Nur ein paar Minuten.
Er vertraute auf Reys Worte, dachte an die letzte Nacht und versuchte die Angst irgendwie zu ignorieren.
Nachdem sich die Tür öffnete, gab es kein Zurück.
Du schaffst das. Du schaffst das. Du schaffst das.
Immer wieder wiederholte er eben diese Worte in seinem Kopf.
Vor ihm lag ein kleiner Raum und links hinter der offenen Tür, erspähte er einen Tisch. Und seinen Vater.
Er könnte umdrehen, so tun, als wäre alles geklärt, dabei hatten sie noch nicht Mal ein Wort miteinander gewechselt.
Er entschied sich zu bleiben.
Dieses Mal würde er nicht kneifen.

Han erhob sich in der Sekunde, in der er den Raum betrat.
"Ben", war alles, was er im ersten Moment über die Lippen brachte.
Machte er das hier eigentlich freiwillig? Oder hatte Rey ihn auf wundersame Weise dazu überredet?
Ben war sich nicht sicher.
Sollte er etwas erwidern?
"Es tut mir leid. Ich dachte schon, du würdest nicht kommen."
"Das wäre ich wahrscheinlich auch nicht", murmelte er, "allerdings dachte ich auch, du würdest nicht bleiben."
Bei diesen Worten verzog sich die Miene seines Vaters zu einem beinahe schmerzlichen Blick.
Ihm fehlten die Worte.
"Es gibt keine Entschuldigung für die Dinge, die in den letzten Jahren passiert sind", sagte er schließlich und wurde ernst.
"Ich war kein guter Vater und ich schätze deine Mutter war auch nicht, wer sie sich gewünscht hätte, zu sein."
"Und deshalb habt ihr mich zu meinem Onkel geschickt?"
Wütend schnaubte er.
"Nein", antwortete Han, "nein."
"Warum dann?"
"Ich habe nie viel davon gehalten, aber Leia war stets davon überzeugt, dass es dir gut tun würde", begann er und seufzte, "ich weiß, dass ich derjenige bin, der sie-, der euch zu oft allein gelassen hat. Aber ich wollte dich nicht in Gefahr bringen."
"Ihr seht ja, wohin mich das gebracht hat.. ."
"Ja", murmelte Han, "und trotzdem bin ich irgendwie stolz auf dich."
Nun war er es, Ben, der ihn ungläubig ansah.
"Was?"
"Deine Mutter nennt mich verrückt, sie hat mir verboten es dir zu sagen, aber ich bin froh, dass du das alles hinter dir gelassen hast."
"Was meinst du?"
"Die Akademie, dein Zuhause, ja vielleicht sogar uns."
"Das kannst du nicht ernst meinen."
"Doch", wiederholte er noch einmal bekräftigend.
"Ben, du bist erwachsen geworden.   Du hast deine eigenen Entscheidungen getroffen und sage mir, bist du glücklich?"
Langsam nickte er.
"Ich verstehe, dass du wütend warst. Dass du dich im Stich gelassen gefühlt hast, selbst wenn du mir das vielleicht nicht glauben kannst. Ja, ich verstehe es, wenn du mir noch immer nicht verzeihen kannst. Ich und Leia, wir wünschen uns nur, dass du glücklich bist. Das ist das Wichtigste."
Er schluckte.
Das sein Vater meinte, was er da gerade von sich gab, konnte er glauben. Aber seine Mutter?
"Wie-", begann er zögerlich, "wie hat sie es aufgenommen? Das ich abgehauen bin, meine ich."
Zum ersten Mal stahl sich ein kleines Grinsen auf Hans Gesicht.
Das verräterische Grinsen, wenn er sich an eine Situation zurück erinnerte.
"Oh, du weißt wie sie ist. Sie hat sich schreckliche Vorwürfe gemacht, bereut es, dich jemals allein gelassen zu haben. Ich denke ich kann sie beruhigen, wenn ich sage, dass es dir gut geht. Dass du glücklich bist."
Ben nickte.
Konnte er ihnen verzeihen?
Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Vater zu so einer Entschuldigung überhaupt in der Lage war.
Es überraschte ihn sogar, dass er immer noch vor ihm stand.
Vorsichtig lächelte er.
"Ich wusste gar nicht, dass du zu solchen Worten imstande bist", sagte er schließlich ehrlich.
Die Anspannung hatte ihn leise, aber plötzlich verlassen. Er fühlte sich bereit.
Sein Vater sah ihn verwundert an und als er verstand, was er gerade gehört hatte, schüttelte er lächelnd den Kopf.
"Chewie hat mir geholfen."
"Wo ist er?"
"Er wartet beim Falken. Ich-, ich war mir nicht sicher, ob du mir verzeihen würdest."
Und als er Bens Gesichtsausdruck sah, fügte er eilig hinzu: "das heißt, ich weiß ja nicht einmal, ob du das kannst."
Er zuckte mit den Schultern.
"Ich weiß ihr könnt die Vergangenheit nicht ändern. Und seit-", er war sich nicht sicher, ob er sie hier erwähnen sollte, "seit Rey meinte, es würde mir nur stetig zur Last werden... Sie hatte Recht.
Ich denke, ich wäre froh, wenn wir es einfach vergessen könnten."
"Ist das ein ja?"
Ben nickte.
"Danke", sagte Han erleichtert.
"Das freut mich wirklich.
Und-", er zögerte, "wer ist überhaupt dieses Mädchen?"

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Ich glaube vor diesem Kapitel habe ich mich die ganze Zeit ein wenig gedrückt. Denn um ehrlich zu sein, weiß ich selbst nicht, wie die beiden am besten zusammenfinden würden.
Es hat sich jedenfalls richtig angefühlt, sie zu versöhnen. :)



I want to be a pilot // ReyloWo Geschichten leben. Entdecke jetzt