Wir

696 31 18
                                    

Ein Jahr später ...

Wenn sie eines gelernt hatte, dann, dass Zuhause vielerorts sein konnte.
Man fand es in den Straßen einer Stadt, die nachts so hell wie am Tag leuchtete, in den Wäldern eines Planeten, den man nie vorher besucht hatte oder im Angesicht einer Unendlichkeit, die sie bis heute nicht in Worte zu fassen vermochte.
Man konnte es sogar in den herunter gekommenen Gassen finden, in denen sie vor ein paar Monaten noch zu wohnen gepflegt hatte.
Jedoch war kein Ort der Welt ausschlaggebend für das Glück, Heimat zu erfahren, wenn man an der Seite des Menschen stand, den man liebte.
"Weißt du?", fragte sie und blickte gedankenverloren aufs Wasser.
Die Sonne stand schon so tief, dass der Wald in ihrem Licht zu brennen schien. "Es ist lang her, dass wir deine Eltern besucht haben."
Seine Finger spielten abwesend mit ein paar ihrer nassen Strähnen.
"Ich schätze du meinst, wir sollten ihnen bald mal wieder einen Besuch abstatten", erwiderte er, woraufhin sie nickte.
"Meinetwegen."
Sie konnte das Grinsen auf seinem Gesicht quasi vor sich sehen, als er leise hinzufügte: "Aber erwarte ja nicht, mein Vater würde dich noch einmal in die Nähe seines Schiffes lassen."
Er lachte.
So herzlich, dass sie gar nicht erst versuchte beleidigt zu sein.
"Das ist schon ewig her!", fügte sie nur still hinzu und lächelte.
Immerhin war der Vorschlag, ihr für ihre erste Flugstunde den Falken zu überlassen, nicht einmal von ihr gekommen. Und überhaupt: war es denn wirklich so schlecht ausgegangen? Das Schiff lebte. Und alt war es ohnehin.
"Wollen wir zurück?"
Sie wusste genau, wie er sie musterte. Mit einem Blick voll Sorge und Zärtlichkeit, obwohl eine Erkältung nun wahrlich nicht den Untergang der Welt bedeuten würde.
Im Augenwinkel beobachtete sie, wie er nach einer der Decken griff.
"Nur noch ein paar Minuten... ."
Wenn sie an all die Orte dachte, die sie in den vergangenen Monaten besucht hatten, erschien ihr Naboo nur wie ein weiterer, unwirklicher Traum.
Wie konnten eine Galaxie so groß und ihre Welten so unglaublich verschieden sein?
"Findest du nicht auch, dass wir diesmal länger bleiben sollten?", fragte Ben, als hätte er ihren Gedanken gelauscht. Das Gefühl hatte sie öfter.
Zustimmend nickte sie: "Es ist sowieso viel zu schade, dass das Haus nur so selten bewohnt wird."
Er reichte ihr seine Hand und sie ließ sich bereitwillig von ihm auf die Beine ziehen.
Das Wasser auf ihrer Haut war fast vollständig getrocknet, aber sie fröstelte trotzdem ein wenig, als der Wind ihr über die nackten Arme strich.
"Komm her", murmelte er und zog sie an sich. Ihre Kleidung trocknete unweit von ihnen entfernt im zunehmend verschwindendem Licht des Tages.
"Danke."
Mit einem letzten Blick auf die Stelle, an der sie vor wenigen Minuten noch gesessen hatten, machten sie sich auf den Weg.
Es war ein schmaler Pfad, vorbei an Wiesen und Wäldern und immer in der Nähe des Sees.
Lächelnd blickte sie auf die leichten Wellen.
"Was ist?", fragte Ben und folgte ihrem Blick.
"Stell dir mal vor, ich könnte immer noch nicht schwimmen."
Sachte schüttelte sie den Kopf, als wolle sie den Gedanken damit vertreiben.
"Glaube mir, ich hätte es dir tausendmal lieber hier beigebracht", erwiderte Ben, der sich vage zurück erinnerte, wie er sie in der Strömung des Flusses beinahe verloren hätte.
Sie nickte verständnisvoll, er hatte ihr nun tatsächlich schon gut dreimal das Leben gerettet.
Um die Erinnerungen daran zu verwerfen, wendete sie ihren Blick wieder nach vorn.
Die Mauern des alten Anwesens strahlten wie roter Sand, während über den Dächern schon die ersten Schatten einer weiteren tintenblauen Nacht hingen.
Es war wahrlich ein prächtiges Haus, auch wenn es manchmal zwischen all dem Grün zu verschwinden schien.
"Lust auf ein Wettrennen?", es waren nur noch knapp hundert Meter, bis sie die Treppen erreichen würden.
Bevor sie sich darüber wundern konnte, dass der Vorschlag dieses Mal von ihm kam, war er auch schon losgerannt.
"Hey!", schrie sie lachend und hastete ihm hinterher.
Wie zwei kleine Kinder, kämpften sie sich den vermeintlich kürzesten Weg durch hohes Gras und Blumen, die Rey am liebsten in einen großen Strauß gebunden und vor ihrer beider Fenster gestellt hätte.
"Nächstes Mal", sagte sie zwischen mehreren tiefen Atemzügen, "starten wir gleichzeitig."
Ben, dem das Haar wirr in der Stirn klebte, lachte. "Abgemacht."
Sie stiegen die letzten Stufen gemeinsam hinauf, warfen die Decken achtlos auf eine der steinernen Bänke und blieben schließlich auf dem Balkon stehen.
In den Bäumen sangen noch immer ein paar Vögel, der Wind zog mit den Wellen ans Land und in der Luft hing ein süßlicher Duft.
Sie schloss die Augen, atmete und als sie sich an Ben wandte, lagen dessen Blicke schon längst auf ihrem Gesicht.
Sie lächelte. Lächelte, weil es jene nachts gänzlich schwarzen Augen waren, die sich in die ihren bohrten und an ihr fest hielten, als sei sie ein lang gesuchter Schatz, eine Heilige, ein Engel.
Er strich ihr über die Stirn, die Wangen die Lippen, umschloss ihre Finger und küsste ihr die Knöchel.
Der Ring, den er ihr vor nicht mehr als einem Monat feierlich an den Finger gesteckt hatte, glänzte im Mondschein.
"Du bist so unfassbar schön", flüsterte er, seine Stimme tief wie das Meer.
Sie wusste bis heute nicht, wie sie ihm jemals all die lieben Worte zurückgeben konnte.
"Nur weil du mich so glücklich machst", erwiderte sie und legte ihr Ohr an seine Brust
Es gab kaum einen Ort, an dem sie sich geborgener fühlte, als in seinen Armen. Kaum eine Melodie, der sie lieber lauschte, als dem Schlagen seines Herzens.
So standen sie zu zweit im Mondenschein, beide unwillig sich von dem anderen zu lösen und würde man neben ihnen stehen, dann könnte jeder die Liebe sprechen hören.

Ende

-----------------------------------------------------------
Natürlich ist ihre Geschichte noch nicht zu Ende, ich bin mir sicher sie werden noch oft durch das Universum reisen und sich der Gegenwart des anderen entzücken, doch an dieser Stelle werden wir jenes nur noch in unserer Fantasie weiter verfolgen können.
Ich möchte einmal ganz groß Danke sagen für jeden Leser und jedes Kommentar! Danke auch für euer Verständnis, was die teilweise großen Pausen angeht.
Ich bin froh zu einem Ende gefunden zu haben.
Was zukünftige Geschichten angeht, kann ich nichts versprechen. Es wird einen Moment geben, in dem mich eine Idee am Herzen packt und ich zu schreiben beginne.
Bis dahin habe ich auch noch eine Menge begonnene Werke, die ich beenden und mit euch teilen könnte.
Bis demnächst einmal <3

I want to be a pilot // ReyloWo Geschichten leben. Entdecke jetzt