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; yoongi pov

Von meinen Tagträumen leicht benommen taumelte ich den, mit Kies und Sand bestreuten, Weg entlang. Ab und zu kickte ich einen der besagten Kieselsteine auf den weiterführenden Weg vor mir. Meine Hände in den Taschen meiner Jeansjacke verstaut atmete ich genüsslich die frische Luft ein, welche mich umgab und ließ verträumt meinen Blick über das Gelände des riesigen Gebäudes gleiten.
Es ist echt lange her gewesen, dass ich die Chance bekam mich außerhalb meines Zimmers oder so einem Therapiezimmer aufhalten zu können.

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen ging ich also weiter, zog die Kapuze meines grauen Pullovers etwas tiefer in mein Gesicht, da die Temperaturen spürbar fielen und mir langsam aber sicher frisch um die Ohren wurde.
„Wie kannst du bitte lächeln wenn du weißt, dass du von diesem Jishit echt erbärmlich abserviert wurdest?“, erklang wie aus dem Nichts die Stimme von Suga in meinem Kopf – wie ich mich nach dieser doch schon sehnte.

Augenblicklich verdrehte ich genervt meine Augen nach hinten und versuchte mich einfach weiter auf die schöne Atmosphäre zu konzentrieren, die durch die langsam auftauchende Sonne und die verschwindenen Wolken erschaffen wurde.
„Du ignorierst mich. Das heißt, dass du denkst, dass ich Recht habe. Stimmt's? Ich hatte von Anfang an Recht, von Anfang an, Yoongi!“, hörte ich ihn dann nach noch nicht einmal zwei Minuten wieder sagen, dabei grinste er ganz klar gehässig.
Das Seltsame jedoch war, dass er nicht als eine Halluzination vor mir erschien – dies passierte nämlich sonst jedes Mal.

„Erstens heißt er nicht Jishit, sondern Jimin. Und zweitens hat er mich nicht abserviert! Er meinte in dem Brief, dass er bald–“, flüsterte ich leise zu mir selbst, damit ich von den paar Menschen um mich herum nicht als vollkommen verrückt angesehen wurde. Doch die Stimme meines ach so tollen Inneren.
„Ach echt? Hast du vergessen welcher Tag heute ist?“

„Mittwoch?“, gab ich wieder kleinlaut von mir, hielt meinen Kopf dabei etwas gesenkt.
„Richtig. Und jetzt denk Mal nach: Jishit hat sich die ganze letzte Woche nicht bei dir blicken lassen. Das heißt, es ist jetzt die vierte und letzte Woche seines Praktikums. Denkst du wirklich er wird sich nach der ganzen Zeit noch für dich interessieren?“, war das Letzte, was ich von ihm zu hören bekam, bevor seine Stimme nach und nach verblasste und ich wieder Ruhe von ihm hatte.

Fast nicht hörbar stieß ich ein Seufzen aus und fuhr mir nachdenklich durch meine Haare. Suga hatte Recht. Die ganze letzte Woche hatte Jimin mich hier allein sitzen lassen, hat nicht einmal wieder in einen Brief von sich hören lassen.
„Min Yoongi!“, hörte ich eine, mir bekannte, Stimme einige Meter hinter meinem Rücken und wurde dadurch aus meinem Gedankengang gerissen.

Mit einem verwirrten Blick drehte ich mich zu dem Besitzer der Stimme um und erblickte auch schon den gestresst aussehnden Doktor Kim. Mit einem besorgten, aber gleichzeitig auch leicht genervtem Gesichtsausdruck joggte der Ältere auf mich zu.
„Was hast du dir denn dabei gedacht alleine nach draußen zu gehen? Suga hätte auftauchen können, und das weißt du.“, mahnte er mich, wirkte beinahe wie ein besorger Vater und griff nach meinem Handgelenk.

Anscheinend wollte er mich wieder mit in das Gebäude ziehen, doch ich entriss mich seinem Griff um meinen dünnen Arm in Binnen von Sekunden.
„Lassen sie mich gefälligst los! Was fällt ihnen eigentlich ein?!“, zischte ich mit bedrohlicher Stimme hervor und hätte mich beinage an meiner plötzlich schlechten Laune verschluckt.
Es war wieder dieser Moment, wo ich meine Reaktionen und auch Gefühle zu kontrollieren. Das war schon einmal so gewesen, damals als mir die Fäden gezogen wurden. Sonst hat sich so eine Situation und so ein Gefühlsausbruch meinerseits noch nie ergeben.

„Hey hey hey, ganz ruhig. Ich wollte dich nur holen, du hast nämlich Besuch.“, gab er mit einem warmen Lächeln von sich. Sofort wurden meine Augen um ein Vielfaches größer. „B-besuch?“, stotterte ich hervor. Der Ältere gegenüber mir nickte, behielt sein verschmitztes Grinsen dabei stets.
Ihm schien es anscheinend zu gefallen, mich nach so langen Jahren so aufgeregt zu sehen.

✖✖✖

Aufgeregt sprintete ich den Gang entlang, beachtete den Arzt irgendwo hinter mir kein bisschen und riss eine Sekunde später auch schon die Tür zu meinem Zimmer auf.
Doch anstatt das zu erwarten, was ich dachte – einen blondhaarigen Jungen mit einem süßen, runden Gesicht – bekam ich jemand anderen vor die Augen.

„M-mom?“, nuschelte ich beinahe unkenntlich hervor und betrachete die Frau vor mir, die ich seit mittlerweile schon wieder fast fünf Monaten nicht mehr sah.
„Hallo Yoongi.“, äußerte sie sich trocken, beäugte mich von oben bis unten. „Du bist ganz schön blass geworden, liegst sicherlich den ganzen Tag nur im Bett, hm?“, scherzte sie, was mich jedoch alles andere als zum Lachen oder Grinsen brachte.
Für eine so lange Zeit hatten wir beide uns nicht mehr gesehen und sie umarmte mich noch nicht einmal – so wie es eigentlich jede Mutter getan hätte. Sondern kam direkt mit ihren dämlichen Kommentaren an.

„Ist das dein ernst?“, presste ich hervor und formte meine Hände zu Fäusten. Verdutzt sah sie mich an, zog ihre Augenbrauen etwas nach oben. Dies dührte dazu, dass man das ein oder andere Fältchen auf ihrer Stirn erblicken konnte.
„Wie?“, machte sie einfach nur, was mich meine Fäuste noch fester zusammen pressen ließ.

„Du hast dich hier seit fast einem halben Jahr nicht mehr blicken, umarmst deinen eigenen Sohn noch nicht Mal und kommst direkt wieder mit deinen scheiß Kommentaren an?!“, fauchte ich sie an, konnte dabei spüren, wie sich langsam aber sicher Wut in mir breit machte.
„Weißt du denn überhaupt was ich habe? Oder ist das Ganze mit dieser Psychiatrie nur eine Vollzeit Lösung um mich loszuwerden?!“, schrie ich sie dann an, merkte dabei deutlich, wie das Fass bald am Überlaufen war.

Ich wusste nicht woher diese plötzliche Wut kam, auch dies ist noch nie zuvor so urplötzlich geschehen. Ich wusste, dass ich mich nicht kontrollieren konnte, wenn dies so weiterging. Versuchend mich etwas in Grenzen zu halten presste ich meine Lippen fest zusammen.

„Warum schreist du mich denn jetzt so an? Ich wollte dich doch nur Mal besuchen kommen.“, entgegenete sie mir schulterzuckend und wendete sich ab, um ihren Blick durch mein unaufgeräumtes Zimmer gleiten zu lassen.
„Mal. Genau das ist es ja! Schon fünf Monate hast du mich hier sitzen lassen. Alleine! Du glaubst gar nicht wie sehr ich hier am Versauern bin!“, schrie ich die Frau mit den schulterlangen, braunen Haaren an.

Auch meiner Mutter schien in diesem Moment auch noch der letzte Faden zu reißen, schnaubend sah sie mich an.
„Warum bist du dann nicht schon längst versauert, mh?! Nutzloses, undankbares Ding! Immerhin muss ich mit dem verdammten Gedanken auskommen, dass mein einziger Sohn nicht richtig im Kopf ist!“, schrie sich mich an, ihre Stimme schien einen gefährlich aggressiven Ton anzunehmen.

„Ich?! Wer von uns beiden ist denn bitte die Rabenmutter, die sich nicht um ihr einziges Kind kümmern ka–“, versuchte ich aus voller Kehle schreiend von mir zu geben, doch mich unterbrach diesmal ein lautes Klatschen. Augenblicklich stockte ich und fand meinen Blick auf der rechten Seite des Zimmers wieder.
Meine Wange fing an zu schmerzen und ich realisierte erst nach einigen Sekunden, dass meine Mutter mich gerade geschlagen hatte.
Etwas, was sie noch nie getan hat.

Einfach stumm stehen bleibend, mit meinen Blick auf den Boden gerichtet, lauschte ich dem Rascheln der Jacke von ihr. Schnell zog sie sie sich über, schlug hörbar ihre Tasche um die Schulter und stolzierte mit lauten Schritten zur Tür.
„Dein Vater wäre nicht stolz auf dich gewesen.“, hörte ich noch von ihr, ehe meine Tür lautstark ins Schloss fiel.

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y'all please be no silent readers :(

shadesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt