Ich hebe meinen Kopf als ein Schatten auf mich fällt. Der Junge, den ich zuvor mit Hayden knutschend im Park gesehen habe, steht direkt vor mir und sieht mich nachdenklich an. Ich schlucke und merke, wie meine Handflächen nass werden. Sein Mund öffnet sich, dann runzelt er die Stirn und schüttelt den Kopf. Ich starre ihn mit großen Augen an und blicke ihn fragend an.
Er wendet sich ab und bringt dann seinen Teller zu dem Wagen, der für das benutzte Geschirr vorgesehen ist. Dabei lässt er mich nicht aus den Augen. Zwischen seinen Augenbrauen bildet sich eine tiefe Furche. Mir wird mit jeder Sekunde unwohler und ich merke, wie ich immer tiefer in das weiche Polster der kleinen Sitzbank rutsche. Mit langsamen Schritten verlässt er das kleine Café, dabei starrt er mich weiterhin konzentriert an.
Fällt ihm eigentlich auf, wie gruselig er wirkt? Was ist das für ein Typ, der seine Freundin erst halb im Park auffrisst und einem anderen Mädchen dann mit Blicken durchbohrt?
Endlich wendet er seinen Blick ab und zieht stattdessen sein Handy aus seiner Hosentasche. Er tippt eifrig darauf herum, dabei fallen ihm dunkelblonde Strähnen ins Gesicht. Ich wage es kaum zu atmen erneut und starre ihm hinterher.
Zielstrebig schlägt er den Weg zu den Stationen ein. Ich vermute, dass er ein Patient hier im Krankenhaus ist. Schließlich verschwindet er aus meinem Blickfeld.
Ich seufze leise und schiebe das Stück Kuchen, das ich nur halb aufgegessen habe von mir weg. Der Appetit ist mir irgendwie vergangen. Mein Handy klingelt leise und ich sehe, dass Zac mir eine Nachricht geschrieben hat. Er wartet auf dem Parkplatz. Ich schnappe mir meine Jacke und stelle den Teller mit dem Kuchen neben den des Jungen in den Abräumwagen. Stirnrunzelnd gehe ich in die Richtung des Ausgangs und versuche das Bild der knutschenden Hayden aus meinen Gedanken zu verdrängen.
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"...wusstest du übrigens, dass ich Dylan viel schöner finde als Cole Sprouse?", will Val von mir wissen. Ich schüttle grinsend den Kopf und klemme mir das Handy zwischen Schulter und Ohr, um einen Bücherstapel von meinem Bett zu hieven.
"Der einzige Unterschied zwischen den beiden ist doch die Haarfarbe, oder?"
Val stöhnt genervt auf und ich stelle sie mir bildlich vor, wie sie die Augen verdreht und die Hände über den Kopf zusammenschlägt.
"Judy Ross, jetzt erzähl mir bitte nicht, dass du die beiden anhand von der Haarfarbe unterscheidest."
Ich kichere leise und lege mich in mein Bett. Mit einem Handgriff löse ich die Prothese von meinem Bein und atme erleichtert aus, als sich der Druck von meinem Oberschenkel löst. "Dir ist hoffentlich klar, dass die beiden Zwillinge sind, oder?"
Ich vernehme aus den Lautsprechern nur ein leises Brummen und kurz darauf ein Rascheln, das sich verdächtig nach einer Packung Chips anhört.
"Also", wechselt Val das Thema, "wie war deine Physio heute?"
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Kämpferherzen
General Fiction"Ich kann dir nicht versprechen, dass ich all deine Probleme lösen kann. Aber ich kann dir versprechen, dass du nicht alleine kämpfen musst." ___ Ich glaube nicht an Schicksal. Ich glaube nicht daran, dass unser Leben vorprogrammiert wird, sobald wi...