DREIUNDZWANZIG - Judy

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Meine Finger sind klamm von der kühlen Septemberbrise, die über den Krankenhausparkplatz weht und die ersten vertrockneten Blätter aufwirbelt

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Meine Finger sind klamm von der kühlen Septemberbrise, die über den Krankenhausparkplatz weht und die ersten vertrockneten Blätter aufwirbelt. Vincent neben mir zieht sich den Reisverschluss seiner Jacke weiter nach oben und versteckt seine Nase hinter dem Kragen. Seine Hände hat er tief in die Jackentaschen gestopft.

Ich habe ihm bereits zweimal gesagt, dass er gerne nach Hause fahren kann, wenn es ihm zu kalt ist, aber er bestand darauf, hier mit mir auf Miles zu warten. In meiner Brust breitet sich eine wohlige Wärme aus, als ich an die letzten eineinhalb Stunden zurückdenke, in denen ich den Jungen neben mir besser kennenlernen durfte. Neben dem Stück Himbeertorte und drei Tassen heißer Schokolade, durfte ich mit eigenen Augen sehen, dass Vincent ein aufgeweckter Kerl ist. Seine Augen blitzen, wenn er Schokoladentorte sieht und er scheint genau zu wissen, wie er auf andere Menschen wirkt.

Letztendlich hat er darauf bestanden, dass er die Rechnung für unseren Cafébesuch übernimmt. Was mir tatsächlich etwas unangenehm war, da ich so das Gefühl hatte, dass unser Treffen so etwas wie ein Date war. Das war aber keineswegs der Fall, es war vielmehr ein Kennenlernen, das zu einer späteren Freundschaft führen könnte. Ich habe ihm deshalb nur erlaubt zu zahlen, wenn ich dafür die nächste Rechnung übernehmen darf.

„Die nächste Rechnung", wiederholte Vincent darauf meine Worte und seine Augen blitzen wieder verschmitzt. „Hört sich schön an."

Meine Mundwinkel verziehen sich zu einem Lächeln, als ich den Geruch nach Minze neben mir einatme, den Vincent verströmt. Es ist kein penetranter Geruch, ich würde ihn als angenehm beschreiben. Er passt zu Vincent. Irgendwie könnte ich ihn mir nicht anders vorstellen.

Judy Ross, was redest du für einen Schwachsinn? Es ist nur der Duft eines Menschen. Alle acht Milliarden Menschen auf dieser Erde haben ihren eigenen Geruch.

Aus dem Augenwinkel mustere ich den Jungen neben mir. Vincent steht aufrecht und selbstbewusst da und hat einen wachen Blick. Seine Haare sind leicht zerzaust, wobei ich zugeben muss, dass ich sie noch nie anders gesehen habe. Aber es steht ihm, keine Frage.

Das laute Quietschen von einer Autobremse lässt mich zusammenzucken. Miles Wagen schlängelt sich die Auffahrt zu uns hinauf, seine Scheinwerfer leuchten grell. Mit einem leisen Seufzen, realisiere ich, dass nun die Zeit, die ich zusammen mit Vincent verbringen durfte, tatsächlich vorbei ist.

„Da kommt mein Bruder", murmle ich und wende mich dem Jungen neben mir zu. Vincent lächelt und neigt seinen Kopf zur Seite.

„Ich hoffe, dir hat es zumindest halb so gut gefallen, wie mir", erwidert Vincent. Ich nicke schnell und merke, wie sich auch bei mir ein Lächeln ins Gesicht schleicht. Ich schlucke schwer, als Vincent seine Arme ausbreitet und mich in eine feste Umarmung zieht. Mein Herz macht einen Purzelbaum und ich merke, wie es plötzlich in meinem ganzen Körper zu kribbeln beginnt. Angefangen in den Zehen meines rechten Fußes, bis zu meinem Kopf. Es ist ein angenehmes Gefühl und trotzdem macht es mir etwas Angst.

KämpferherzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt