SECHS - Vince

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Ich atme langsam aus und blicke nach draußen

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Ich atme langsam aus und blicke nach draußen. Es nieselt leicht vor sich hin, naserümpfend betrachte ich den tristen, grauen Himmel. 

Von Weitem sehe ich den Parkplatz, der wieder gut gefüllt ist. Schon jetzt kann ich den Zeitpunkt kaum erwarten, bis ich endlich in das Auto von meinen Eltern steigen und diesen Ort mehr oder weniger hinter mir lassen kann.

Ich schlucke und fahre mir durch meine Haare.

Meine Gedanken wandern zurück zu der Situation, in der ich mich vor einem halben Jahr befand. Als ich noch Probleme beim Sprechen und Gehen hatte. Als mir Hayden an schlechten Tagen beim Essen helfen musste. An die stützenden Arme von East, wann immer ich wegen der fehlenden Ausdauer auf dem Flur zusammenzubrechen drohte. An die vielen Tränen die meine Mama vergossen hat, wann immer sie Fortschritte sah und auch an die vielen schönen Momente mit meinem Dad, als wir zusammen in meinem Bett lagen und uns auf dem kleinen Fernseher sämtliche Sportschauen anschauten.

Ich blinzle schnell, als ich merke, wie mir Tränen in die Augen steigen. Die letzten Monate waren verdammt hart und ich realisiere immer mehr, wie wichtig mir meine Eltern, Hay und East waren - und auch immer noch sind.

Ich seufze leise und wische mir mit meinen Handrücken über das Gesicht. Komischerweise erinnere ich  mich noch gut an den Moment, als ich Hayden und East das erste Mal nach dem Koma wiedersah. Sie kamen beide zusammen in mein Zimmer, fest aneinandergeklammert, ja beinahe ängstlich.

Ich weiß noch, dass ich anfangs nicht klar denken konnte, als ich Haydens Haare auf meinem Arm gespürt habe, Eastons raue Hand meine Hand berührt hat. Wie mir Tränen in die Augen schossen. Ich wollte was sagen und kein einziges Wort kam heraus.

Wir waren alle drei wie in Trance.

Hayden sah so wunderschön aus, East war ... East und ich waren nur überwältigt. Hayden war die Erste, die sich bewegte, fiel mir um den Hals, schluchzte, weinte und flüsterte die ganze Zeit, dass sie es nicht glauben kann. 

Selbst East weinte. Easton. Mein bester Freund. Der, der sich beim Lacrosse die Seele aus dem Leib rennt und sich bei einem Sieg nicht lange mit Feiern aufhält, sondern sich schon die neue Taktik für das nächste Spiel überlegt. Der, der eiskalt sein kann und wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, so lange daran beißt, bis er es wirklich schafft.

Dieser Easton weinte tatsächlich, als wir uns nach der langen Zeit endlich wieder in die Augen sehen konnten. Hayden und East waren schon immer wichtig für mich, aber vor allem in den letzten Monaten wurden sie unbezahlbar.

Ein leises Klopfen an der Tür lässt mich zusammenzucken. Ich setze mich ruckartig auf und starre erwartungsvoll zu dem hellgrünen Holz, das just in diesem Moment aufschwingt. Herein kommen meine Eltern, im Schlepptau die zwei Chefärzte der Station.

"Hallo Vincent", begrüßt mich der Altere der beiden und lächelt mich freundlich an. 

"Hallo", erwidere ich und runzle die Stirn. Normal kommen die beiden nur, wenn etwas Schlimmes passiert ist. Oder wenn eine schwere Operation ansteht. Meine Hand beginnt leicht zu zittern, als ich daran denke und ich schlucke trocken. Ein mulmiges Gefühl breitet sich in meiner Magengegend aus. Sie werden doch nicht etwas Neues gefunden haben?

KämpferherzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt