Der Bassist setzt zu einem atemberaubenden Solo an, die einzelnen Töne dringen durch die kleine Bluetooth-Box, die East mit seinem Handy verbunden hat. Wir liegen nebeneinander in seinem Bett und hören das neue Album seiner Lieblingsband. Ich finde die Musik nicht schlecht, aber es gibt meiner Meinung nach definitiv bessere Bands. East hat die Augen geschlossen, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und ein leichtes Lächeln im Gesicht. Seine dunklen Haare stehen ihm in wirren Strähnen vom Kopf. Seine Brust hebt und senkt sich langsam, er sieht tiefenentspannt und zufrieden aus.
Ich wende meinen Blick von meinem besten Freund ab und starre wieder hoch zu der weißen Zimmerdecke. Ganz automatisch kaue ich wieder auf meiner Unterlippe und lasse die letzte Woche im Revue passieren. Die erste Schulwoche ist tatsächlich geschafft. Nachdem ich den Montag mehr schlecht als recht hinter mich gebracht habe, gab es tatsächlich keine weiteren Mental- Break-Donws gegeben. Zumindest nicht vor anderen. Selbst heute wurde mir noch schlecht, als ich mit meinen ehemaligen Mannschaftskameraden am Tisch beim Lunch saß und sie wieder das Thema auf die vergangene Saison lenkten. Inzwischen habe ich aber das Gefühl, dass sie akzeptiert haben, dass ich wieder zur Schule gehen, da sie mich die letzten zwei Tage, im Gegensatz zu Montag und Dienstag, nicht mehr angesehen habe als wäre ich ein bunter Elefant und mir den Bauch durch Fragen gelöchert haben.
Tatsächlich genieße ich es, wieder zur Schule zu gehen. Ich mag es, einen geregelten Tagesablauf zu haben, mag es auch, Neues zu lernen und irgendwie wieder zurück ins alte Leben zu finden. Auch wenn ich nie mehr an dem anknüpfen kann, was ich mir vor dem Unfall aufgebaut habe.
East trommelt mit seinen langen Fingern auf seinen Knien und wippt seinen Kopf leicht im Rhythmus. Mein Blick bleibt an ihm haften und meine Gedanken wandern zu den ersten Besuchen von East, als ich frisch aus dem Koma aufgewacht bin. Damals hat er mich behandelt, als wäre ich hauchdünnes Glas, das ihm jeden Moment runterfallen könnte. Er machte kaum einen seiner flachen Witze, beleidigte mich nicht mal auf seine typische East-Art und war generell nicht so aufgekratzt, wie ich ihn kannte. Natürlich war auch für ihn die Situation total überfordernd und nach kurzer Zeit gewöhnten wir auch wieder einander. Inzwischen ist es schon wieder fast so, als wäre ich nicht acht Monate lang halb tot gewesen.
Meine Gedanken driften weiter ab zu Hayden. Noch immer zerbreche ich mir den Kopf darüber, warum sie Judy am Montag Morgen so angefaucht hat. Auf meinen Armen breitet sich eine leichte Gänsehaut aus, als ich wieder an den teuflischen Gesichtsausdruck von meiner Freundin denken muss. So habe ich jedenfalls Hayden noch nie erlebt. Wieder rufe ich mir die vielen ehrfürchtigen und teilweise auch ängstlichen Blicke der jüngeren Schülerinnen in Erinnerung. Am Montag noch dachte ich, dass sie mich so ansehen, bis mir im Laufe der Woche klar wurde, das sie nicht vor mir....ja, Angst haben, sondern vor Hayden. Ich schmecke den metallischen Geschmack von Blut in meinem Bund und stöhne leise über meine eigene Dummheit, so lange auf der Lippe zu kauen, bis sie blutig ist.
Ich atme langsam aus und verirre mich wieder in dem Gedankenchaos in meinem Kopf. Hat mir Hayden an meinem ersten Schultag nicht gesagt, dass sie sich verändert hat und dann so komisch herumgedruckst? Was, wenn sie sich wirklich stärker verändert hat, als ich es wahrnehmen wollte?
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Kämpferherzen
General Fiction"Ich kann dir nicht versprechen, dass ich all deine Probleme lösen kann. Aber ich kann dir versprechen, dass du nicht alleine kämpfen musst." ___ Ich glaube nicht an Schicksal. Ich glaube nicht daran, dass unser Leben vorprogrammiert wird, sobald wi...