ZWANZIG - Vince

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Ich schließe genüsslich die Augen und atme tief durch

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Ich schließe genüsslich die Augen und atme tief durch. Die Sonne blitzt zwischen den Wolken hindurch, trotzdem schafft sie es nicht, den kalten Wind zu vertreiben, der über den Schulhof weht. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke weiter nach oben und greife dann nach meiner Box. Obwohl es für Ende September nicht mehr allzu warm ist, tummeln sich viele Schüler hier draußen und verbringen lachend und quatschend ihre Mittagspause zusammen. Seufzend strecke ich meine Beine aus, die nach diesem anstrengenden Vormittag schmerzen und öffne meine Box. Lächelnd betrachte ich das von meiner Mutter liebevoll hergerichtete Sandwich. Mit Hähnchenbrust und Erdnussbutter, genauso wie ich es mag.

Zwar bin ich heute später als sonst in die Schule gekommen und werde auch die letzten zwei Schulstunden auslassen, da ich noch nicht voll ins Unterrichtsgeschehen einsteigen darf, aber der Tag war bis dato trotzdem anstrengend genug. Bei den meisten Lehrern habe ich so eine Art „Sonderposten", was mich zwar nicht begeistert, aber in der letzten Stunde war ich doch froh darum, dass ich nicht ständig ermahnt wurde, als ich gefühlt die ganze Stunde aus dem Fenster rausschaute. Andererseits gibt es Mrs. Donkey, meine Geschichtslehrerin, die anscheinend meint, testen zu müssen, ob ich denn den Stoff im Krankenhaus wirklich genug nachgearbeitet habe. Eigentlich mag ich sie, aber nach dieser einen Stunde brummte mir wirklich so sehr der Kopf, als würden darin zwanzig Bienenvölker leben.

An sich haben sich die meisten schon wieder daran gewöhnt, dass ich von den Toten wieder auferstanden bin. Die Jungs aus meinem Team reden wieder ganz normal mit mir, machen wieder Witze auf meine Kosten und auch die ganzen anderen Mitschüler von mir sehen mich nicht mehr an wie eine moderne Vase, die bei jedem Wort und bei jeder Berührung zerbrechen könnte. Sicher, für mich ist es nach wie vor nicht ganz einfach, jeden Tag aufzustehen und herzukommen. Manche Erinnerungen sind sehr schmerzhaft. Zum Beispiel, wenn ich am Trophäenschrank in der Eingangshalle vorbei gehe und dort den Meisterschaftspokal des letzten Jahres sehe. Zu gerne, wäre ich dabei gewesen, hätte gerne mit den Jungs gefeiert und mich dann über die vielen Muskelkater beim Coach beschwert, die er uns mit seinen harten Trainingseinheiten beschert hat. Ich blinzle schnell die Tränen weg, die sich in meinen Augen ansammeln. Nicht hier, Vince, nicht hier, wo dich jeder sehen kann.

Plötzlich legt sich ein Schatten über mich. Stirnrunzelnd blicke ich auf und zucke zusammen. Vor mit steht Hayden. Ihr Blick ist leer, ihre Haut blass. Ihre Haare hängen in matten Strähnen herunter und was sonst so etwas wie ihr Markenzeichen war, sieht jetzt aus wie ein Vorhang, hinter dem sie sich verstecken kann. 

Bei ihrem Anblick beginnt mein Herz schneller zu pochen. Ich schlucke schwer und blinzle einmal. Zweimal. Aber sie ist noch immer vor mir und kaut auf ihrer Unterlippe. Früher wäre sie nie so vor mir gestanden. So gesenkt, die Schultern nach oben gezogen. Beinahe Schüchtern. Sie war das Selbstbewusstsein in Person. Ihre tiefen Augenringe konnte auch nicht ihr teurer Concealer verdecken, den sie immer aufträgt. Selbst wenn sie den ganzen Tag Zuhause ist, trägt sie diesen Pampe auf, was ich nie verstehen konnte. Mir gefiel sie natürlich immer besser. 

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