Z E H N

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Die jenige die er zeichnete war ich. Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken hinab. Aus Wut schlug ich das Skizzenbuch zu. Ich konnte mich als Ebenbild nicht ertragen. Damon zeichnete mich aus seinen Erinnerungen heraus, und das stand auch darunter. Mein Name. Die Zeichnung entstand, wo ich ihn noch nicht mal kannte. Er musste mich wohl schon etwas länger davor beobachtet haben. Ich versteckte das Buch unter der Couch.

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Nun saß ich den ganzen Tag auch meinem Sofa und tat nichts. Einfach nichts. Ich schaute zum Fenster und blickte in das dunkle nichts. Es war schon abends. Um diese Zeit schmollten schon die Köter. Ich wusste nicht was anzufangen mit mir. Ich fühlte mich total entwurzelt. Was ich jetzt brauchte war Zerstreuung. Pure Zerstreuung. Es war vergleichsweise ruhig, im Gegensatz zu heute Nachmittag. Von Null auf Hundert beschloss ich aufzustehen und in die Köter-Bar, verkleidet, zu stolzieren. Samt Gitarre und Ausrüstung schmiss ich die Türe hinter mir zu und wagte mich in den Wald.

Ein Teil meines Verstands erklärte mich für komplett durchgeknallt, der andere wusste sich nichts besseres zu tun. Da der eine Teil meines Verstands keinen besseren Vorschlag bringen konnte, musste ich sie zerstreuen. Meine Wut, Angst und Verzweiflung. Also zog ich los.

Es war kalt doch es war mir egal, nichts und niemand konnte mich mehr aufhalten. Mein Vorhaben war Unterschrieben und Gestempelt. Ich richtete mir die Perücke, die ich hasste, zurecht und warf noch einen kurzen Seitenblick ein. Alles wie immer. Oder?

Ich verurteilte mich selbst nicht mehr für das was ich betrieb, also riss ich die Türe dieser alten Bar auf und trat selbstbewusst hinein. Mein anderes ich fing womöglich schon zum Kopfschütteln an. Doch dieses mal war die Ecke in meinem Verstand leer, es kroch heraus, stärker als je zu vor und mein gesunder Werwolfs-Verstand wurde in den Zwinger gesperrt. Was konnte mich doch aufhalten?

Das Mikro stellte ich auf meine Höhe und überprüfte die Gitarre. Ich räusperte einmal kurz in das Mikrofon. Die Meute drehten sich von deren Stammtischen um und starrten mich alle mit großen Augen an. Ich zupfte die erste Saite meiner Gitarre an und die Wölfe begannen zu jubeln. Euphorie die sich in mir ausbreitete. Oder diese andere Seite in mir.

"Bad Guy."

"White shirt now red, my bloody nose. Sleeping, you're on your tippy toes. Creeping around like no one knows. Think you're so criminal. Bruises, on both my knees for you. Don't say thank you or please. I do what I want when I'm wanting to. My soul? So cynical."

Die Leute mochten diese Art von Musik, die Texte. Verdreckt und irgendwie Psycho. Es widerspiegelte hier irgendwie jeden. Die Art wie ich diese Lieder Coverte, so wie ich sie ihnen präsentierte. Mit einer einfachen Gitarre und einer rohen Stimme.

"So you're a tough guy. Like it really rough guy. Just can't get enough guy. Chest always so puffed guy. I'm that bad type. Make your mama sad type. Make your girlfriend mad tight. Might seduce your dad type. I'm the bad guy."

Mein anderes Ich. Es nahm überhand. Es steuerte mich, es besaß mich. Die pure Bosheit, sie zeigte sich. Meine Perücke verrückte etwas als ich im Elan sang. So kam mein anders Ich auf die brillante Idee sie einfach abzunehmen und in die Meute zu werfen. Gedacht, getan. Nun war ich nicht mehr die Köter-Bar-Sängerin sondern Yuna Magdalena Morgan die auf dieser Bühne stand.

"I like it when you take control. Even if you know that you don't. Own me, I'll let you play the role. I'll be your animal. My mommy likes to sing along with me. But she won't sing this song. If she reads all the lyrics. She'll pity the men I know."

Die Köter waren sehr amüsiert über meine 'Entblößung', sie feierten wer ich war und was ich tat. Es störte sie offensichtlich nicht, dass ich jemanden anderes vorgab zu sein. Im Gegenteil sogar, für sie war es eine Show. Eine Show war genau das was sie alle wollten. Ich gab ihnen genau das. Und was brachte es mir? Nichts außer ärger. Der nächste Vers begann eigentlich schon längst. Doch die Gitarre spielte weiter den gleichen Akkord. Wieder und wieder.

"I'm only good at being bad, bad.I like when you get mad.
I guess I'm pretty glad that you're alone..."

Ich und meine Hände, die die Gitarre spielten, stoppten abrupt. Ich konnte es nicht ertragen. Mich, und dieses verdammte Lied. Was tat ich nur? Was dachte ich mir dabei nur. Die Leute starrten mich an als wäre ich Frischfleisch. Es war plötzlich so ruhig, so ausgestorben. Nervös blickte ich um mich. Meine Atmung verschnellerte sich und ich wurde sichtlich nervös.

"Scheiße."

Ich packte mein Zeug und floh förmlich von der Bühne. Die Meute machten mit schockierten Blicken platz und bildeten eine Schlange die mich direkt zur Tür führte. Stürmisch riss ich die Türe auf und mir kam schlagartig eine Windpeitsche ins Gesicht. Das Wetter konnte sich im Oakville von der einen auf die andere Sekunde schlagartig ändern.

*Applaus*

Ich drehte mich um und erblickte Vincent der klatschte. "Du bist doch tatsächlich die Barsängerin.", spitzelte er ironisch. Ernst wollte ich mich wieder von ihm weg wenden. "Warum? Warum machst du solche Dummheiten?", rief er mir noch nach. Ich seufzte.

Vincent rannte mir nach. "Ey, wieso zeigst du mir jedes mal die kalte Schulter wenn ich mit dir sprechen möchte?" "Weil du immer dann mit mir sprechen möchtest, wenn es gerade sehr unpassend ist.", antwortete ich ihm kühl.

"Weißt du eigentlich dass du echt keinen guten Eindruck machst. Man würde fast denken du hältst dich für was besseres.", warf er mir vor. "Was juckt es mich was andere über mich denken?!", motzte ich. "Siehst du? Genau das meine ich!", schrie er und gestikulierte wild mit seinen Händen herum.

Kopfschüttelnd wand ich mich wieder ab, und drehte mich anschließend wieder zu ihm um. "Komm mit.", sagte ich und deutete ihm mir zu folgen. Ich nahm ihn mit quer durch den Oakville, nur um zu dieser Stelle zu gelangen. Schweigsam.

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"Hier her brachten sie mich als ich neu hier her kam." Eine Lichtung, die vor Größe nur so strotzte. Und in mitten dieser Lichtung stand eine herkömmliche Parkbank. "Warum zeigst du mir das? Ich kenne diesen Ort, jeder kommt hier auf dieser Bank an."

"Sie betäubten uns und ließen uns hier ahnungslos aufwachen.", erzählte Vincent. "Auf einer Parkbank.", ergänzte ich.

Eigentum des Mondkönigs und dem Königlichem Sitz.

"Mir währe es lieber gewesen in einem Drecksloch aufzuwachen, als auf dem Eigentum des Königreichs. Ach ja, wir sind jetzt ja auch Eigentum des Königs.", dachte ich laut nach. "Wieso brachtest du mich hier her?", wollte er wissen.

"Damit du begreifst wie es ist von Null starten zu müssen, nach einer Veromegarung. Ich bin nicht mehr die mächtigste Alpha Portlands, ich bin jetzt Eigentum des Königreichs."

YUNA - the hidden omegaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt