V I E R U N D F Ü N F Z I G

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Ein Haufen Schutt und Asche, nicht mehr aber auch nicht weniger. Der Anblick war deprimierend. Der Ort wo der vermeidliche Greeze Jahrzehnte verbrachte, einfach ein Haufen Staub. „Wie sollen wir hier eine unzerstörbare Kette finden?", fragte Vincent verzweifelt. Ich zuckte ratlos mit den Schultern: „Es ist das einzig ganze Stück in diesem Haufen."

„Bitte sag mir jetzt, dass du irgendwelche mondkönigliche Fähigkeiten hast!", bettelte Vincent ironisch. Wir beide mussten laut loslachen. Irgendwie seltsam in dieser Situation, wo alles um uns eine einzige Katastrophe war, konnte ich mit jemanden lachen den ich vor einigen Stunden noch hasste. Ich krempelte meine Ärmel hoch und begann im Staub zu graben. Ein paar Sekunden starrte mich Vinc verdutzt an bis er bemerkte, dass es kein Scherz war.

„Wofür braucht Greeze oder Acair diese Kette?", fragte er mich nach einer Zeit wühlend im Staub. „Ich denke es ist eine Kraftquelle. Da er seinen alten Körper wiederhat, ist er auch geschwächt." Er schaute auf und öffnete den Mund um etwas zu sagen, tat es aber dann nicht und grub weiter nach der besagten Kraftquelle.

Während wir da so dahin gruben, kamen mir alle möglichen Erinnerungen unter. Wie ich dort Stunden saß und zeichnete. Dieser Baum in Greeze's Hof, den ich gefühlt tausendmal in mein Skizzenbuch kritzelte. Der exzellente Kaffee und die angenehm kühle Luft. Ich schaute nach links und erinnerte mich an die Quelle, wo Yuna immer Wasser holen ging. Was mich daran immer so faszinierte war, dass nur Yuna diese Quelle kannte. Es zog sie irgendwie immer an Orte, wo noch nie eine Menschenseele war. Sie sah immer die kleinen Dinge und wusste sie zu schätzen.

„Ich weiß was du denkst, über uns Vampire... Aber wir sind auch nur Seelen wie ihr Werwölfe. Ich kann nichts dafür was ich geworden bin. Ich muss auch damit leben.", kam plötzlich aus dem nichts. Ich sagte nichts darauf. Er hatte irgendwie recht. Die meisten Blutsauger haben sich ihr neues blutloses Leben nicht ausgesucht. Aber man kann sich sehr wohl aussuchen, wie man sich als solch eine Kreatur verhält. Welche Moral man verfolgt. Ob man aus lebendigen Menschen trinkt, oder aus bestehende Blutbeutel.

„Sprechen wir doch über den Vampir-Werwolf Konflikt, wenn wir Yuna's Leben gerettet haben!", sagte und grub noch schneller. Hastig nickte er und passte sich meinem Tempo an. Es fühlte sich so seltsam an, im Dreck zu graben, wenn Yuna's Leben auf der Kippe stand. Was ist wenn ich sie verliere und es dann für immer bereuen muss, dass ich ihre letzten Tage nicht mit ihr verbracht habe. Ich schüttelte den Kopf um diesen Gedanken zu verbannen.

„Es tut mir so leid, Damon. Ich hab's echt verbockt. Ich habe Schuld an allem.", platzte plötzlich aus ihm heraus. „Ich habe Yuna damals geholfen, aus der Welt zu fliehen."

„Du kanntest doch die Folgen davon nicht. Außerdem wäre sie sowieso irgendwann von alleine aus dieser toxischen Welt geflohen.", kicherte ich traurig. „Stimmt, so schlau wie sie ist.", stimmte er mir zu. „Trotzdem mache ich mir noch immer Vorwürfe."

„Ich hab sie!!", schrie ich auf als ich plötzlich ein Lederband mit einem Holzanhänger, in Form eines keltischen Zeichens, in der Hand hielt. Ungläubig musste sich Vincent davon überzeugen und griff die Kette an. „Tatsächlich!", staunte er. Wir standen beide auf ich sah ihn an. Er war von oben bis unten voller Staub und Asche, und ich wohl ebenfalls da er mich breit angrinste. Ich war verdammt froh, dieses verfluchte Ding in meiner Hand zu halten. „Ich löse mein Versprechen ein und begleite dich noch zum Portal.", sagte Vincent und stieg aus dem Berg aus Schutt heraus. Ich nickte ohne zu protestieren und ging voran.

„Danke, dass du mir beim Suchen geholfen hast. Alleine hätte ich das nicht geschafft.", meinte ich als ich vor dem offenen Portal stand. Vincent klopfte mir auf die Schulter und sagte leicht lächelnd: „Rette deinem Mädchen das Leben, mein Freund."

„Wenn ich das schaffe, werden wir vielleicht noch Freunde.", antwortete ich und stieg durch das Portal.

Nach dem weißen Strudel, landete ich auf dem harten Boden in Adrians Keller. Ich griff noch einmal in meine Hosentasche, um zu prüfen ob Acairs Anhänger noch darin war. Erleichtert atmete ich aus und stand auf.

Als ich Adrians absolut vernachlässigtes Haus verließ bemerkte ich, dass es bereits dämmerte. Durch dieses ganze Weltenreisen, verlor ich mein gesamtes Zeitgefühl. Verwundert ging ich auf die Straßen von Portland, wo sich gerade der Berufsverkehr staute. Ich entschied mich also, ein Stück zu Fuß zu gehen, bevor ich Stunden im Stau stehen würde. Als ich dann endlich in ein etwas weniger Verkehrsreiches Gebiet kam, stieg ich in die nächste Straßenbahn und fuhr in Richtung Innenstadt zu meiner Wohnung.

Durch die Ringverbindung zwischen mir und Yuna spürte ich, dass sie gerade schlief weshalb ich sie nicht aufwecken wollte. Die Straßenbahn kam, meiner nächst gelegenen Haltestelle, näher und ich machte mich schon einmal aussteigebereit. Von der Ferne konnte ich bereits das komplett verglaste Hochhaus in dem ich wohnte sehen. Ich hatte das Privileg, dass ich überall  eine Wohnung zur Verfügung gestellt bekomme, von unserem schlosseigenem Markler. Meinem Vater war es nur Recht mich aus seinen Augen zu haben. Vielleicht wusste er ja schon, dass sein Lieblingssohn Endirs, noch am Leben ist. Da hätte er sich bestimmt sehr gefreut, seinen ältesten als Thronfolger zu sehen. Obwohl ich persönlich auf diesen Posten eh nicht scharf wäre, aber Endirs als Mondkönig wäre eine Katastrophe.

Die Tür der Bahn öffnete sich und ich hetzte schnell hinaus. Ich nahm die Beine in die Hand und rannte so schnell ich konnte zu meiner Wohnung. Mir war es so egal, dass Menschen meine übernatürlichen Fähigkeiten sahen. Mein Vater wird mich zwar wieder ermahnen, aber nichts war mir gleichgültiger als das in diesem Moment. Ich sah, wie plötzlich Menschen ihre Smartphones aus ihren Taschen zogen und, mit staunenden Gesichtern, diese auf mich zielten. Ich verschnellerte mich, da ich somit, durch meine Schnelligkeit, unerkennbar wurde. Schon wieder eine Übernatürliche Schlagzeile in den Menschenzeitungen.

Ich kam an der Eingangstüre meines Wohnhauses an und riss diese auf. Im Eiltempo rannte ich die Stiegen hinauf in das siebzente Stockwerk, der Aufzug wäre mir viel zu langsam gewesen.

Als ich vor meiner Haustüre stand und sie mir von Acair geöffnet wurde, spürte ich plötzlich eine ungewöhnliche Verbindung über den Ring. Ich warf Acair förmlich seinen Holzanhänger zu und rannte sofort in mein Schlafzimmer.

YUNA - the hidden omegaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt