F Ü N F U N D Z W A N Z I G

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Zeitsprung

"Wie lange kennst du sie schon?", fragte ich Frieda höchst interessiert über ihre Liebhaberin. Verlegen neigte sie den Kopf und überlegte kurz: "Eigentlich sein zwei Jahren, doch ich weiß erst seit einem Monat, durch reinem Zufall, dass sie auch so ist wie ich. Also Homosexuell."
"Ich hoffe du hast kein Problem mit meiner Beziehung. Schließlich bist du meine Alpha.", fügte sie schließlich unsicher hinzu. Ich guckte mich noch einmal zur Sicherheit im Archiv um, wo wir uns für ein privates Gespräch versteckten. "Um Mondeswillen, nein! Im Gegenteil, ich freue mich ungemein für dich. Du hast dich doch Jahre lang so alleine und anders gefühlt, ich bin froh dass du dich endlich selbst so akzeptieren konntest. Außerdem, warum haltet ihr eure Beziehung geheim, Homosexualität ist im Mond-Gesetz nicht verboten?"

Frieda seufzte und starrte dabei enttäuscht an die Decke: "Sie hat noch große Hemmungen ihr wahres Ich zu offenbaren. Layla hat sich noch nicht geoutet, und fürchtet sich vor den Reaktionen. Was ich total nachvollziehen kann da es mir genau so ging, nur gut dass ich ein gutes Umfeld hatte und das Rudel damit kein Problem hatte. Dafür bin ich dir und den anderen auf ewig dankbar."

"Anderes Thema. Was ist jetzt mit diesem Vincent?", wechselte sie das Thema schlagartig. Ich rollte die Augen genervt und seufzte: "Nichts gehört. Langsam kommt mir das alles aber auch sehr spanisch vor, da er in der Liste nicht aufschien. Ich muss einfach wissen was dort passiert."
"Aber du wirst doch nicht vorhaben da noch einmal hin zu gehen?", wollte Frieda sicherstellen. Ich antwortete nicht darauf, sondern verzog nur die Lippen. Keine Antwort war wohl auch eine Antwort. "Das kannst du nicht machen! Die suchen dich dort alle, das ist eine Mausefalle in die du hinein treten wirst."

Da musste ich ihr zustimmen, dennoch wusste ich mir keinen anderen Weg. Wer weiß, vielleicht war Greezly zu diesem Zeitpunkt noch immer im Oakville und verschwand niemals von dort. So viele Spekulationen schwirrten in meinem Schädel herum, doch keine klang wirklich logisch.

Hektisch sprang ich wie ein Wirbelwind auf und Frieda folgte mir überstürzt. Sie schnappte meinen Ärmel und hielt mich fest: "Mach das nicht, ich will dich nicht noch einmal verlieren." "Ich sehe keinen anderen Ausweg.", verteidigte ich mich. Enttäuscht musterte mich Frieda und nahm mich in ihre Arme. "Ich habe dich vermisst, Yuna.", meinte sie. "Ich dich auch. Ich werde zurück kommen, versprochen.", antwortete ich und löste mich aus ihren fesselnden Armen.

Ohne zur zu zögern, und ohne jegliche Vorbereitung, rannte ich los. Über die langen Gänge zurück wo ich herkam. Und da stand ich auch schon davor. Vor dem verschlossenen Tor. Doch seither war ich bewaffnet, mit einer einfachen Haarnadel. Als ich jung war lernte ich diese einfache, magielose Technik ein Schloss zu knacken. Ich bog die Nadel zurecht und drehte damit im Schloss hin und her. Die sogenannten Zähne im Schloss mussten alle auf einer bestimmten Höhe sein und dann musste man mit der anderen Seite der Nadel das Schloss drehen. Knack.

So einfach konnte es gehen, mit etwas Übung brauchte man dafür keine zehn Minuten mehr. Erneut sah ich mich ein paar mal um und trat schließlich bei der Türe hinein. Anschließend bog ich mir die Haarnadel wieder gerade und steckte sie unauffällig in mein Haar. Oder eher Perücke.

Vor mir war eine Art weißes Loch, wo ich hindurch treten konnte um in die Gefängniswelt zu gelangen. Es kam eisig kalt heraus und man sah auch einige Blätter darin herum wirbeln. Bevor ich einen Fuß nach den anderen setzte, tippte ich nochmals vergeblich auf meinen Ring. Nichts passierte jedoch, was mir signalisierte das Vincent immer noch verschollen war. Einmal holte ich   tief Luft und ging durch die weiße Höhle. Kurz umgab mich Dunkelheit und wenige Sekunden später stand ich auch schon mitten im Wald, neben einer großen, dicken, uralten Eiche. Ich musste mir unbedingt den Ort merken, damit ich wieder zurück gehen konnte, ich brach mir ein Stück Rinde von der Eiche hinunter und steckte sie in meine Jackentasche.

Dann viel mir auf dass ich definitiv falsch gekleidet war. Erstens war es eisig kalt und ich hatte unten rum nur einen Rock an, zweites trug ich Schuhe mit Absatz, die im Waldboden förmlich versunken. Ich zögerte nicht lange und zog mir diese unpraktischen Schuhe aus und lehnte sie hinter den Baum.

Die Stimmung im Wald war etwas merkwürdig, da man keine Vögel zwitschern hörte und nur der heulende Wind, der durch die Baumwipfel fegte, zu hören war. Doch ich war definitiv voll und ganz in meine Element als Wolf. So beschloss ich einfach kurzerhand mich in mein Element zu verwandeln, so war ich schneller und anonymer. Ich nahm mir die Kleidung vom Leib und legte das Stück Rinde vor mir auf den Boden. Erleichtert atmete ich durch und verwandelte mich anschließend. Meine vier Pfoten die am Waldboden auftrafen fühlten sich schon nahe zu fremd an. Mein Fell, wodurch der Wind etwas hindurch fegte, schmiegte sich seidig an. Nun merkte ich wieder, wie froh und erleichtert ich war wieder ein Wolf zu sein. Ich hatte es innerlich wirklich vermisst auf vier Beinen zu stehen.

Ich schnappte nach dem Stück Baumrinde und und rannte in Richtung Osten. Im Wald konnte man einfacher die Himmelsrichtung bestimmen, da man nur auf das Moos an den Bäumen achten musste. Zudem folgte ich einfach meiner Nase, denn die konnte ganz genau erkennen wo Zivilisation war. Doch es schien immer noch so beunruhigend still im Wald und ich hatte das beschwerende Gefühl, je weiter ich lief desto leiser wurde es um mich. Denn normalerweise war es hier Untertags bzw. gegen späten Nachmittag alles andere als ruhig, hier lebten Ripper und Verbrecher. Da ging's dann Abends immer richtig zu Sache: Revierkämpfe, Streitigkeiten, generell Machtkämpfe aber auch etwas fröhlichere Rudelversammlungen, oder sollte ich eher sagen Saufpartys.

Zusammengefasst etwas stimmte hier im groben nicht. Meine Nase jedoch witterte nicht mehr weit entfernt Häuser, oder vielleicht auch nur die Hinterlassenschaften davon. Ich konnte nur wissen, dass da etwas vorgefallen sein musste.

Doch das was ich mit eigenen Augen ansehen musste war mehr als nur vorgefallen, es war ein Massaker.

YUNA - the hidden omegaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt