D R E I

428 45 57
                                    

Irritiert schaute ich dem schönen jungen Mann nach und bewegte mich zu dem Tisch. Sein Auftreten war jedes mal aufs neue mysteriös. Es sah fast so aus, als habe er mich erkannt. Obwohl ich an diesem Tag Yuna war und gestern Abend die namenlose Barsängerin. Ein eigenartiges Verhalten das ich nicht verstand und vielleicht auch nicht verstehen musste.

Greeze kam mit zwei Tassen Kaffee in den wunderschönen Innenhof seines Geschäfts, stellte sie auf dem Tisch ab und gesellte sich zu mir. Ich nippte an dem heißen Kaffee und stellte anschließend stirnrunzelnd fest, dass er mir noch zu heiß zum Trinken war. "Ich war ja gar nicht dein erster Kunde heute.", sprach ich ihn auf meine Begegnung mit ihm an.

"Ja, der junge Kerl kam vor der Eröffnung schon hier her und bot mir gutes Geld für einen Kaffee und einen Platz in meinem Hof an.", antwortete er mir.

Diese ganze Geschichte war mir schon sonderbar. Zum einen ist er neu hier, aber hat genug Geld um Greezly zu überreden ihn früher herein zu lassen. Entweder ich täuschte mich und er lebt schon länger im Oakvilleforest oder er hat Geld mit sich geschmuggelt.

"Kennst du ihn?", fragte ich vorsichtig nach. Greezly schüttelte, mit zuckenden Achseln, den Kopf: "Ich habe diesen Mann noch nie zuvor gesehen. Kennst du ihn denn?"

Ich schüttelte ebenfalls ratlos den Kopf und erklärte darauf: "Ich hatte gestern eine eigenartige Begegnung mit ihm." Weiter wollte ich nicht mehr in die Geschichte eingehen, was gestern geschah. Schließlich musste ich mein kleines Geheimnis, dass ich die Sängerin aus der Altköter-Bar war, geheim halten. So etwas würde ich nicht mal dem lieben alten Greeze anvertrauen.

"Als ich hier her kam, dachte ich, ich würde hier niemanden Vertrauenswürdigen finden. Als müsste man hier ganz auf sich allein gestellt leben und sich selbst die Rehe reißen. Doch als ich dich kennenlernte, hatte ich plötzlich die kleine Hoffnung, dass es eventuell doch etwas hier gibt, an dem man sich festhalten kann. Nicht alle Kreaturen, die hier verbannt wurden sind Monster.", spekulierte ich laut. "Jeder macht Fehler. Mal schwerwiegendere oder leichtere. Man lernt hier das zu akzeptieren und mit den Umständen zu leben. Und wie du siehst kann man das erreichen.", appellierte Greezly.

"Du hast hier deinen Traum wahr gemacht. Jeder hier mag und akzeptiert dich, selbst die schlimmsten Schurken.", drückte ich meine Bewunderung aus. "Ja selbst die schlimmsten Schurken haben noch ein kleines bisschen Wärme im Herzen.", vervollständigte er meinen Satz.

"Denkst du ich habe noch Wärme im Herzen?", fragt ich Greezly etwas nachdenklich. "Veromegarung macht dein Herz zwar eisblau und steinkalt, doch deine innere Wärme, die kann dir niemand weg nehmen.", sprach mir Greeze zu.

Ob er da recht hatte, da war ich mir nicht so sicher. Ich merkte eine große Veränderung an meinem Wesen seit ich ein blaues Herz besaß. Das Blut das durch meine Adern floss, wirkte für mich wie das Quellwasser aus dem Bergen und jeder Herzschlag ließ mich förmlich erschaudern. Ob da noch Wärme vorhanden ist, ist fragwürdig.

Ich schlürfte den letzten Schluck aus meiner Kaffeetasse heraus und griff zu meinem Sackerl und holte das Geld heraus um zu zahlen. "Lass stecken, Yuna. Ich lade dich doch gerne auf einen Kaffee ein. Den Leib Brot und die Marmelade machen fünf Dollar.", sagte er großzügig. "Danke, Greezly.", bedankte ich mich und gab ihm das Geld mit einem lächeln in die Hand.

"Aufwiedersehen!", winkte ich ihm noch zu und marschierte aus dem Laden. Die Sonne stand schon wieder kurz vor Mittag, die Zeit verging bei Greezly einfach immer viel zu schnell.

Mit der Kanne und den Einkäufen ging ich zur Wasserquelle um noch etwas zum trinken und kochen zu holen. Die vielen Pfützen die sich im Wald sammelten, überstieg ich geschickt. Der Himmel war immer noch grau und düster. In Greeze's Kaffeehof wirkte es jedoch immer wunderschön. Als würde die nicht vorhandene Sonne immer bei ihm scheinen.

Die Amseln hatten heute wohl besonders gute Laune, sie übersangen heute jeden anderen Vogel. Die Tannen wogen im Winde und die schweren Wolken zogen vorbei. Das Pfeifen des Windes ließ jeden Bewohner hier erschaudern. Mein Haar wurde leicht nach vorne geweht und der Wind trug mich förmlich nach vorne. Ich konnte das Plätschern des Wasser nach einer Weile hören, es leitete mich in die richtige Richtung. Ich nahm die Fährte auf.

Ich erkannte eine Person an der Quelle im Schneidersitz sitzen. Was für ein Zufall. Dieser adrette schwarze Mantel des jungen Mannes, den ich von hinten sah, stich mir erneut ins Auge. Dieses mal hatte er die Kapuze nicht auf. Sein dunkles, fast schwarzes Haar war glamourös nach hinten gelegt. Jedoch sah es auch ein bisschen wild und eigensinnig aus, trotzdem wunderschön und passend. Wie er wohl von vorne aussah.

Schüchtern trat ich mehrere Schritte nach vorne und traute mich langsam näher. Als wäre ich ein scheuer und zugleich neugieriger Wolf, der sich nicht ganz sicher war. Nun konnte ich erkennen was er machte. Er schaute konzentriert durch seine Analogkamera und fotografierte das entspringende Wasser. Als das letzte Klicken ertönte, richtete er sein Augenmerk von seiner Kamera auf mich.

Sein Gesicht war leicht kantig aber auch so harmonisch geformt. Die Haare sahen auch von vorne genau so gut aus. So natürlich. Nicht gegelt, sondern einfach nach hinten gelegt. Zwei Strähnen hangen in sein Gesicht, was nebenbei bemerkt übertrieben gut aussah.

Leicht lächelnd trat ich an ihm vorbei und füllte meine Kanne mit Wasser auf. Ich sah wie er seine Kamera wieder vor sein Gesicht hielt und mich beim Wasser auffüllen fotografierte. Überrascht schaute ich zu ihm, in seine blau-gräulichen Augen und fragte ihn: "Wo lässt du diese Bilder hier im Oakvilleforest entwickeln?"

Als wäre er überrascht, dass ich mir überhaupt getraut habe etwas zu fragen, antwortete er mir: "Nirgends, ich hoffe einfach dass ich irgendwann die Chance bekomme hier raus zu kommen." Ich ging aus meiner Hocke und setzte mich mit der Kanne und den Einkäufen neben ihm in den Schneidersitz. Erstaunt von seiner ehrlichen Antwort meinte ich: "Das hoffen wir doch alle hier."

Stille.

"Du siehst nicht aus als würdest du hier verweilen.", traute ich mich schließlich zu sagen. Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte er mich an. Ich erschauerte. Plötzlich bereute ich es, diese Frage gestellt zu haben. "Du auch nicht.", gab er nach einer Weile zurück.

Er schaltete die Kamera aus und steckte sie zurück in seine Manteltasche. Sein Skizzenbuch und der Kohlenstift lagen auf seinem Schoß. Ich war neugierig was er wohl für Gedanken in dieses Buch gezeichnet hat. Zeichnungen sind meist immer das Spiegelbild einer Persönlichkeit. Leider hatte ich dieses Talent nie wirklich.

"Du kannst echt gut singen. Vererbtes Talent?", sagte er plötzlich. Ich erschrak. Er erkannte mich wieder. Sprachlosigkeit breitete sich über meine Lippen aus. Worte waren nun fremde Dinge für mich, als hätte ich es verlernt zu sprechen.

"Ich werde deine wahre Identität geheim halten.", wollte er mich besänftigen. Mit immer noch Angst gefüllten Pupillen, sah ich in seine in denen ein Wirbelsturm tobte. "Wie hast du mich erkannt?", sammelte ich ein paar Worte wieder auf. "Parfüm überdeckt zwar den Körpergeruch, aber nicht die wahren Augen die alles verraten."

Ich schluckte. Ich konnte mir schlecht die Augen rausschneiden und wieder einsetzen.

"Seit ich hier bin habe ich meine alte Leidenschaft wiederbelebt. Ich weiß leider nicht ob ich dieses Talent vererbt bekommen habe, da ich meine Eltern nie wirklich kennenlernen konnte.", gab ich ihm schließlich seine lang ersehnte Antwort.

Da sah ich etwas, das bis zu diesem Zeitpunkt noch nie sein Gesicht geschmückt hatte, in meiner Gegenwart. Ein Lächeln.

YUNA - the hidden omegaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt