V I E R U N D D R E I S S I G

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Mein Blick wechselte von dem blutenden Adrian zu Damon. In seine grau-blauen Augen, die einerseits so kalt und bedrohlich aussahen, andererseits so unschuldig und ruhig. Seufzend betrachtete ich Damons Bruder genauer und sah, dass sie Wunde bereits begann zu heilen. 

"Das ist unser Stichwort. Wir sollten abhauen bevor er wieder zu sich kommt.", meinte Damon und schritt nach vorne. Er legte seine Jacke, Schuhe und sein Hemd unter einem Baum ab. Sein Oberkörper, athletisch und zugleich auch sehr stark. Ich biss kurz die Zähne zusammen und hielt den Atem an. Damon verwandelte sich und blickte mich mit sein aufleuchtend, lila Augen an. Der große, schwarze Wolf vor mir forderte mich zur Verwandlung auf, während ich in einer Starre verharrte. Als ich geistig wieder zu mir kam verwandelte ich mich ebenfalls und folgte Damon in den Wald hinein. 

Es fühlte sich alles so echt an. In der echten Welt, verwandelt durch einen echten Wald streunen. Mir fiel plötzlich auf, dass es schon lange her war als ich das letzte mal in der Außenwelt war. Und kurzerhand vergaß ich all meine Probleme. 

Die Probleme kamen aber in Lichtgeschwindigkeit wieder zurück, als sich meine allseits bekannten Herzattacken wieder ankündigten. Ich klappte sofort auf allen Vieren zusammen und jaulte laut auf. Damon erschrak und drehte sich sofort um. Während ich versuchte meine Schmerzen irgendwie zu ertragen, verstand Damon die Welt endgültig nicht mehr. Er ließ kurzerhand seine lila Augen aufleuchten und starrte mich genau an. Als die Schmerzen allmählich nachließen, fragte ich mich dann doch was es mit seinem scannenden Blick auf sich hatte. 

Als seine Augen wieder erloschen, zuckte er etwas zusammen und musterte mich. Ich verstand nicht was er mir signalisieren wollte, lediglich dass ich ihm folgen sollte und zwar schnell. Er rannte vor mir wie ein Wirbelwind und ich konnte ihm kaum folgen. Federleicht lief er im Zickzack durch die Bäume. Ich merkte wie ich in den letzten Wochen schwächer wurde, weniger wittern konnte. Meine Schnelligkeit ließ ebenfalls nach. Ob das wohl an der Veromegarung lag? Doch die Symptome fielen mir erst richtig auf, als ich aus dem Oakville entfloh. Ich verstand die Welt nicht mehr. 

-

Wir rannten gefühlt seit Stunden durch diesen elendig langen Wald und kamen endlich zu einer langersehnten Wasserstelle. Damon trank davon und setzte sich nieder, während er mich beobachtete. Durstig trank ich von der Quelle und ließ mich danach völlig geschafft auf den Boden sinken. Ich war mittlerweile sehr müde und konnte Damon's Tempo kaum mehr folgen, obwohl er extra für mich langsamer lief. Sanft stupste er mich an und raunte in mein Ohr. Mit seiner Schnauze motivierte er mich aufzustehen, was er auch erfolgreich geschafft hat. Damon trabte nun langsam neben mir her und passte sich an mein Tempo an. Er signalisierte mir, dass wir es bald geschafft hätten und als ich nach vorne blickte, stießen Lichtstrahlen durch das Dickicht hindurch. Erleichtert atmete ich lange aus und verschnellerte mich kontinuierlich. 

Es wurde immer heller und bald konnte ich auch den Sonnenuntergang erkennen. Bald sah ich auch eine alte Holzhütte am Waldrand. Noch wenige Schritte und ich stand auf einer Wiese und spürte wieder die angenehme Sonne auf meinem Fell. Die kleine Hütte sah sehr heruntergekommen aus, eigentlich sehr ähnlich wie die Hütten im Oakville. Damon sprang durch ein bereits zerbrochenes Fenster hindurch. Ich tat es ihm gleich und landete auf allen vieren auf dem vermorschten Holzboden. Er deutete mit seiner Schnauze auf ein Zimmer wo Kleidung in der Ecke lag. Damon ging in einen Raum weiter und verwandelte sich dort zurück in einen Menschen. Ich verwandelte mich ebenfalls und stand wenige Sekunden später auf zwei Beinen. Die Kleidung die dort auf einem Stuhl lag, war zwar nicht unbedingt von neuester Mode, aber besser als nichts. 

Ich warf mir denn Pullover über und zog mir die Jogginghose an. Ich ging aus dem kleinen Raum wieder hinaus und Damon stand ebenfalls in Schlapperklamotten vor mir. Ich musste schmunzeln, da ich ihn noch nie so gesehen habe. So umelegant. Aber er gefiel mir so irgendwie, er wirkte so natürlich auf mich. Mit zerzaustem Haar und Jogginghose. 

"Seit wann hast du diese Herzattacken?" fragte mich Damon als er sich auf einen der Stühle in der Hütte hockte. "Seit ich aus dem Oakville floh, eigentlich.", antwortete ich mit einem nachdenklichen Blick in die Luft. "Ich kenne da jemanden, der hat Ahnung von sowas.", meinte er und deutete auf mich. "Werwölfe werden doch normal auch nicht Krank. Wie soll sich denn jemand über etwas auskennen, dass es eigentlich nicht gibt?", stellte ich die Frage in den Raum. "Wie du siehst gibt es das ja!", sagte Damon und deutete nochmals auf mich. 

Nachdenklich nickte ich und gab ihm innerlich recht. "Und was jetzt?", fragte ich. "Wir müssen nach Portland.", sagte er und beobachtete die Decke. "Ich seh hier aber weit und breit keine Stadt und die Sonne geht bereits schon unter. Damon schmunzelte. 

"In dieser unscheinbaren Hütte ist ein Portal.", flüsterte er während er mir tief in die Augen sah, wodurch ich mich etwas unwohl und beobachtet fühlte. "Hier?", sah ich mich skeptisch um.  Damon stand auf und hob vorsichtig ein Brett vom Boden und setzte es in eine Lücke in der Holzverkleidung. Plötzlich eröffnete sich aus dem nichts ein menschengroßes, weißes Loch. 

Ich staunte nicht schlecht als ich hautnah erlebte, zu was Magie alles fähig ist. 

Diese verlockenden grau-blauen Augen mit den wuschelig, schwarzen Haaren, blickten mich träumerisch an und als mir diese Person die Hand reichte, verharrte ich kurz in Harmonie. 

Plötzlich fuchtelte Damon mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum und holte mich aus meinen Traumvorstellungen wieder heraus. "Was lächelst du so?", lachte er. Ich spürte bereits wie meine Wangen heiß wurden und ich grinste nur beschämt. "Kommst du jetzt?"

"Wohin?", fragte ich als es mich wohl komplett aus der Bahn warf. "Na, dein altes Revier oder bessergesagt Königreich, Portland!" Ich erschauderte kurz als mir klar wurde wo wir nun hin gehen würden. Portland, die Stadt wo ich jeden Winkel auswendig kannte und Gerüchte über mich verbreitet wurden. Ich sei eine kaltblütige Massenmörderin. Eine Patriarchin. 

Er verharrte nochmals in Schock. Damon nahm einfach meine Hand und zog mich zu ihm hoch. Ich stand nun ganz nah an ihm, nur wenige Zentimeter trennten meinen Oberkörper von seinem. Ich spürte fast wie sein und mein Brustkorb sich gleichzeitig hoben und sanken. Ich blickte hoch zu ihm und sah in seine göttlichen Augen, die mich so sehr anfunkelten. So nah war ich ihm noch nie. Und noch nie fühlte sich etwas so gut an. 

YUNA - the hidden omegaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt