Kapitel 12 ♥

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"Alsion Jule?" "Hallo", sagte ich aufgeregt. "Ich bin Bella Gwenwood, sind sie die Mutter von Zoe?" Ein kurzer Moment Stille. "Ach, Bella! Von heute vormittag oder? Ja, wir haben uns am See gesehen" Erleichtert atmete ich auf. "Ja, das stimmt. Ich und Ihre Tochter wollten uns am Montag treffen. Deshalb rufe ich an. Meine Mutter, Kendra Gwenwood ist eine Arbeitskollegin von ihnen, sie hat mir ihre Nummer gegeben." "Kendra, natürlich!", lachte Mrs Jule. " Ich erinnere mich, ihr wolltet euch am Montag treffen?" "Ja", antwortete ich. "Wann hätten sie zeit? Wir könnten in die Stadt gehen?" "Gerne, Zoe wird sich freuen! Sie ist gerade nicht da, aber ich bin mir sicher, dass es ihr Recht ist. Ihr könntet euch vielleicht um 14:00 Uhr am Hard Rock Cafe treffen? Es ist hier direkt in der Nähe." Alles klar", meinte ich. Mit etwas gedämpfterer Stimme fuhr Mrs Jule fort: "Ich bin froh, dass Zoe noch mal rauskommt..Wir wissen immer noch nicht wie lange..." Geistesabwesend nickte ich. Wie lange mochte sie wohl noch leben? Mit ihren gerade 8 Jahren hatte ihr Leben noch gar nicht richtig angefangen und schon endete es. Dann fiel mir ein, dass Mrs Jule mein Nicken ja gar nicht sehen konnte. "Wir werden uns einen schönen Tag machen", versprach ich und gab mir Mühe, aufmunternd zu klingen. "Das weiß ich", sagte sie. "Dann danke, dass du nochmal angerufen hast." "Kein Problem." "Wir sehen uns dann Montag!" "Ja, bis dann Mrs Jule", verabschiedete ich mich und legte auf.

Mit gemischten Gefühlen gab ich Mum das Handy wieder. Auf ihren fragenden Blick nickte ich nur und wandte mich direkt wieder um. Ich freute mich, den Tag mit Zoe zu verbringen, sie faszinierte mich immer noch. Aber wenn ich sie ansah, sah man doch zu deutlich die Spuren des Krebs und mir tat es innerlich weh, mit ansehen zu müssen, wie so ein junges Mädchen dem Tod näher ist, als jeder Rentner.

Sie erinnerte mich sehr an mich selbst. Mit dem Unterschied, dass ich mit 8 noch nicht wusste, was man 8 Jahre später in mir entdecken würde. Seufzend zwang ich mich, meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. "Denke an das Positive im Leben", hatte die Psychologin damals gesagt. Positiv, immer positiv bleiben, hieß es. Aber sie hatte mich wie so ziemlich jeder nicht verstanden. Ich fragte mich, ob mich überhaupt jemand in meinem Leben verstanden hatte. Aber vielleicht kann man es auch gar nicht verstehen. Ich meine, welcher gesunde Mensch weiß schon, wie es sich anfühlt, einen tödlichen Teil in sich zu haben, der jeden Tag wächst? Wer versteht schon, wie man sich fühlt, wenn man ums Leben kämpft und doch weiß, dass man sterben wird.

Zoe.

Ich beschloss, auf meine damalige Psychologin zu hören, um mich nicht noch mehr runterzuziehen. Ich begann, mich auf Montag zu freuen. Zoe und ich würden einen tollen Tag haben und sie freute sich sicher auch. Ich schaltete den Fernseher wieder ein und griff zur Schokoladentafel. Während des Films schob ich mir Stück für Stück in den Mund, bis die Packung lehr war. Ich seufzte. Meine Hüften würden sich freuen. Aber egal, ich hatte noch nie was von Diäten gehalten. Als der Film vorbei war, ging ich Zähneputzen und kuschelte mich ins Bett. Ich schaute noch ein bisschen bei Instagram und Whats App, bis ich dann einschlief.

Ruckartig riss ich die Augen auf und mein Körper zuckte zusammen. In meinen Ohren hallte das Poltern nach, das mich soeben aus dem Schlaf gerissen hatte. Stöhnend schob ich meinen Arm über die Decke. Ein Blick auf mein Handy sagte mir, dass es 3:12 Uhr war. Na klasse! Wer machte denn jetzt noch Lärm? War das vielleicht eine Party auf der Straße? Aber dann hörte ich erneut ein Geräusch, ein dumpfes Klopfen, als ob gerade jemand gegen einen Schrank gelaufen wäre. Das leise Fluchen, dass darauf folgte, bestätigte meine Vermutung. Da stahl sich gerade jemand aus unserem Haus! Für einen kurzen Augenblick kämpfte meine Neugier mit dem Gedanken, im warmen Bett liegen bleiben zu können, doch am Ende siegte dann doch die Frage, wer da unten rumlief. Also schob ich grummelnd meine Decke zur Seite und schwang meine Beine aus dem Bett. Als der kalte Boden meine Zehen berührte zuckte ich zusammen, stand dann aber auf und tapste leise zur Tür.

Möglichst geräuschlos schlich ich durch den Flur. Hinter keiner der Tür war Licht zu sehen. Erneut hörte ich ein Geräusch, es war ein Rascheln. Ganz langsam setzte ich einen Fuß auf die oberste Treppenstufe und schickte ein stummes Stoßgebet in den Himmel, dass sie nicht knarzen würde. Es war stockduster, sodass ich blind mit dem Fuß nach den Stufen tasten musste. Glück gehabt, ich schaffte die ganze Treppe, ohne ein Geräusch zu machen oder hinzufliegen. Dafür hörte ich erneut Schritte aus der Küche. Aber warum war ich eigentlich darauf bedacht, so leise zu sein?! Ich meine eigentlich war ich ja ganz im Gegensatz zu der Person, die hier rumlief, wohl nicht zu Unrecht mitten in der Nacht hier. Als die Schritte in den Flur wanderten, drückte ich entschlossen auf den Lichtschalter und sah, wer vor mir stand.

Wäre es nicht mitten in der Nacht gewesen und die Situation nicht so absurd, hätte ich gelacht.

Jadens Gesichtsausdruck war einfach göttlich! Er stand wie erstarrt vor mir und starrte mich mit weit aufgerissenen Augen und zusammengepressten Lippen an. In einem Comic würden über seinem Kopf drei fette Fragezeichen und Ausrufezeichen hintereinander stehen. Er trug einen schwarzen Kapuzenpulli und schwarze Jeans und machte darin natürlich wieder eine verboten gutaussehende Figur. Nachdem Jaden sich von seinem ersten Schock erholt hatte, verwandelte sich sein Gesichtsausdruck in Verärgerung. Er löste sich aus seiner Starre. "Was machst du hier?!" Sein Blick glitt über mich und meine Beine. Ich sah natürlich perfekt aus in meinem Pyjama *räusper* *ironie* *räusper*. Empört sah ich ihn an. "Was ich hier mache?! Das sollte ich wohl eher dich fragen! Du läufst hier mitten in der Nacht rum! Warum, wenn ich fragen darf?" "Da geht dich nichts an!", schnauzte er. "Und ob mich das was angeht! Du stiehlst dich um 3 Uhr aus meinem Haus!" Jaden nahm eine schwarze Sporttasche, die sein "Outfit" kompletierte. "Ich verschwinde jetzt und du gehst wieder schlafen!" Ich verschränkte die Arme vor der Brust. "Und was wenn nicht?" Er drehte sich vor der Tür um. "Bella, bitte geh jetzt wieder hoch", sagte er ruhig. "Okay", sagte ich und wandte mich wieder um, um die Treppe hoch zugehen. Hinter mir hörte ich Jaden seufzen und dann das Schließen der Haustür. Ha! Als ob ich jetzt wieder schlafen würde! Ich war viel zu neugierig, was Jaden jetzt wohl machte. So schnell ich konnte, rannte ich nach oben, zog mir eine Leggins an und nahm einen Hoodie, dann raste ich wieder in den Flur, schlüpfte in meine Vans und verließ dann das Haus. Okey, jetzt musste ich Jaden erst mal finden. Hoffentlich war er nicht gerannt! An unserem Haus gab es nur einen Weg, wenn ich Glück hatte, war er noch darauf. Ich joggte locker die Straße entlang. Nur eine einzelne Laterne verteilte ihr Licht über die Straße und ließ alles merkwürdig grünlich aussehen.

wenn Liebe fliegen lerntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt