20

11K 397 18
                                    

Nervös wartete ich angelehnt neben der Tür.
Einige Jungs verließen die Kabine und sahen mich komisch an.
Offensichtlich erinnerten sie sich an mich.
Ich hoffte, Adrien beeilte sich etwas, immerhin war mir das sehr unangenehm vor der Jungsumkleide zu warten.
Die Tür ging auf und ein blonder Junge trat alleine hinaus, Tristan.
Er entdeckte mich, doch anstatt komisch zu schauen, streckte er mir die Hand hin.
"Hi, ich bin Tristan, alias Co-Captain, alias heißester Typ an unserer Schule, Mädchenschwarm und bester Freund von Adrien", rasselte er mit einem Grinsen runter.
Mit einem Lächeln nickte ich und gab ihm die Hand. "Sirina, Schülerin."
Er schmunzelte. Er war mir direkt sympathisch.
"Ich soll dir von Adrien sagen, dass er gleich kommt, er musste noch dringend mit Coach Freeman reden."
Ich nickte dankend.
Es entstand irgendwie eine unangenehme Stille, die ich versuchte zu brechen.
"Mädchenschwarm sagtest du?", fragte ich nach.
Tristan lächelte und warf seine imaginären langen Haare nach hinten.
"Kann man wohl sagen", meinte er.
"Also hast du eine Freundin?", fragte ich, aber er schüttelte heftig den Kopf.
"Es gibt einfach zu viele Mädchenherzen, die dann brechen würden."
Ich schmunzelte.
"Adrien liegt übrigens gleich scharf hinter mir", überlegte er.
"Was macht ihn zur Nummer zwei?"
"Klar, er hat diese dunklen Haare, mit den brauen Teddyaugen, die Mädchenherze höher schlagen lassen. Genauso wie die Sommersprossen, die ihm einige Punkte sichern, ...", meinte er.
Innerlich sah ich Adriens Gesicht vor mir.
"..., aber er kommt einfach nicht an meinen Charme ran."
Ich lachte auf.
"So spricht nur ein überzeugter Gewinner", meinte ich mit einem Lächeln auf den Lippen.
"Über was lacht ihr so?", ertönte es plötzlich hinter uns.
Adrien kam dazu und sah von Tristan zu mir.
"Ich habe ihr nur erzählt, was für ein Frauenheld ich bin", murmelte Tristan und legte Adrien den Arm um die Schultern.
"Nicht schon wieder die Geschichte", rollte Adrien mit seinen Augen.
Ich lachte und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
"Hey, das ist nur die Wahrheit", meinte Tristan und hob unschuldig die Hände.
"Okay, na gut." Adrien sah seinen besten Freund an. "Tristan."
Tristan verstand sofort und nickte.
"Also ich muss dann mal ... wir sehen uns, Sirina", verabschiedete er sich von mir. "Bis dann, ihr zwei Täub-"
"Tristan."
Seine Stimme war etwas bedrohlicher geworden, sodass er verstummte, aber trotzdem mit einem Lächeln davon ging.
Adrien rümpfte die Nase und suchte nach Worten.
"Es tut mir leid", meinte er und rieb sich den Hinterkopf.
"Er ist wirklich ... charmant", lächelt ich und zuckte mit den Schultern.
"Ja ", schluckte Adrien. "Ein echter Charmeur, und manchmal ziemlich ein Trottel, aber auch mein bester Freund."
Nickend lächelte ich, denn ich verstand, was er meinte.
"Also", murmelte er schließlich. "Wo sind diese grauenvollen Notizen?"
"Hey!", lachte ich auf und gab ihm den Block. "Ich hatte mein bestes gegeben."
Adrien nickte mit einem Grinsen und überflog nochmals die Notizen. "Klar doch."
Ich stieß ihn mit dem Ellenbogen am Arm an, sodass er mich mit hochgezogener Augenbrauen musterte, dann aber wieder den Block anschaute.
Ich übergab ihm einen Stift, den er dankend annahm und kurzerhand einmal über meine Notizen strich.
"Hey, was soll das?", rief ich aufgeregt und wollte ihm den Block entziehen, aber er drehte sich mit dem Rücken zu mir.
"Vertrau mir", murmelte er und schrieb bereits auf den Block.
Ich atmete tief aus und verschränkte die Arme.
Nach etwa fünf Minuten übergab er mir wieder den Block und ich sah auf die Notizen.
Ich rümpfte die Nase.
Es waren alles Fachbegriffe, mit denen ich nichts anfangen konnte, aber es schien wohl alles zu stimmen.
"Jetzt kannst du das deiner Freundin übergeben", lächelte er zufrieden. "Ich gebe dir mein Go."
Dankend steckte ich mir den Block ein und wir beide liefen zum Ausgang.
"Was wollte Coach Freeman von dir?", fragte ich Adrien, dessen Blick auf den Boden gerichtet war.
"Er hatte mir erzählt, dass ich ein neues Stipendiumsangebot bekommen hatte."
"Adrien, das ist mega!", meinte ich anerkennend, doch er atmete nur tief ein.
"Ja, wirklich ... mega."
Ich runzelte meine Stirn.
"Was ist?", fragte ich nach.
Adrien suchte nach Wörtern, während er die Tür öffnete.
"Es ist nicht so, dass ich mich nicht freue oder das wertschätzte, ich liebe Football. Es ist nur, ..."
Seine Miene verdunkelte sich etwas.
"... ich bin mir nicht sicher, ob ich das mein Leben lang machen will."
Das hörte ich zum ersten Mal. Ich hatte immer angenommen, dass Footballspielen sein Traum wäre.
"Hast du Angst, dass du nicht mithalten kannst?", fragte ich nach und sah ihn von der Seite an.
Er schüttelte den Kopf.
"Das ist es nicht. Für ein Stipendium, dass von sehr weit weg kommt, muss man umziehen und ich glaube, ich kann meine Familie nicht verlassen."
"Adrien, es ist dein Leben. Wenn du Football spielen willst, dann spiel' Football. Ich bin mir sicher, dass deine Familie diese Entscheidung berücksichtigen wird", meinte ich und Adrien lächelte mich an.
"Es gibt ... spezielle Gründe, die mir das Wegfahren nicht erlauben", erklärte er, dann räusperte er sich.
"Also, wie sieht's aus? Steigst du nun auf, oder muss ich noch länger warten?", fragte er nach und wies auf sein Motorad.
Er hatte also nicht nur ein Auto, sondern auch eine Motorrad. Ist klar.
"Wie kommst du darauf, dass ich aufsteige?", fragte ich verdutzt nach.
"Willst du etwa alleine nach Hause laufen, wenn ich dir eine Fahrmitgelegenheit anbiete?"
Ich rümpfte die Nase.
"Zier dich nicht so!"
Adrien reichte mir einen Helm.
Schluckend nahm ich ihn an und setzte ihn mir auf.
Zuerst stieg ich auf und rutschte nach hinten, dann er. Wir saßen so nah beieinander, dass meine Beine seine Oberschenkel berührten. Ich versuchte normal zu atmen, doch mir blieb plötzlich dir Luft weg.So viel Nähe brachte mich irgendwie um den Verstand.
Adrien setzte ebenfalls seinen Helm auf, dann drehte er sich zu mir um.
"Du sollest dich an mir festhalten." Perplex sah ich ihn an. "Das sorgst für einen geringeren Luftwiederstand."
Ich verstand endlich und nickte.
Vorsichtig legten sich meine Arme um seinen Oberkörper.
Selbst durch die Motorradjacke und seinem Oberteil, konnte ich seine Muskeln spüren.
Automatisch musste ich mich nach vorne lehnen, sodass mein Oberkörper sich an seinen Rücken drückte. Ich nahm seinen Geruch auf, der mir vorher nicht aufgefallen war.
Er roch herb, männlich und verdammt gut. So, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Adrien machte den Motor an, und fuhr los.
Der Wind blies gegen mich, aber Adrien fing das meiste ab.
Die Fahrt dauerte nur ein paar Minuten, so kam es mir zumindest vor, doch es war gar nicht so schlimm wie ich dachte.
Komischerweise wusste er, wo ich wohnte, dort fuhr er mich hin, bis er schließlich zum Stehen kam.
Langsam nahm ich meine Arme weg, sodass Adrien aufstehen konnte.
Währenddessen nahm ich meinen Helm ab und versuchte meine Harre glatt zu streichen, was mir vermutlich nicht ganz gelang.
Adrien nahm mir den Helm ab und hielt mir die Hand hin, damit ich absteigen konnte.
Zögerlich nahm ich sie entgegen und stieg ab.
Meine Hand in seiner fühlte sich irgendwie gut an, warm und geborgen.
Für eine Milisekunde sah ich auf unsere Hände, die sich immernoch hielten, dann entzog ich sie ihm langsam.
"Danke für's mitnehmen", krächzte ich.
Was verdammt nochmal war nur los mit mir?
Adrien nickte lächelnd, sodass ich Gänsehaut bekam.
"Bis dann", flüsterte ich, drehte mich schnurstracks um und ging zur Tür.
Trotzdem wusste ich, dass Adrien mir bis zum Ende hinterher sah.

PainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt