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Die Zeit schien nicht vorbeizugehen, es war wie eine Endlosschleife, die wieder und wieder von vorne begann.
Immer wenn ich glaubte, dass es mir etwas besser gehen würde, brach ich erneut zusammen.
Noch nie hatte ich mir so sehr gewünscht, die Zeit zurück drehen zu können oder zumindest alles löschen zu könnte, von der Begegnung mit Adrien bis hin zum endgültigen Gespräch vor ein paar Tagen.
Es war die schlimmste Erfahrung, die ich je gemacht hatte. 
Mit jemanden zu spielen ist eine Sache, mich dabei aber völlig auszunutzen und mich vor allen bloßzustellen ist eine ganz andere Sache. Er hatte mir vor allen mein Herz gebrochen, er hatte mir Sachen an den Kopf geworfen, die für nicht hätten nicht schlimmer sein können.
Das ist das Grauenvollste, dass er mir hätte antun können. Noch nie hatte ich mich so sehr in einem Menschen getäuscht, und es tat so verdammt weh. Es tat verdammt nochmal weh.
Ich wusste nicht, ob der Schmerz jemals verheilen würde, ob ich jemals jemanden wieder an mich heranlassen kann, denn Adrien hatte mir gezeigt, wie falsch Menschen sein können.
Er hat mich von Anfang an belogen und das tat weh. Ich hatte mich so sehr in ihm getäuscht, es war eigentlich undenkbar. Ich hätte die Anzeichen sehen müssen, die Details, die mir hätten zeigen müssen, dass das alles nicht echt war - und doch war ich blind vor Liebe.
Liebe, ich schnaubte und wischte mir die Tränen von der Wange.
Ich konnte ja nicht einmal von Liebe sprechen. Unsere gesamte Beziehung beruhte auf einer Lüge, einer verdammten Lüge.
Ich wusste nicht, wie sich Zuneigung und Leidenschaft anfühlte, bis ich Adrien traf, doch ich hatte mir einfach nur etwas vorgemacht. Ich hatte mich so sehr in die Vorstellung gestürzt, Adrien wäre perfekt für mich, vermutlich sogar mein Seelenverwandter, weil wir uns so gut verstanden hatten, dass ich die Realität völlig verdrängt hatte. Ich hatte mich von seinem Charm, seinen Sprüchen, seiner ganzen Art blenden lassen, obwohl er ein verdammtes Arschloch war, von Anfang an.
Ich schluchzte und wälzte mich auf die Seite. Die Uhr zeigte drei Uhr fünfzehn.
Mit brummte bereits mein Schädel. Ich konnte mich nicht einmal mehr erinnern, ob ich überhaupt mit dem weinen aufgehört, und wieder angefangen hatte. Die Zeit verging so langsam. Ich wollte einfach nur alles vergessen und hinter mir lassen. Diese ganzen Erinnerungen an Adrien verfolgten mich, angefangen von diesen bescheuerten Bild von uns auf meinem Nachttisch. Sein blödes Grinsen starrte glücklich in die Kamera. Ich schnaubte und nahm es in die Hand.
Glücklich war er ganz sicher nicht in meiner Nähe. Seine unechte Art kratze an meinen Nerven. Mich so glücklich zu sehen war einfach nur surreal, und es störte mich, dass ich so naiv war. Ich hatte damals keine Sorgen, keine Ahnung, was mich noch erwarten würde. Am liebsten würde ich mich selber wachrütteln, nur um dem ganzen Leid zu entgehen.
Der Schmerz war so erdrückend, dass ich kaum Luft bekam, es war so verdammt hart für mich - jeden Tag.
Es war wie ein schwerer Stein, der auf meinen Schulter lastete. Er drückte mich runter und obwohl ich versuche aufzustehen, reicht meine Kraft nicht mehr aus um aufzustehen. Ich wollte einfach nur das es aufhört, das alles einfach stillsteht, aber so funktionierte das Leben nicht.
Und Adrien war derjenige, dem unsere ganze Beziehung nicht im Mindesten nahe ging. Dabei sollte er leiden, genauso wie ich es tat, doch er konnte endlich ein wundervolles, verdammtes Leben ohne mich führen, obwohl er nicht einmal wusste, wie schlecht es mir dabei ging.
Aber was rede ich da überhaupt?
Er hatte sich noch nie um mein Wohlbefinden geschert.
Ich schluchzte laut auf, presste aber sofort meine Lippen aufeinander.
Ich wollte nicht, dass irgendjemand mich zu beruhigen versuchte, denn ich würde nur noch mehr zusammenbrechen.
Adriens Gesicht starrte mich förmlich an. Sein Grinsen wirkte aufeinmal so spöttisch, in mir zog sich alles zusammen.
Aus Emitionen heraus zerdrückte ich den Bilderrahmen, wodurch das Glas in rauschende von kleinen Scherben zersprang, genauso wie mein Herz es tat. Die kleinen Schnitte, die ich mir da durch zu gezogen hatte, taten noch nicht einmal weh. Ich spürte keinen Schmerz, denn meine Seele kämpfte gerade mit den Quälen, die viel schlimmer waren.
Ich weinte auf und schlug mir sofort die Hand vor meinen Mund.
Ich wollte nur, dass dieser Schmerz vorbei geht, es war kaum auszuhalten. Jeder einzelne Gedanke an ihn raubte mir den Verstand. Ich wusste nicht, ob das normal war, ob sich wirklich so Liebeskummer anfühlte, aber es tat so sehr weh, dass es mich innerlich fast zerriss. Nie wieder würde ich im Leben jemanden wieder so vertrauen können, wie Adrien. Nie wieder würde ich mich jemanden öffnen können, wie Adrien. Nie wieder könnte ich jemanden lieben, wie Adrien.
Ich rieb mir meine pochende Schläfen. Ich hielt es kaum noch aus, so sehe drückte der Schmerz gegen meinen Kopf. So als würde mich selbst mein Verstand für diese Blindheit bestrafen wollen.
Ich stand auf, um mein glühendes Gesicht mit kühlem Wasser zu beruhigen. Meine Hände hielten sich an dem Waschbecken fest. Als ich in den Spiegel schaute, erschrak ich fast, denn ich erkannte mich selber fast nicht. Ich sah völlig aufgelöst aus. Blass, schwach, träge.
Die Frau im Spiegel schien vor Zusammenbrüchen fast zu kollabieren, doch ich verzog mein Gesicht.
'Es ist alles Adriens Schuld', schoss es mir als erstes durch den Kopf, doch ich wusste, dass es nicht der eigentliche Grund war. Ich hatte mich selbst in das Abenteuer gestürzt - ohne Bedenken.
Ich schluckte und trocknete mich ab.
Mit einmal mal setzten bei mir ein heftiges Brennen ein, mein Haut schien langsam in Flammen zu stehen. Sofort merkte ich, wie meine Knochen auch leicht verschoben. Ein unmenschliches Stechen trieb durch meinen Körper.
"Nein", flüsterte ich und sah auf meine Arme.
Ich wandte mich zu meinem Fenster und sah raus, die Nacht wurde von dem Mond erhellt, dem Vollmond. Tief stieß ich die Luft aus meinen Lungen aus. Mit schien jemand die Luft aus meinem Lungenflügeln zu rauben. Die physischen Schmerzen stauten sich langsam an, ich biss meine Zähne zusammen.
Automatisch suchte ich in meinem Nachttisch nach den Tabletten, die ich verschrieben bekommen hatte. Zwei weiße Tabletten rollten auf meine Hand, die ich mit einem Schluck Wasser runterschluckte.
Langsam schienen die Schmerzen nachzugeben, zwar nicht vollkommen, aber doch genug erträglich, um die Nacht zu überstehen, obwohl ich kein Auge zubekommen würde.
Ich setzte mich auf den Boden und lehnte mich gegen mein Bett.
Seit Monaten waren die Schmerzen am Vollmond ausgeblieben und jetzt plötzlich waren sie zurück. Ich hatte keine Ahnung, warum sie zurück waren, geschweige denn aufgehört hatten. Möglich, dass es einfach nur der Stress war, der alles wieder hervorrief.
Ich wischte mir die letzten Tränen von den Wangen, als mein Blick aus dem Boden hängen blieb. Meine Finger griffen nach einem Papier und zogen einen Brief hervor. Ich war überrascht, als ich die Handschrift von meinem Dad entdeckte. Mein Name war auf dem Umschlag mit geschwungenen Buchstaben notiert.
Meinen Vater hatte uch seit Tagen nucht mehr gesehen. Er war seit dem Geständnis meiner Mutter in ein Hotel gezogen. Für wie lange wusste ich selber nicht, doch er fehlte mir, obwohl ich in den letzten Tagen nucht allzu oft an ihn gedacht hatte.
Ich war plötzlich aufgeregt den Brief zu lesen, doch ich wollte unbedingt in die persönlichen Zeilen von meinem Vater hören.

Mit zittrigen Händen begann ich schließlich zu lesen:

Sirina, meine Tochter, mein Spätzchen,
du weißt, dass ich mir bei Briefe schreiben schon immer schwer getan habe, so auch bei Diesem. Meine Gedanken in richtige Worte zu fassen ist für mich schwerer als ich dachte, schwerer als ich angenommen hatte.
Ich weiß, dass mein Auszug sehr schnell und möglicherweise auch unüberlegt kam, aber das hat nichts damit zu tun, dass ich meine Tochter nicht mehr sehen möchte. Viel mehr muss ich für mich erst einmal Abstand zu deiner Mutter gewinnen.

Ich muss meine eigenen Gedanken sortieren, mir um unsere jetzige Situation klar werden und begreifen, wie es jetzt weitergehen wird - mit mir, deiner Mom, deinem Bruder, Michael und dir.
I

ch kann dir nicht genau sagen, wie lange ich fort sein werde, denn ich habe selber keine Ahnung.
Du musst wissen, dass es mir unglaublich schwer gefallen ist, euch zu verlassen, aber in Anwesenheit deiner Mutter kann ich nicht anders, als an Michael zu denken, an deinen richtigen Vater.
Ich kann dir ebenfalls nicht sagen, wie sehr unsere Familie noch zusammenbleiben wird, denn Michael ist nun, ob wir wollen oder nicht, ein Teil unserer Familie sein. Ich kann deinen richtigen biologischen Vater nicht verleugnen, ich kann ihn auch nicht ignorieren oder ihm aus dem Weg gehen, denn du hast ein Recht darauf zu wissen, wer und wie dein echter Vater ist. Auch, wenn es mir selber schwer fallen wird, dich mit jemand anderem teilen zu müssen, möchte ich, dass du dir selber treu bleibst und Michael wenigstens kennen lernst. Natürlich kann ich dir nicht versprechen, dass er sein wird, wie du ihn dir vorgestellt hast, doch du solltest es zumindest versuchen - Ich hätte es auch getan.
Ob die Umstände sich ändern, ist keine Frage, sondern ein Fakt, doch wie und wann genau, kann ich dir leider nicht beantworten.
Ob ich wieder bei euch einziehen werde, weiß ich nicht. Ob deine Mutter und ich uns wieder vertragen und wieder zueinander finden können, kann ich dir auch nicht sagen. Aber Sirina, mein Schatz, das ändert nicht die Tatsache, dass ich für immer und ewig dein Vater bleiben werde. Auch wenn mein Blut nicht in deinen Adern fließt, habe ich dein Charakter mit geformt. Ich habe dir Sachen beigebracht, dir Dinge erklärt, dich unterstützt - seit Beginn deiner Geburt.
Sirina, auch wenn da noch jemand in deinem Leben ist, möchte ich, dass du mich nie vergisst. Ich werde immer für dich da sein, ich werde dich immer unterstützen.
Ich hoffe, dass, wenn du diese Zeilen liest, es nicht zu spät ist deinem alten Herren zu vergeben.
Ich liebe dich, Sirina, und das kann kein weiterer Mann auf dieser Welt ändern - auch kein Michael Williams.
Bitte vergiss das nie.
In Liebe,
dein dich alles liebender Vater Steve.

PainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt