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Zufrieden mit meinem gewählten Outfit packte ich schnell noch meine Tasche.
Keine Ahnung, wie lange ich dafür gebraucht hatte. Für mich wurde eben noch nie eine Party geschmissen.
Adrien hatte mir noch gesagt, dass ich mich deswegen nicht unnötig stressen solle, aber das war leichter gesagt als getan.
Musste ich eine Rede halten?
Ich hatte nichts vorbereitet, denn wie konnte ich mich schon auf etwas vorbereiten, von dem ich absolut keine Ahnung hatte, wie es ablief.
Ich schüttelte meine Gedanken ab und atmete tief aus.
Das wird schon irgendwie.
Ich sollte eigentlich zuversichtlicher sein, denn ich feierte mit meinen Freunden meinen Geburtstag. Ich hatte ja Ruby und Joe, Tristan und Adrien.
Was konnte also schief gehen?
Unbeirrt lief ich durch mein Zimmer und stieg die Treppen hinunter.
Ich war spät dran, vielleicht schon etwas zu spät.
Super! Ich würde zu meiner eigenen Feier zu spät kommen ...
Innerlich ärgere ich mich über mich selbst. Ich bin selten unpünktlich und heute, wenn es drauf ankam, war ich es.
Doch ich blieb abrupt vor der Wand stehen, die Einlass ins Wohnzimmer gewährte, denn ich hörte eine angespannte Diskussion. Und als ich öfters meinen Namen hörte, konnte ich einfach nicht weghören.
"Wie kannst du dir da so sicher sein?", fragte eine unbekannte männliche Stimme.
"Weil ich es weiß, ich erkenne so etwas doch", flüsterte meine Mutter genervt zurück, doch ich konnte sie trotzdem sehr gut verstehen. "Jedes Jahr auf's Neue kommst du in mein Haus und behauptest solche Lügen."
Ich kannte meine Mom nur selten wütend und wenn sie dann mal sauer wurde, dann nur aus richtigen Gründen.
"Das sind keine Lügen, es ist die Wahrheit und das weißt du auch", warf der Mann ein, doch ich konnte meine Mutter schnauben hören.
"Ich weiß nicht, warum du es jedes Jahr wieder probierst, du wirst Sirina nicht zu sehen bekommen", meinte meine Mutter und ich runzelte die Stirn.
In letzter Zeit fiel mir auf, dass eine Menge Geheimnisse im Umlauf waren, sowohl von Adrien als auch von meiner Mutter.
"Es ist mein gutes Recht", murmelte der Mann und meine Mutter lachte auf.
"Michael, hör auf so einen Schwachsinn zu erzählen und begreife es endlich."
Ich konnte nicht anders und lehnte mich ein Stück nach vorne und sah um die Wand.
Ein gut 50-jähriger Mann stand mit dem Rücken zu mir. Seine Statur war dominant und irgendwie beängstigend.
Sein schwarzes Haar glänzte unter dem Licht, doch man erkannte bereits vereinzelnt graue Strähnen.
Ich kannte diesen Mann, er war zwar ein Fremder, doch ich erinnerte mich an sein Auftreten.
Wie konnte ich auch nicht?
Dieser Mann kam einmal im Jahr zu uns, aber nicht, weil er ein guter Freund von meinen Eltern war.
Michael erschien ganz genau jedes Jahr an meinem Geburtstag und unterhielt sich mit meiner Mutter, mein Dad war allerdings jedes mal verschwunden.
Es konnte Zufall oder alles mögliche sein, aber es reizte mich schon herauszufinden, was er wollte, da ja auch mehrmals mein Name gefallen war.
Als kleines Kind habe ich die beiden immer von den Treppenstufen aus beobachtet und mich hinter den Gitterstäbe versteckt.
Aber dieses Jahr war einfach so viel passiert. Ich hatte keinen Gedanken an ihn verschwendet, warum auch?
Ich kenne ihn nicht, und er mich nicht.
Mir fiel wieder der Zeitdruck ein.
Ich musste natürlich an der Wand vorbei, aber nicht nur das. Ich wollte mich, wie es sich für eine Tochter gehört, von meiner Mutter verabschieden.
Ich schluckte meine Unsicherheit runter. Immerhin war ich offiziell erwachsen.
Mit kleinen Schritten lief ich ins Wohnzimmer und blieb ein paar Meter vor ihnen stehen.
Abrupt beendeten sie ihr Gespräch.
Meine Mom starrte mich überrascht an, genauso wie der Mann.
"Ich, ähm", überbrückte ich die komische Situation. "Ich wollte mich verabschieden."
Meine Mutter nickte mit einem aufgesetzten Lächeln und zog mich zu sich.
"Viel Spaß dir", murmelte sie mir ins Ohr und ich nickte dankend, dann lösten wir uns voneinander.
Der Mann musterte mich neugierig von oben bis unten.
"Ich bin Sirina, hallo", meinte ich kurzerhand und streckte ihm meine Hand entgegen, die er freundlich entgegennahm. "Michael."
Ich sah kurz zu meiner Mutter, die alles andere als ruhig schien.
Ich sah Panik und Sorge. Für eine Milisekunde runzelte ich meine Stirn, sah dann wieder zu dem Mann.
"Deine Mutter und ich, wir sind alte ... Freunde", erklärte er und meine Mutter schluckte nur.
Für alte Freunde schien die Situation ziemlich angespannt.
"Meine Mutter hat Sie nie erwähnt", überlegte ich und sah zu ihr rüber, doch sie schien auf Stand-By-Modus geschaltet zu haben.
"Ach, lassen wir das Sie", lächelte er und ich nickte.
Michael wirkte auf den ersten Blick normal.
Ich räusperte mich und wandte mich zu meiner Mutter.
"Ich geh jetzt, wenn es okay ist", murmelte ich und sie nickte mit einem flüchtigen Lächeln.
Irgendetwas war anders an ihr. Die Begegnung mit Michael warf sie aus der Bahn, dabei behielt sie immer und überall die Kontrolle.
"Okay, bis dann", flüsterte ich ihr zu und richtete mich dann an den Mann.
"War schön Sie- dich kennen gelernt zu haben."
Er nickte lächelnd. "Fand ich auch."
Schnell verließ ich das Wohnzimmer und flüchtete aus der unangenehmen Situation.
Keine Ahnung, was mit meiner Mutter los war, ich kannte sie so nicht.
Offenbar schienen sie eher alte Bekanntes, anstatt Freunde zu sein.
Michael wirkte sehr nett und offen, aber hinter seinen glasklaren, blauen Augen war etwas, dass ich nicht einordnen konnte. Etwas befremdliches und doch so vertrauliches.
Ich schüttelte meine Gedanken ab. Ich wollte nicht über irgendeine Bekannschaft von meiner Mom nachdenken, ich wollte mich auf die Party konzentrieren.
Aber so weit ich den Gedanke von der Situation aus dem Wohnzimmer auch verdrängen konnte, behielt ich sie immernoch im Kopf.
Denn ich merkte, dass das Thema noch lange nicht abgeschlossen war.

PainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt