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Joe trug ihren Lippenstift auf und betrachtete sich im Spiegel.
"Du siehst gut aus", lächelte ich sie an und sie schmunzelte.
"Das ist eine Party, da muss man gut aussehen", erwiderte sie und wackelte mit ihren Augenbrauen. Ich kicherte und ließ mich auf ihr Bett fallen.
"Du machst noch Falten in dein Oberteil", warf sie mir vor, doch ich zuckte nur mit meinen Schultern. "Ist mir egal, es ist nachts und ich muss keinem gefallen."
"Aber jemandem zeigen, wie du nach Wochen strahlst", meinte Joe und ich verdrehte nur meine Augen und stützte mich auf meine Ellenbogen.
"Für heute Abend will ich, dass du den Namen Adrien nicht ein einziges mal erwähnst, ihn mir nicht zeigst oder mich mit ihm alleine lässt", entgegnete ich und Joe nickte.
Sie war der festen Überzeugung dass es an der Zeit wäre, Adrien zu zeigen, was er verloren hatte. Besonders nach dem Zusammenstoß vor mittlerweile einer Woche sollte ich mir den heutigen Tag freihalten. Das es allerdings die Siegesparty unserer Footballmannschaft war und Adrien als Capitan sicherlich auftauchen würde, hatte Joe mir erst vor zwei Stnden mitgeteilt, denn sie wusste, dass ich hätte mich nicht dazu überreden lassen.
Ich hatte seit dem ganzen Chaos in meinem Leben kein einzigen Gedanken an die Footballspiele gedacht, deshalb war es für Joe auch so leicht ,mir in der allerletzten Sekunde davon zu erzählen.
"Jetzt nimm deine Jacke und wir fahren endlich los", forderte sie mich auf und ich stand schließlich auf.
Wir beide verließen ihre Wohnung und setzten uns in den Bus. Die Feier würde bei einem von den Spielern stattfinden und jeder sei herzlich willkommen.
An der vorletzten Station stiegen wir aus, denn wir mussten noch ein kleines Stück laufen, doch die unglaublich laute Musik und die Massen an Schülern machte uns das Suchen nicht gerade schwer.
Das Grundstück war riesig, das Haus genauso groß. Im Tageslicht und ohne die vielen Leute sähe alles bestimmt harmonisch und einladend aus, zur Zeit tummelten sich allerdings viel zu viele Leute überall herum.
Joe und ich bahnten uns einen Weg zum Gebäude durch und landeten schließlich in der Küche, die Musik war hier noch lauter und ohrenbetäubender als draußen.
Meine beste Freundin drückte mir einen Becher in die Hand und sah mich auffordernd an. Ich zögerte nicht lange und kippte mir das Getränk den Rachen hinunter. Ich wollte mich nicht betrinken, aber nüchtern würde ich das alles hier sicherlich nicht durchstehen. Der Gedanke, dass Adrien sich hier irgendwo aufhielt, versetzte mir ein dumpfes Gefühl im Magen-
Mir wurde plötzlich unglaublich heiß, weshalb ich kurze Zeit später meine Jacke auszog und sie an einen sicheren Ort verfrachtete.
Joe folgte mir unauffällig, doch drückte mir bereits den nächsten Becher in die Hand.
Irritiert sah ich sie an. "Willst du mich etwa abfüllen?", lachte ich und sie zuckte nur mit ihren Schultern.
"Ich möchte, dass du lockerer wirst. Du sollst Spaß haben und dir nicht den Abend von irgendeinem Idioten ruinieren lassen", entgegnete sie und nickte dankend.
Ich kippte also auch den nächsten Becher runter und verzog mein Gesicht. Die Flüssigkeit brannte in meinem Hals und ich hustete. Der Geschmack erinnerte mich an den Abend von Tristans Geburtstagsfeier. Es war das erste richtige mal, dass ich härteren Alkohol zu mir nahm, doch es machte mich definitiv lockerer.
Apropos Tristan - die Party lief noch keine Stunde, doch fast die Hälfte aller Gäste war bereits bei einem guten Pegel, genauso wie Tristan. Er stand mit ein paar anderen Jungs auf den Tischen und tanzte wie verrückt.
Ich unterdrückte ein Lachen und wies mit dem Kopf auf den blonden Jungen. Joe verdrehte nur amüsiert die Augen und sah sich um.
"Was hälst du davon zu den anderen zu gehen?", fragte sie dicht an meinem Ohr und ich nickte.
Ich wusste nicht, wen sie genau meinte, doch mit ein paar mehr Leuten würde es sicherlich mehr Spaß machen. Joe nahm mich an der Hand und zog mich durch die Menschenmenge.
Jemand stieß mit dem Ellebogen gegen meinen Arm und ließ mich damit kurz die Orientierung verlieren. Ich hatte Joe verloren. Mist!
"Sorry", meinte der braunhaarige Junge, doch drehte sich wieder zu mir um.
Ich sah mich Joe um und ignorierte den Jungen, der mich neugierig musterte. Etwas zu neugierig für meine Verhältnisse.
"Ich hab' dich noch nie hier gesehen, bist du neu hier?"
Darüber konnte ich nur schnauben. Ich lebte mein ganzes Leben hier, doch, dass ich unsichtbar für die meisten war, überraschte mich nicht.
"Nein, ich bin hier geboren und aufgewachsen", lächelte ich und er nickte interessiert. Sein Mund zierte ein charmantes Lächeln.
"Du bist wirklich süß", meinte er, doch ich wusste keine Antwort darauf.
Flirtet er etwa mit mir?
Ich zwang mich zu einem Lächeln und nickte dankend. Er machte einen Schritt auf mich zu, doch ich wich sofort zurück und lief jemanden in den Rücken.
"Sorry", murmelte ich schnell und drehte mich kurz um.
"Sirina?"
Es war nur ein Hauchen, eigentlich in dieser Lautstärke unmöglich zu verstehen, aber es brauchte nur eine Stimme, die Wörtern so viel Kraft gab.
Adrien sah mich von oben bis unten an, genauso wie ich ihn. Natürlich sah er verdammt gut aus, wie konnte er auch nicht. Es brauchte nicht viel um ihn anziehend zu finden.
Sein Geruch umgab mich und ich bekam Gänsehaut. Sein Blick brannte sich in meine Haut ein.
Mir fiel auf, dass wir unfassbar nah bei einander standen, eigentlich schon zu nah für meine Verhältnisse, doch seine Augen ließen mich nicht los. Sie waren mir so bekannt, ich konnte mich ihnen nicht entreißen. Ich sah so viele gemischte Emotionen in ihnen: Überraschung, ein weing Angst, Hoffnung und eine Menge Sehnsucht.
Sehnsucht nach mir?
"Sirina, da bist du ja-", rief jemand von der anderen Seite und mein Blick suchte nach Joe. Die Verbindung zwischen uns brach, doch dieses Gefühl, wenn ich bei ihm bin, verschwand nicht.
Ich war irgendwie erleichtert, dass Joe mich gefunden hatte. Keine Ahnung, was das gerade wieder zwischen uns war.
Joe bemerkte, dass ich bei Adrien stand und machte einen enttäuschten Gesichtsausdruck, doch ich schüttelte den Kopf. Sie nahm mich am Handgelenk und zog mich ans andere Ende des Gebäudes. Es schien, als könne ich nun leichter atmen.
Ich blinzelte ein paar mal, um das zu verarbeiten, was gerade passiert war. Obwohl es nur wenige Sekunden waren, in denen wir uns angesehen hatten, lag soviel Intensität in unseren Blicke, dass ich die Spannung förmlich fühlen konnte.
"Was war das denn?", fragte mich Joe und blieb plötzlich stehen.
Ich musste meine Gedanken erst einmal sortieren und brauchte deshalb einen Moment. Tief atmete ich aus und rieb mir meine Schläfen.
"Ich hab' keine Ahnung."

PainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt