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Die Party lief schon einige Stunden.
Ich konnte mich gar nicht mehr erinnern, was ich alles in diesen gemacht hatte - nur, dass ich viel Spaß hatte.
Aber mittlerweile haben sich alle in eine andere Richtung hinbewegt und so saß ich mit einem Wasser in der Hand auf einem Sessel ganz hinten an der Wand.
Es war lustig mit anzusehen, wie die betrunkenen Gäste sich verhielten.
Ich genoss den Moment, in welchem dir Aufmerksamkeit nucht auf mit lag. Nich nie hatte ich so etwas gebraucht, warum also heute unbedingt?
Jemand trat vor mich und versperrte mir die Sicht.
Mein Blick wanderte von der Jeans hoch zum Hemd in Adriens engelsgleiche Gesicht.
Seine Augen strahlten eine Intensität aus, die ich selbst bei der Dunkelheit erkennen konnte.
"Hi", meinte er und berührte mit dem Bein mein Knie.
"Hey", entgegnete ich und lächelte ihn an.
"Sollen wir woanders hingehen?", fragte er, während sein Blick den betrunkenen Leuten galt.
Ich nickte schließlich und Adrien bot mir die Hand zum Aufstehen an.
Dankend verwob ich unsere Finger ineinander.
Vorsichtig zog er mich durch die tanzende Menge, aber so, dass mich nicht einer berühren sollte.
Mit einem mal fiel mir bei dem Blick auf seine Schultern wieder die Situation in Bad ein.
Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht hatte, nicht zu reagieren.
Jeder normale Mensch hätte etwas unternommen, aber ich konnte, nein, wollte es auch nicht.
Es hätte mich nicht gestört, wenn er eingetreten wäre, wenn er die Tür abgeschlossen hätte, wenn wir uns geküsst hätten. Vielleicht sogar mehr.
Schnell schüttelte ich diesen Gedanken ab.
Ich wollte es nicht so schnell angehen lassen, ich hatte es Adrien auch deutlich gesagt und er schien es auch zu respektieren. Doch dieses Verlangen zwischen uns sagte etwas anderes.
Innerlich wusste ich, dass ich es ganz sicher nicht langsam angehen wollte. Diesen Verlust der Kontrolle, immer wenn ich mit Adrien zusammen war, konnte ich mir nicht erklären. Mein Verstand schaltete einfach komplett aus, mein Herz setzte dagegen mit voller Überzeugung ein.
Ich hatte mich bereits gefragt, ob es eine natürliche Reaktion war, dass man sich der Person hingeben wollte, für die man Gefühle hatte. Doch es war so heftig und intensiv, was mich immer wieder überrumpelte.
Klar, man konnte meine erste Beziehung nicht mit dieser hier vergleichen. Es lagen Welten dazwischen. Diese Bindung, die Adrien und ich haben, ist schon fast unmenschlich.
Ich fühle, wenn es ihm schlecht geht, ich kann es nicht einmal ertragen ihn traurig zu sehen. Ich spüren, wenn er denselben Raum betritt und ihn wieder verlässt.
Keine Ahnung, ob das natürlich in einer Beziehung war, aber ich hatte nunmal keinen Vergleich.
Adrien zog mich die Treppe hoch und steuerte auf die Tür ganz hinten in den Geflügel.
Hier hinten war ich noch nie.
Neugierig schaute ich much um, doch die meisten Räume waren geschlossen, bis auf ein paar Büros.
Adrien öffnete langsam die Tür und ließ mich eintreten, doch in dem kleinen Raum befand sich nur eine Treppe, die nach oben führte.
Fragend sah ich ihn an, doch er nickte mir nur zu und schloss die Tür hinter sich.
Die Musik war hier mittlerweile so leise, dass ich meine eigenen Atemzüge hören konnte.
Aufgeregt lief ich nach oben.
Ich wusste nicht einmal, dass die Villa einen weiteren Stock hatte, doch es war keine Etage, es war die riesige Dachterrasse. Die vielen Lichterketten und Lampinions erhellten diesen.
Man konnte bestimmt einige Meter in den Wald schauen. Die Bäume bildeten einen perfekten Einklang, der fast volle Mond strahlte jedes Blatt an und tauchte sie in ein schimmerndes Weiß.
Was so einfach und unspektakulär auf den ersten Blick war, empfand ich als etwas so schönes.
"Es ist wunderschön hier", murmelte ich und sah mich weiter um.
Adrien lächelte zufrieden und umarmte mich von hinten.
An meinem Rücken spürte ich sein kräftiges Herz schlagen. Sein Atem streifte meine Schläfe leicht.
Nach einiger Zeit unterbrach Adrien die Stille.
"Tut mir leid", flüsterte er schon fast unhörbar.
Ich runzelte die Stirn und sah ihn von der Seite aus an.
"Das ist sicherlich nicht das, was du dir vorgestellt hast", fügte er hinzu und sah mich an. "An deinem Geburtstag."
Ich schluckte nur und drehte mich leicht zu ihm um.
"Wenn du bei mir bist, ist es der Schönste."
Er schmunzelte und gab mir einen federleichten Kuss auf die Stirn.
"Das ist süß, ...", murmelte er und ließ mich langsam los. "... aber wir wissen beide, dass du dich hier nicht hundert Prozent wohl fühlst."
Ich senkte meinen Blick und verschränkte die Arme.
Er hatte ja recht, diese Party war nicht das, was ich mir wirklich erhofft hatte.
Bei meiner Familie und Freunden zu sein, einfach mit ihnen diesen Tag zu verbringen, das würde mich vollkommen glücklich machen.
Ich schüttelte leicht den Kopf, sah statt ihn den dunklen Himmel an.
"Es ist ... einfach", ich rangte nach den passenden Worten, ich wollte seine und vor allem Rubys Gefühle nicht verletzten, da sie sich so viel Mühe gemacht haben, "viel." Ich rümpfte die Nase.
"Ich will mich auf gar keinen Fall beschweren, alles ist perfekt", murmelte ich und sah von einem Punkt zu einem anderen.
"Sirina."
Adrien brachte mich, wie fast immer, mit einem Wort zum Schweigen.
"Du brauchst dich für nichts zu rechtfertigen."
Ich schluckte und sah ihn endlich wieder an.
Obwohl Adrien mir das versicherte, konnte ich nichts gegen mein schlechtes Gewissen machen.
"Ich will nicht, dass du denkst, ich schätze euer oder dein Geschenk nicht wert", fügte ich hinzu und Adrien schmunzelte mit gerunzelter Stirn.
"Du glaubst, dass das hier," er wies mit seinem Kopf auf die Tür hin, aus welcher wir gekommen sind, "mein Geschenk an dich?"
Ich zuckte nur mit den Schultern, was für ihn Antwort genug waren.
Adrien schüttelte lächelnd den Kopf.
"Schließ deine Augen", murmelte er und ich machte, was er von mir verlangte.
Adrien stellte sich wieder hinter mich. Seine Hände umfassten sanft meine Taille, was mir sehr gefiel.
Ich konzentrierte mich auf seinen regelmäßigen Atem.
"Welcher ist der Ort, an dem du immer wieder zurück kehren würdest, wenn die Welt nicht in Ordnung wäre?", flüsterte er.
Sein heißer Atem kitzelte mein Ohr.
"Du meinst, außer in deinen Armen?", grinste ich und er lachte leise.
"Ich meine, einen richtigen Ort", fügte er hinzu und zog mich noch näher zu ihm, falls das irgendwie möglich war.
Ich verstand noch nicht, was er von mir wollte, trotzdem versuchte ich mich an seiner Bitte.
Der Ort, den ich mir vorstellte, war schlichtweg einer meiner Kindheitserinnerungen. Schnee, der Geruch von den Bäumen, das Einkuscheln in die warme Decke, wenn es draußen kalt ist.
"Was siehst du?", hauchte er und ich schluckte.
"Ich sehe", wisperte ich, "die alte Hütte meiner Eltern in den Bergen. Eine Menge Schnee, wirklich viel Schnee-" Er lachte und ich kicherte zusätzlich. "Bäume, so weit das Auge reicht."
"Das möchte ich dir schenken", flüsterte er zurück, und ich schlug meine Augen auf.
Es kostete mich ein paar Sekunden, um in der Realität anzukommen.
Verdutzt drehte ich mich um.
"Was meinst du damit?"
"Ich möchte dich immer weiter kennen lernen, Sirina. Warum sollte ich nicht den Ort besuchen dürfen, der dir so viel bedeutet?"
Ich blinzelte ein paar mal.
"Adrien", hauchte ich und schüttelte meinen Kopf. Ich ließ ihn los, während uch mich umdrehte. "Ich kann das nicht annehmen, das ist einfach zu teuer."
Mein Freund umschloss mit seinen Händen meine Handgelenke und verringerte so den Abstand zwischen uns.
"Ich möchte dir nichts materielles schenken, stattdessen will ich mit dir Erinnerungen, Momente schaffen", erklärte er.
In seinen Augen lag etwas, das ich nicht richtig deuten konnte.
Ich war einfach nur sprachlos. Ich konnte so etwas doch nicht einfach annehmen, auch wenn es mein Geburtstag war. Zudem hatte jemand noch nie so etwas für mich getan.
Jede Facette an Adrien faszinierte mich immer nur noch mehr und mehr.
"Ich akzeptiere kein Nein", fügte er hinzu und ich lächelte.
Ich schloss die Augen und runzelte meine Stirn.
"Okay", flüsterte ich und Adrien grinste zufrieden.
"Okay", hauchte er und küsste mich.

PainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt