Es war komisch zu wissen, was noch kommen würde, denn ich hatte absolut keine Ahnung.
Den ganzen Tag lang hatte ich nach Adrien Ausschau gehalten, aber irgendwie hatte ich mich auch selber versteckt.
Ich wollte zwar wissen, wie es mit uns weiterging, aber irgendwie auch nicht. Mein Bauchgefühl war trotzdem eher negativ als positiv, obwohl ich immernoch etwas Hoffnung hatte.
Mit Joe hatte ich schließlich auch darüber geredet, über alles - von meinem Familienfiasko bis hin zu dem Adrien-Ian-Debakel. Es tat gut, jemanden zu haben, dem ich meine Probleme erzählen konnte, ohne verurteilt zu werden. Obwohl sie mir versichert hatte, dass sich alles wieder legen würde, konnte ich nicht anders, als das Schlimmste zu befürchten. Ich hatte Angst, wahnsinnige Angst, weil ich nicht einschätzen konnte, wie sehr mich das Gespräch verletzten könnte.
Mit gemischten Gefühlen ging ich durch die Gänge. Die letzte Stunde wurde gerade abgeläutet und alle Schüler stürmten nach draußen, ich hingegen versuchte Adrien im Chaos zu finden.
Joe hatte gemeint, dass sie zwar dabei sein könne, aber um ehrlich zu sein, wollte ich mit Adrien alleine sprechen. Über das, was in der Zukunft lag, und das ist ganz sicher nicht für andere Ohren bestimmt.
Unsicher trat ich durch die Eingangstüren und griff fest um meinen Henkel der Tasche.
Langsam aber sicher löste sich die Menge auf, und da erkannte ich ihn. Wie er an seinem schwarzen Wagen lehnte. Die Hände in die Jeans gesteckt und einem ernsten Ausdruck auf dem Gesicht. Neben ihn seine Freude und die eine Person, die ich am wenigsten neben ihm erwaret hätte. Claire. Mein Herz schlug plötzlich so schnell vor Aufregung, dass ich einige Sekunden brauchte, um ruhig weiter atmen zu können. Aufkeinenfall wollte ich mich der gesamten Gruppe nähern, also schlug ich den Weg nach links ein.
"Sirina." Mir gefror das Blut in den Adern. Ich hatte fast vergessen, wie sich mein Name aus Adriens Mund anhörte.
Ich unterdrückte mein Zittern und drehte mich zu ihm um. Er stand mindestens einen ganzen Meter von mir entfernt, was mich innerlich kränkte. Sein Blick war ganz anders als sonst, kalt und hart. Die einstige Verbindung schien meilenweit weg zu sein.
Adrien wandte den Blick kurz nach hinten. Claire nickte ihm unauffällig zu, doch ich erkannte es trotzdem. Die Art, wie sie sich ohne Worte verstanden, raubte mir jeden weiteren Hoffnungsfunken.
"Ich kann das nicht mehr", meinte er so kühl, dass ich den Blick abwandte. Mir stiegen Tränen in die Augen, die ich mit aller Kraft versuchte zu unterbinden. "Wir werden uns nicht mehr sehen, uns nicht mehr hören oder sprechen. Es ist das Beste", fügte er hinzu und drehte sich um.
Ich hielt den Atem an. Er schien jegliche Emotionen unterdrückt zu haben. Ich fragte mich ernsthaft, wer gerade vor mir stand, denn der Jungen, dem ich mein Herz schenke, war es nicht.
"Das war's also?", fragte ich nach. Einige Schüler drehten sich zu uns um, aber ich blendete alles und jeden einfach aus. Adrien hielt inne und drehte sich zu mir um. "Das ist das Ende von uns?", wiederholte ich Tränen erstickt.
Wie konnte er einfach nur da stehen und mir dabei zu sehen, wie ich versuchte nicht die Kontrolle zu verlieren? Wie konnte er alles einfach so beenden und mir noch nicht einemal einen Grund nennen?
"Du kannst mir noch nicht einmal sagen, wieso du dich dafür entschieden hast?", schluchzte ich auf. Als Adrien nichts darauf erwiderte, packte mich eine Wut, die ich noch nie zuvor verspürt hatte. "Du bist ein verdammter Feigling, Adrien Black! Nichts als ein Mann, der sich nicht traut mir die Wahrheit zu sagen!"
Adriens Audruck änderte sich mit einem mal. Er schien jetzt viel mehr aufgebracht. Wenigstens zeigte er hier Emotionen.
"Du willst die Wahrheit von mir hören? Ich werde sie dir geben", entgenete er laut. So laut, dass vermutlich die ganzen restlichen Schüler aufmerksam zuhörten. "Du gehörst nicht hier her, Sirina. Ich habe mich gefragt, wieso das zwischen uns nicht geklappt hat. Ich habe die Schuld immer nur bei mir gesucht, dabei stand der Grund immer direkt vor mir."
Es war unmöglich, dass der Mann, dem ich mein Herz geschenkt hatte, so etwas von sich gab. Ich biss die Zähne zusammen und senkte den Blick. Er log. Er musste lügen.
"Die Wahrheit ist, dass das zwischen uns niemals eine Zukunft hätte. Ich weiß nicht, wie ich denken konnte, dass das zwischen uns echt war."
Ich schlug mir die Hand vor den Mund.
Alles, was ich für ihn empfand, sollte auf einer bloßen Lüge basieren?
Er hatte noch nicht einmal Gefühle für mich? Er hatte mich selbst darüber angelogen. Er war die Liebe meines Lebens, zumindest hatte ich mir das eingebildet. Die ganzen Berührungen, seine Nähe und die Küsse, es war alles nicht echt?
Er hatte mir von Anfang an etwas vorgemacht und ich war zu blind es zu merken, er hat mit mir gespielt, er hat mich benutzt - und ich war zu verliebt um es zu erkennen.
"Aber wieso?", fragte ich mit heiserner Stimme. Ich konnte nicht begreifen, dass er diese Worte von sich gab.
"Es war einfach nur ein dummes Spiel, Sirina", meinte Claire und stellte sich neben Adrien. Er wandte den Blick von mir ab. Er konnte mir noch nicht einmal in die Augen sehen.
Feigling. Ein verdammter Feigling war er.
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. "Es war ein Spiel?", fragte ich nach.
Adrien schloss die Augen und ich stieß einen qualvollen Ton aus. Ich konnte ihn noch nicht einmal ansehen, so sehr schmerzte mich sein Anblick.
Mir schien die Luft wegzubleiben. In meinem Kopf herrschte gerade ein Chaos, ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich konnte nicht mehr. Der Schmerz, den ich empfand war unerträglich.
"Jedes Wort, das du zu mir sagtest, war eine reine Lüge", schluchzte ich auf.
Ich hasste ihn dafür, dass er mich augenutzt hatte. Ich hasste, wie nah mir die ganze Sache ging und ihm nicht. Ich hasste, wie er nur da stehen konnte, und mir beim Leiden zu sah.
Ich wollte Adrien nie wieder hören, nie wieder sehen und ihn nie wieder berühren. Er hat mir alles genommen, dass ich ihm gegeben hatte, und jetzt zertrümmerte er es bis ins kleinste Detail.
Mein Kopf drehte sich. Mir wurde schlecht, alles nahm ich nur noch unscharf war. Der Schmerz war einfach zu erdrückend. So erdrückend, dass ich mich nicht auf den Rest der Gegenwart konzentrieren konnte.
Ich wollte Adrien dafür schlagen, dass er mich so ausgenutzt hatte, alles war nur ein verdammtes Spiel für ihn. Ich wollte ihn dafür treten, dass er mir so viel Kraft, Energie, und Leidenschaft geraubt hatte, obwohl er selber nichts geopfert hatten. Ich wollte ihn erwürgen für das, was er mir angetan hatte, aber ich konnte nicht. Ich konnte es verdammt nochmal nicht.
Er war ein abscheulicher Mensch, schlimmer als alle, die mich verletzt hatten. Er hatte mein Herz in tausend Teile gebrochen, aber ich konnte nichts für meine Gefühle ihm gegenüber machen. Für ihn war alles nur ein Spiel, doch ich hatte diese Beziehung wirklich gelebt. Ich hatte ihn wirklich geliebt.
Mit der letzten Kraft, die ich noch hatte, hob ich den Kopf und sah Adrien direkt ins Gesicht - auch, wenn ich ihn nur verschwommen wahrnahm.
"Ich hoffe, du wirst jetzt glücklicher als du es mit mir warst", murmelte ich endgültig, drehte mich um und drängte mich durch die Menschenmengen. Tränen erstickt rannte nur noch weg von dem Mann, den ich einst mein ganzes Leben anvertraut hätte.
Mir gingen gerade so viele Gedanken durch den Kopf, die ich noch nicht einmal sortieren konnte. Dabei wiederholte sich die Vorwürfe, die ich mir machte, immer wieder.
Doch wie konnte ich auch nicht?
Diesen ganzen letzten Monate war eine einfache Lüge. Ich hatte mich in etwas verrannt, dass nicht einmal echt war. Ich war so blind vor Liebe, dass ich noch nicht einmal über solche Folgen nachgedacht hatte.
Adrien liebte mich nicht, hatte er mich nie. Und ich hatte ihm ohne zu zögern mein ganzes Herz geschenkt, das er nun in Trümmern zurückließ.

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Pain
WerewolfSirina ist ein ganz normales Mädchen mit einer ganz normalen Familie und ganz normalen Problem. Als sie jedoch auf Adrien trifft, ändert sich ihr Welt mit einem mal. Er ist anders als alle anderen, die sie kennt - und das reizt sie sehr. Mir der Ze...